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Static-99 und SORAG (Sexual Offender Risk Appraisal Guide) sind sogenannte aktuarische Prognoseinstrumente zur Bestimmung statistischer Wahrscheinlichkeiten für Rückfälle bestimmter Tätergruppen. Bisherige Validierungen der beiden Konzepte werden referiert. Anhand einer eigenen Stichprobe - zwischen 2002 und 2007 aus dem österreichischen Strafvollzug entlassene und begutachtete Sexualstraftäter (N = 714), zu denen zu einem Stichtag Informationen über Rückfälle vorlagen (n = 275) - wird die prognostische Güte von Static-99 und SORAG überprüft. Die Rückfälle (30,2 %) ereigneten sich in einem durchschnittlichen Legalbewährungszeitraum von 3,6 Jahren. Bei 14,6 % handelte es sich um Gewaltdelikte. Beide Instrumente zeigen eine hohe Validität bei den meisten Delikt- und Täterkategorien. Die Vorhersagegüte für ein erneutes Sexualdelikt durch verurteilte Vergewaltiger ist nur schwach, ebenfalls für Missbrauchsdelikte mit Körperkontakt. Trotz vergleichsweise günstiger Validitätswerte insgesamt wird der praktische Nutzen gerade für die schweren Tatformen als bislang gering eingestuft. So identifiziert beispielsweise die höchste Risikokategorie nur jeden vierten bis zehnten Rückfälligen richtig. Auf die Gefahr der Überschätzung verlässlicher Prognosen über das Verhalten einzelner Täter durch günstige Validitätsindizes wird hingewiesen.
Diskutiert wird der aktuelle Forschungsstand über die Risikoeinschätzung und das Risikomanagement bei Sexualstraftätern bzw. Sexualstraftäterinnen in Deutschland. Es wird konstatiert, dass der überwiegende Teil der in Deutschland angewendeten Methoden empirisch fundiert ist. Nach hier vertretener Ansicht sind sogenannte aktuarische Risikobewertungsinstrumente (ARIs) und Instrumente der strukturierten professionellen Risikobeurteilung (SPJs) die bedeutsamsten methodischen Ansätze im aktuellen forensisch-psychologischen Diskurs. Die wichtigsten Instrumente beider Ansätze wurden für den deutschsprachigen Raum bereits übersetzt und kreuzvalidiert. Da das standardisierte Verfahren von ARIs keine Erfassung von idiografischen Merkmalen zulässt, die für die Einschätzung des Risikos sowie für das Risikomanagement im Einzelfall essenziell sind, haben sich in Deutschland vor allem SPJ-Verfahren durchsetzen können. Es wird konstatiert, dass in der letzten Dekade ein Zuwachs an (verpflichtenden) Behandlungsangeboten für entlassene Sexualstraftäter/-innen zu verzeichnen ist, was zu einem erheblichen Rückgang der Rückfälle geführt hat. Abschließend wird das Präventionsprojekt Dunkelfeld (PPK) vorgestellt, das Personen, die sich selbst als pädophil identifizieren, präventive Behandlungsmaßnahmen ermöglicht.
Vor dem Hintergrund der Veröffentlichung von "Mindestanforderungen an Prognosegutachten" in 2006 wird untersucht, inwieweit diese in der Praxis bei der Erstellung prognostischer Gutachten über Gewalt- und Sexualstraftäter umgesetzt werden und sich seither die Gutachtenqualität gemessen an der Trefferquote der prognostischen Entscheidungen verbessert hat. Dazu werden Prognosegutachten über Gewalt- und Sexualstraftäter aus der JVA Freiburg und der Abteilung für Forensische Psychiatrie der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU München (N = 502) aus 1999 bis 2002 und 2008 bis 2011 analysiert und günstig gerichtete Prognosegutachten mit Ergebnissen aus dem Bundeszentralregisterauszug (Stand Juni 2016) validiert. Es zeigt sich, dass die Mindestanforderungen im Gegensatz zur universitären Institution in der externen gutachterlichen Praxis nur teilweise berücksichtigt werden. Die Einhaltung der Mindestanforderungen steht in positivem Zusammenhang mit der prognostischen Trefferquote günstig gerichteter Prognosegutachten. Die Ergebnisse werden diskutiert, auf weiteren Handlungsbedarf bei der gutachterlichen Qualitätssicherung verwiesen und Einschränkungen der Studie angeführt.
Ziel der Studie ist es zu überprüfen, ob Viktimisierungserfahrungen von sexuellem Missbrauch in der Kindheit (unter 16 Jahren) und frühe, nicht missbräuchliche sexuelle Erfahrungen und Verhaltensweisen (z. B. Masturbationsverhalten) mit der Entstehung pädosexueller Neigungen bei Männern zusammenhängen. Zu diesem Zweck werden biografische Daten von N = 223 aus Österreich stammenden Sexualstraftätern untersucht, die aufgrund sexueller Übergriffe gegen Kinder zwischen 2000 und 2008 zu einer Haftstrafe verurteilt wurden. Es wird konstatiert, dass eigene Viktimisierungserfahrungen mit der Entstehung pädosexueller Neigungen im späteren Lebensverlauf korrelieren. Nach hier vertretener Ansicht kann dies in einigen Fällen damit erklärt werden, dass im Zuge der Verarbeitung eigener Opfererfahrungen sich Sex mit Kindern zu einer für das Individuum akzeptablen Fantasie entwickelt. Bezüglich eigener Viktimisierungserfahrungen ist die Rate bei Männern, die von einer ausschließlich pädophilen Paraphilie betroffen sind, dreimal höher als bei Männern ohne pädophile Paraphilie. Darüber hinaus geht aus der Untersuchung hervor, dass die wöchentliche Masturbationsrate während der Pubertät und nicht missbräuchliches Sexualverhalten Indikatoren für pädosexuelle Paraphilien und für Rückfälligkeit darstellen. Männer, bei denen eine ausschließlich pädophile Paraphilie vorliegt, zeigen die höchste Rate an frühen sexuellen Erfahrungen und Verhaltensweisen. Abschließend werden Limitationen der Studie diskutiert.
Vor dem Hintergrund der Frage nach Möglichkeiten zur Qualitätssicherung in der strafrechtsrelevanten Begutachtungspraxis werden diverse Forschungsprojekte vorgestellt, die die Einhaltung der 2006/2007 publizierten "Mindestanforderungen" an Prognose- und Schuldfähigkeitsgutachten untersuchen. Der Fokus liegt hierbei auf einem 2023 abgeschlossenen iterativem Forschungsprojekt, in dem N = 1000 Prognose- und Schuldfähigkeitsgutachten über Sexual- und Gewaltstraftäter von 150 verschiedenen Sachverständigen retrospektiv analysiert werden. Der Erstellungszeitraum erstreckt sich von 1999 bis 2016. Es wird konstatiert, dass Gutachten nach dem Erscheinen der Mindestanforderungen stärker auf relevante prognostische Fragen eingehen und, dass die Mindestanforderungen auch bei Schuldfähigkeitsgutachten umgesetzt werden. Darüber hinaus bestätigen die Ergebnisse eine ausgeprägte Heterogenität von angewendeten testpsychologischen Verfahren in der Begutachtungspraxis. Nichtsdestoweniger scheint nach aktuellem Stand eine intuitive Vorgehensweise in der Praxis weiterhin verbreitet zu sein und das Fehlen einer (methodischen) Kontrolle bei der Urteilsbildung an der heterogenen Gutachtenqualität mitverantwortlich zu sein. Weitere Ergebnisse werden diskutiert. Abschließend werden Möglichkeiten der wissenschaftlichen Qualitätssicherung der Begutachtungspraxis erörtert, darunter postgraduale Ausbildungscurricula und interdisziplinär konzipierte Fragenkataloge.
Im Rahmen des Forschungsprojekts "Evaluation der sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg (SothA-HH)" wurden zu mehreren Messzeitpunkten von 2010 bis 2015 Daten von n = 193 männlichen Straftätern erhoben. Hierzu wurden die Probanden aus der SothA-HH anhand verschiedener Instrumente der standardisierten Diagnostik und Risikoeinschätzung durch externe Personen beurteilt. Die ermittelten Werte werden mit anderen Straftäterstichproben aus dem deutschsprachigen Raum verglichen. Die Auswertung soziodemographischer und biographischer Daten weist auf eine insgesamt psychosozial hochbelastete Population hin. Sexualstraftaten und sonstige nicht sexuell motivierte Gewaltstraftaten stellen die Mehrheit der Indexdelikte dar. Bei der Gegenüberstellung der kriminalprognostischen Daten dieser Tätergruppen werden vor Beginn der Therapie bei den nicht sexuell motivierten Gewaltstraftaten höhere Werte in der Psychopathy Checklist-Revised (PCL-R) sowie ein erhöhtes Rückfallrisiko festgestellt. Gründe hierfür werden diskutiert.
Untersucht wird der Zusammenhang zwischen einem Heimaufenthalt in der Kindheit und dem aktuellen Rückfallrisiko für erneute Sexualstraftaten sowie ob der Zusammenhang durch potenziell traumatisierende Kindheitserfahrungen (sexueller Missbrauch, körperliche Misshandlung, emotionale Vernachlässigung) vermittelt wird. Die Stichprobe setzt sich aus N = 159 männlichen Sexualstraftätern zusammen, die zwischen 2010 und 2018 in der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg inhaftiert waren. Die verwendeten Daten basieren auf Akteninformationen (u. a. Urteil, Bundeszentralregisterauszüge, Gutachten) und semistrukturierten Interviews. Die Gruppe mit einem Heimaufenthalt in der Kindheit wies einen niedrigeren sozioökonomischen Status, mehr familiäre Risikofaktoren sowie eine frühere und stärker delinquente Entwicklung auf. Zudem erzielte sie ein höheres Rückfallrisiko. Für das stabil-dynamische, nicht jedoch für das statische Rückfallrisiko wurde dieser Zusammenhang durch den kumulativen Effekt der Anzahl unterschiedlicher potenziell traumatisierender Kindheitserfahrungen vermittelt. Dies deutet darauf hin, dass ein erheblicher Anteil von inhaftierten Sexualstraftätern, die negativen Kindheitserfahrungen ausgesetzt und im Kinderheim untergebracht waren, ein höheres Rückfallrisiko aufweisen und im Erwachsenenalter einer besonderen Betreuung und Kontrolle bedürfen.
Aufgrund aktueller gesetzlicher Bestimmungen wird die Mehrheit der entlassenen Sexualstraftäter in Deutschland nach ihrer Entlassung ambulant nachversorgt. Daten von insgesamt 47 Einrichtungen, die Bestandteil dieser extramuralen Versorgungsstruktur sind, werden vorgestellt und diskutiert. Die an der Untersuchung teilnehmenden Institutionen werden mehrheitlich durch das Justizministerium bzw. justiznahe Behörden finanziert. Zwei Drittel der Gesamtklientel sind Sexualstraftäter, die sich größtenteils unter Führungsaufsicht mit Therapieweisung befanden. Darüber hinaus werden Informationen über die Anwendung von Rehabilitationsmodellen, therapeutische Ansätze und die Implementierung von standardisierten diagnostischen Verfahren sowie Kriminalprognoseinstrumenten dargestellt. Schließlich werden die Ergebnisse von Evaluationsstudien zu den teilnehmenden Einrichtungen vorgestellt.
Aufgrund entscheidender Vorteile von (onlinebasierten) Selbstbeschreibungsverfahren im Kontext der Rückfallrisikoprognostik sowie vielversprechenden Studienergebnissen zur Bedeutung testpsychologischer Verfahren im Rahmen der Diagnostik und Prognose bei straffälligen Personen wurden im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojektes als Teil des größeren Verbundprojektes „@myTabu – Online-Intervention für entlassene Kindesmissbrauchstäter während der Bewährungs- oder Führungsaufsicht“ drei Verfahren zur Erfassung von akut- und stabil-dynamischen Rückfallrisikofaktoren und deviantem sowie delinquentem Verhalten entwickelt: der Acute-SR, der Stable-SR und die Checklist of Behavioral Misconduct (CMC). Alle drei Verfahren wurden innerhalb einer multimethodalen Längsschnittstudie an einer repräsentativen Stichprobe von n = 175 Personen, die wegen einer pädosexuellen Straftat verurteilt wurden, validiert. Die Entwicklung und Anwendung der Verfahren werden im vorliegenden Manual ausführlich dargestellt und Forschungsergebnisse zu den Gütekriterien der drei Verfahren berichtet.
Vorgestellt wird das neue Fünf-Kategorien-Modell für die Risikoeinschätzung von Sexualstraftätern von Hanson et al. (2017). Hierbei werden relatives und absolutes Risiko so zusammengeführt, dass die Rückfallrate der jeweiligen Mittelkategorie an der durchschnittlichen Rückfallbasisrate der Täterpopulation liegt. Sie dient als Bezugsgröße von jeweils zwei Kategorien mit höherem und niedrigerem Risiko. Anhand von n = 1679 aus der Strafhaft entlassenen und über mindestens fünf Jahre lang nachuntersuchten Sexualstraftätern (Gesamtgruppe, pädosexuelle Täter und Vergewaltiger) wurden einschlägige Rückfallraten beobachtet und berechnet. Die gebildete Mittelkategorie lag in allen drei Gruppen nahe an den Basisraten. Die zwei Kategorien mit höherem und niedrigerem Risiko konnten gut voneinander getrennt werden. Die Risikokommunikation nach dem neuen 5-Kategorien-Modell für Sexualstraftäter wird unabhängig vom angewandten Verfahren empfohlen.