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Im Jahr 2006 wurden von einer Arbeitsgruppe (nicht verbindliche) Mindestanforderungen für Prognosegutachten formuliert, die bereits im Gutachtenauftrag Berücksichtigung finden sollen. Insbesondere sollen die Sachverständigen sich an folgenden vier prognostischen Fragestellungen orientieren: (1) der Wahrscheinlichkeit erneuter Straftaten, (2) der Art, Häufigkeit und des Schweregrades erneuter Straftaten, (3) möglicher risikoreduzierender Maßnahmen und (4) möglicher risikoerhöhender Umstände. In einer empirischen Studie werden N = 787 Prognosegutachten von Gewalt- und Sexualstraftätern, die zwischen 1999 und 2016 erstellt worden sind, hinsichtlich der richterlichen Auftragsstellung und deren Beantwortung analysiert. Einen Teil der Stichprobe bilden n = 412 externe Prognosegutachten der JVA Freiburg und n = 375 Prognosegutachten der Abteilung für Forensische Psychiatrie der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Es wurden n = 407 (Freiburg: 253, München: 154) vor 2006 erstellt und n = 380 (Freiburg: 159, München: 221) nach 2006. Es zeigt sich, dass ab 2006 die Münchner Abteilung eine statistisch signifikant häufigere Beantwortung der Fragestellungen (1), (2) und (4) verzeichnet, wohingegen keine Veränderung bei den externen Prognosegutachten der JVA Freiburg festzustellen ist. Es wird argumentiert, dass in universitären Einrichtungen eher wissenschaftliche Empfehlungen aufgegriffen werden als in der allgemeinen Gutachterpraxis. Zudem wird die Bedeutung der Bezugnahme auf die prognostischen Fragestellungen bereits im richterlichen Gutachtenauftrag betont, da statistisch gezeigt werden kann, dass diese zu einer konkreteren Beantwortung durch die Sachverständigen führt.
Schuldfähigkeitsgutachten dienen als Grundlage für die Beurteilung der Voraussetzungen einer freiheitsentziehenden Maßregel. Die Forschungsliteratur verweist auf eine heterogene Gutachtenqualität in der Praxis. Seit der Veröffentlichung von Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten einer interdisziplinären Arbeitsgruppe im Jahr 2007 liegen bislang nur wenige empirische Belege darüber vor, ob und in welcher Form diese auch in der Praxis umgesetzt werden. Analysiert wurde die Umsetzung der Mindestanforderungen und Gefährlichkeitsprognose in N = 230 Schuldfähigkeitsgutachten in Abhängigkeit des Erstellungszeitpunktes (vor bzw. nach der Publikation der Mindestanforderungen). Für eine Teilstichprobe (n = 136) lagen Auskünfte über die Verfahrensausgänge vor und konnten hinsichtlich der Berücksichtigung der sachverständigen Befunde im Urteil untersucht werden. Es zeigt sich eine zunehmende Umsetzung der Mindestanforderungen in der gutachterlichen Praxis im Zeitverlauf. Die Gefährlichkeitsprognose zur Frage der Unterbringung im Maßregelvollzug sowie die Berücksichtigung gutachterlicher Befunde im Urteil stellen sich hingegen nach wie vor äußerst heterogen dar. Die Ergebnisse sprechen einerseits für einen (Teil-)Erfolg, andererseits verdeutlichen sie weiteren Handlungsbedarf im Hinblick auf die Qualitätssicherung bei der Erstellung von Schuldfähigkeitsgutachten.
Im deutschen Strafrecht haben kriminalprognostische Beurteilungen eine große Bedeutung und stellen einen wesentlichen Bestandteil der Aufgabenbereiche im Justiz- und Maßregelvollzug dar. In der Forschungsliteratur werden unterschiedliche methodische Zugänge zur Erstellung von Kriminalprognosen diskutiert, die sich in klinisch-intuitive, statistisch-aktuarische, klinisch-strukturierte sowie klinisch-idiographische Methoden gliedern lassen. Bisherige Studienergebnisse verdeutlichen die Vorzüge standardisierter Kriminalprognosen gegenüber der intuitiven unstrukturierten Urteilsbildung und verweisen auf die signifikant höhere Vorhersageleistung durch standardisierte Kriminalprognoseinstrumente. Der Einsatz aktuarischer sowie klinisch-strukturierter Prognoseinstrumente wird anhand 605 Prognosegutachten aus dem Zeitraum zwischen 1999 und 2016 in Abhängigkeit von Merkmalen des Gutachtens (Erstellungszeitpunkt, Institutionen, Profession Sachverständige/-r) sowie probandenbezogener Merkmale (Anlassdelinquenz, Diagnose, Inhaftierung bzw. Unterbringung) analysiert. Es zeigt sich trotz eines zunehmenden Einsatzes aktuarischer und klinisch-strukturierter Prognoseinstrumente im Zeitverlauf eine heterogene Anwendung in der kriminalprognostischen Begutachtungspraxis. Die Ergebnisse sprechen einerseits für eine zunehmende Standardisierung von Kriminalprognosen, andererseits für weiteren Handlungsbedarf im Hinblick auf die Qualitätssicherung klinischer Urteilsbildung in der Kriminalprognostik.