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Schuldfähigkeitsgutachten dienen als Grundlage für die Beurteilung der Voraussetzungen einer freiheitsentziehenden Maßregel. Die Forschungsliteratur verweist auf eine heterogene Gutachtenqualität in der Praxis. Seit der Veröffentlichung von Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten einer interdisziplinären Arbeitsgruppe im Jahr 2007 liegen bislang nur wenige empirische Belege darüber vor, ob und in welcher Form diese auch in der Praxis umgesetzt werden. Analysiert wurde die Umsetzung der Mindestanforderungen und Gefährlichkeitsprognose in N = 230 Schuldfähigkeitsgutachten in Abhängigkeit des Erstellungszeitpunktes (vor bzw. nach der Publikation der Mindestanforderungen). Für eine Teilstichprobe (n = 136) lagen Auskünfte über die Verfahrensausgänge vor und konnten hinsichtlich der Berücksichtigung der sachverständigen Befunde im Urteil untersucht werden. Es zeigt sich eine zunehmende Umsetzung der Mindestanforderungen in der gutachterlichen Praxis im Zeitverlauf. Die Gefährlichkeitsprognose zur Frage der Unterbringung im Maßregelvollzug sowie die Berücksichtigung gutachterlicher Befunde im Urteil stellen sich hingegen nach wie vor äußerst heterogen dar. Die Ergebnisse sprechen einerseits für einen (Teil-)Erfolg, andererseits verdeutlichen sie weiteren Handlungsbedarf im Hinblick auf die Qualitätssicherung bei der Erstellung von Schuldfähigkeitsgutachten.
Im Jahr 2006 wurden von einer Arbeitsgruppe (nicht verbindliche) Mindestanforderungen für Prognosegutachten formuliert, die bereits im Gutachtenauftrag Berücksichtigung finden sollen. Insbesondere sollen die Sachverständigen sich an folgenden vier prognostischen Fragestellungen orientieren: (1) der Wahrscheinlichkeit erneuter Straftaten, (2) der Art, Häufigkeit und des Schweregrades erneuter Straftaten, (3) möglicher risikoreduzierender Maßnahmen und (4) möglicher risikoerhöhender Umstände. In einer empirischen Studie werden N = 787 Prognosegutachten von Gewalt- und Sexualstraftätern, die zwischen 1999 und 2016 erstellt worden sind, hinsichtlich der richterlichen Auftragsstellung und deren Beantwortung analysiert. Einen Teil der Stichprobe bilden n = 412 externe Prognosegutachten der JVA Freiburg und n = 375 Prognosegutachten der Abteilung für Forensische Psychiatrie der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Es wurden n = 407 (Freiburg: 253, München: 154) vor 2006 erstellt und n = 380 (Freiburg: 159, München: 221) nach 2006. Es zeigt sich, dass ab 2006 die Münchner Abteilung eine statistisch signifikant häufigere Beantwortung der Fragestellungen (1), (2) und (4) verzeichnet, wohingegen keine Veränderung bei den externen Prognosegutachten der JVA Freiburg festzustellen ist. Es wird argumentiert, dass in universitären Einrichtungen eher wissenschaftliche Empfehlungen aufgegriffen werden als in der allgemeinen Gutachterpraxis. Zudem wird die Bedeutung der Bezugnahme auf die prognostischen Fragestellungen bereits im richterlichen Gutachtenauftrag betont, da statistisch gezeigt werden kann, dass diese zu einer konkreteren Beantwortung durch die Sachverständigen führt.
Untersucht wird, ob aus methodologischer Sicht in den forensischen Wissenschaften eine Fortführung der Diskussion um Mindestanforderungen für Prognosegutachten angezeigt ist oder die aktuell vorliegenden Maßnahmen zur Qualitätssicherung als (immer noch) ausreichend eingestuft werden können. Dafür wird zunächst auf den Begriff der wissenschaftlichen Methode und dessen Umsetzung in der forensischen Praxis eingegangen. Anschließend werden (inter-)nationale Methodendiskurse beispielhaft dargestellt, die verdeutlichen, wie dynamisch die Methodenentwicklung im Bereich kriminalprognostischen Wissens seit geraumer Zeit ist. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht berufsethischer Standards wird geschlussfolgert, dass eine Überarbeitung der Mindestanforderungen angezeigt ist. Nach hier vertretener Meinung sollte im Zuge dieses Prozesses eine grundsätzliche Diskussion über Qualitätsstandards bei Prognosegutachten geführt werden.
Im Jahre 2006 bzw. 2007 wurden erstmals "Mindestanforderungen für Prognosegutachten" veröffentlicht, die wesentlich zur Qualitätssicherung in der forensischen Sachverständigentätigkeit beigetragen haben. Ende 2019 wurde nach einem mehr als dreijährigen Arbeits- und Diskussionsprozess eine aktualisierte Version, nunmehr unter dem Titel "Empfehlungen für Prognosegutachten", veröffentlicht, wobei - anders als in der Erstfassung - erfahrungswissenschaftliche und juristische Empfehlungen in separaten Aufsätzen bearbeitet und vorgestellt wurden. Im vorliegenden Beitrag werden der Arbeitsprozess zur Aktualisierung skizziert sowie wesentliche Neuerungen in beiden Bereichen - Erfahrungs- und Rechtswissenschaften - vorgestellt.
Die Umsetzung der vom Arbeitskreis Sozialtherapeutischer Anstalten im Justizvollzug (AK SothA) 2016 formulierten Mindestanforderungen an die sozialtherapeutischen Einrichtungen im Justizvollzug (SothEn) wird anhand einer Abfrage bei den 71 aktiven SothEn im Rahmen der von der Kriminologischen Zentralstelle durchgeführten jährlichen Stichtagserhebung erfasst. Der jährliche Fragebogen wird hierfür um einen Zusatzbogen ergänzt und von den jeweiligen zuständigen Personen in den SothEn ausgefüllt. Erfasst werden folgende Themenschwerpunkte: (1) Aufnahme der Gefangenen, (2) besondere Anforderungen an Sozialtherapeutische Abteilungen, (3) organisatorische und strukturelle Mindestanforderungen, (4) räumliche und (5) personelle Mindestanforderungen, (6) Mindestanforderungen an Dokumentation und Evaluation. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere im Bereich der besonderen Anforderungen an sozialtherapeutische Abteilungen (z. B. Arbeitsbereich, Finanzmittel, Verwaltungskräfte) Defizite bestehen. Zudem fällt auf, dass mehr als zwei Drittel der SothEn nicht als Praktikumsstätte dienen und die Behandlungsdokumentation in ca. der Hälfte der SothEn nicht oder selten wissenschaftlich ausgewertet wird. Es wird konstatiert, dass viele der Mindestanforderungen in den SothEn umgesetzt werden, es jedoch weiterhin Optimierungsbedarf gibt. Insbesondere die Trennung der SothEn vom Regelvollzug wird als bedeutsam eingestuft und als zukünftige Umsetzungsmaßnahme empfohlen.