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Im 27. Jahr der Erhebungsreihe zur Situation in den sozialtherapeutischen Einrichtungen zeigt sich eine weitere Stabilisierung der strukturellen Gegebenheiten. In diesem Berichtsjahr wurde eine sozialtherapeutische Einrichtung geöffnet und eine geschlossen, sodass weiterhin 71 Einrichtungen vorhanden sind, die geringfügig mehr Haftplätze zur Verfügung stellen konnten als im Vorjahr. Es wird weiterhin die Tendenz einer Versorgungssättigung gesehen, obwohl die Zahl der Gefangenen in sozialtherapeutischen Einrichtungen zum Stichtag 2023 geringfügig anstieg. Insgesamt lässt sich eine leicht sinkende Belegungsquote im Vergleich zum Vorjahr beobachten, ein Trend, der sich seit einigen Jahren fortsetzt. In diesem Berichtsjahr stieg der Anteil der Gefangenen, die älter als 50 Jahre alt sind im Gegensatz zum Vorjahr wieder leicht an, während der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden sich, sowie bereits in den vergangenen zwei Erhebungsjahren, auch zum Stichtag 2023 weiter verringerte. Sexualstraftäter*innen stellten etwas mehr als die Hälfte der Inhaftierten in der Sozialtherapie. Der Anteil der Gefangenen, die keine Zulassung zu vollzugsöffnenden Maßnahmen innehatten oder höchstens zu Ausführungen zugelassen waren, betrug in diesem Jahr etwas mehr als 81%. Die Fachdienstausstattung blieb auf gleichbleibend günstigem Niveau mit lediglich 5,6 Haftplätzen auf einer Fachdienststelle. Weitere Ergebnisse und Entwicklungen werden im Bericht dargestellt.
Im Rahmen des Projektes AMBOSafe ("Angriffe auf Mitarbeiter/-innen und Bedienstete von Organisationen mit Sicherheitsaufgaben") wurden konfliktreiche Einsatzsituationen von Polizei- und Rettungskräften untersucht. Vorgestellt werden Ergebnisse, die durch Befragungen von N = 1.763 Polizeibedienstete erhoben wurden. Zusätzlich haben N = 538 Polizeikräfte bis zu 16 Wochen ihren Arbeitsalltag standardisiert dokumentiert sowie Ereignisprotokolle für besondere Vorkommnisse verfasst. Neben der Häufigkeit und der Art der Angriffe werden die angreifende(n) Person(en) beschrieben und eruiert, ob die problematische Einsatzlage von den betroffenen Polizeikräften bereits im Vorfeld erkannt wurde, oder sich für diese überraschend ereignet hat. In diesem Zusammenhang werden auch persönliche Stressfaktoren der Einsatzkräfte als mögliche Risikofaktoren für eine Viktimisierung im Dienst diskutiert und potentielle Strategien zur Entschärfung von konfliktreichen Einsatzsituationen besprochen. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen der Einsatzkräfte gefördert werden sollte, z. B. in Form von gemeinsamen Einsatznachbesprechungen und gemeinsamen Fortbildungen. Im Rahmen des Projekts AMBOSafe wurden bereits berufsgruppenübergreifende Übungen (z. B. Einsatzszenario "Häusliche Gewalt") realisiert, die von den verschiedenen Berufsgruppen als positiv eingeschätzt wurden.
Forschungsprojekt AMBOSafe: Angriffe auf Rettungsdienstpersonal : Charakteristika und Prävention
(2022)
Im Rahmen des Projektes AMBOSafe ("Angriffe auf Mitarbeiter/-innen und Bedienstete von Organisationen mit Sicherheitsaufgaben") wurden konfliktreiche Einsatzsituationen von Polizei- und Rettungskräften untersucht. Vorgestellt werden Ergebnisse, die durch Befragungen von N = 1.144 Rettungskräften erhoben wurden. Zusätzlich haben N = 60 Rettungskräfte bis zu 16 Wochen ihren Arbeitsalltag standardisiert dokumentiert sowie Ereignisprotokolle für besondere Vorkommnisse verfasst. Es werden Häufigkeiten zu verbalen und körperlichen Angriffen berichtet und Tätermerkmale beschrieben. Zudem werden die Begleitumstände der Konfliktsituation (z. B. Stressmerkmale) untersucht sowie die Konsequenzen erfragt. Aus der Untersuchung geht hervor, dass eine Anzeige durch Rettungskräfte in den seltensten Fällen erfolgt. Bedeutsam ist auch, dass in den meisten Fällen die Rettungskräfte von der Eskalation der Einsatzsituation überrascht wurden und die wenigsten Rettungskräfte Maßnahmen zur Eigensicherung (z. B. Absprachen mit Kollegen bzw. Kolleginnen, Festlegung von Codewörtern oder eines Notfallplans) vorgenommen hatten. Empfohlen wird, Aspekte der Eigensicherung und Selbstverteidigung sowie Deeskalationsstrategien in Aus- und Fortbildungen aufzugreifen.
Eigentums- und Vermögensdelikte : ein Beispiel aus der kriminologischen Geschlechterforschung
(2017)
Es wird eine Studie vorgestellt, in der 2.053 Strafverfahren zu einfachen Eigentums- und Vermögensdelikten, die 2013 von der Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main bearbeitet worden sind, hinsichtlich der Anlassdelikte und Geschlechtsunterschiedene der tatverdächtigen Personen analysiert werden. Ausgeschlossen wurden Jugendstrafverfahren sowie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht besondere Verfahren. Erhoben wurden personenbezogene Daten der Tatverdächtigen (u. a. Vorstrafen, soziodemografische Daten) sowie Daten zu Anlasstaten, Ermittlungsverläufen und verfahrensabschließenden Entscheidungen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Verfahren hinsichtlich der Anlasstat (Betrugsdelikt vs. Diebstahlsdelikt) unterscheiden. Zudem werden bei den Tatverdächtigen Geschlechtsunterschiede festgestellt: Diese sind überwiegend männlich und verursachen eine höhere Schadenshöhe. Sowohl weibliche als auch männliche Tatverdächtige sind häufig finanziell bedürftig und zu großen Teilen erwerbslos. Bei der Fallbearbeitung zeigt sich, dass weibliche Tatverdächtige eher kooperieren und höhere Geldstrafen (in Bezug auf die verursachte Schadenssumme) akzeptieren.
Auf Grundlage verschiedener Statistiken aus dem Bereich der Strafverfolgung und Strafvollzug (u. a. Polizeiliche Kriminalstatistik, Strafverfolgungsstatistik, Strafvollzugsstatistik) wird dargestellt, dass Männer öfter als Frauen von der Polizei als Tatverdächtige geführt werden und im Strafprozess öfter als Frauen abgeurteilt, verurteilt und inhaftiert werden. Zur Diskussion gestellt wird, ob Frauen aufgrund ihres Geschlechts bei der Strafverfolgung bevorzugt behandelt werden. Dies wird verneint und dafür folgende Argumente angeführt: Frauen begehen im Gegensatz zu Männern eher minder schwere Delikte (z. B. Ladendiebstahl, Vermögensdelikte, leichte Körperverletzung), was dazu führt, dass Strafverfahren mit weiblichen Tatverdächtigen eher eingestellt werden, öfter eine Geldstrafe angeordnet wird und verhängte Freiheitsstrafen eher aussetzungsfähig sind und dementsprechend nicht im Strafvollzug vollzogen werden. Dafür spricht auch, dass Frauen seltener als Männer mehrfach straffällig werden, seltener strafrechtlich vorbelastet sind, seltener rückfällig werden und dadurch z. B. eine Strafe auf Bewährung widerrufen wird und seltener eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass obschon das Risiko Opfer zu werden für Frauen niedriger ist als für Männer, Frauen eine höhere subjektive Kriminalitätsfurcht haben. Eine Kurzumfrage unter Studierenden (n = 110 Frauen, n = 131 Männer) bestätigt diesen Befund. Zudem zeigt sich, dass sowohl Männer als auch Frauen das Viktimisierungsrisiko für Frauen überschätzen.
Die 2016 in Kraft getretene Novellierung des § 63 StGB hat zu einem Anstieg von kriminalprognostischen Gutachten geführt, so dass sich die Wartezeiten bzgl. der Erstellung von Gutachten verlängert haben. Dies wird auch auf die geringe Anzahl an Sachverständigen zurückgeführt, die aktuell für die Erstellung von Gutachten beauftragt werden. Es wird konstatiert, dass in einigen Regionen in Deutschland derzeit vorrangig oder sogar ausschließlich Fachärzte bzw. Fachärztinnen für Psychiatrie oder Ärzte bzw. Ärztinnen ohne Fachausbildung und teilweise ohne forensische Sachkunde und Erfahrung als Sachverständige bestellt werden. Es wird darauf hingewiesen, dass dem Mangel an Sachverständigen durch die Bestellung approbierter Psychologischer Psychotherapeuten bzw. Psychotherapeutinnen und Fachpsychologen bzw. Fachpsychologinnen für Rechtspsychologie begegnet werden kann. Die Ausbildung von Psychiatern bzw. Psychiaterinnen und Psychologen bzw. Psychologinnen im Bereich der forensischen Begutachtung wird vergleichend gegenübergestellt und rechtliche Aspekte der Gutachtenbeauftragung erörtert.
Anschließend an die Studie zur Untersuchung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Sozialtherapeutischen Einrichtungen (SothEn) im Jahr 2020 hat der Arbeitskreis für Sozialtherapeutische Einrichtungen im Justizvollzug e. V. für das Jahr 2021 eine Folgestudie initiiert und gemeinsam mit der Kriminologischen Zentralstelle e. V. realisiert. Die Leiter/-innen der 71 SothEn in Deutschland wurden schriftlich befragt. Die Rücklaufquote lag bei 67,6 % (N = 48). Der Fragebogen erfasst folgende Themenfelder: (1) Corona-Erkrankungen des Personals sowie der Inhaftierten, (2) Einführung der Maskenpflicht, (3) Einschränkungen der therapeutischen Arbeit und des Tagesgeschäfts, (4) Innovationen, (5) strukturelle Veränderungen im Organisationsaufbau bzw. Personalstruktur, (6) Auswirkungen auf das Beziehungsverhältnis Behandlungsteam vs. Patient/-in, (7) Auswirkungen auf die Behandlungsbereitschaft der Patienten bzw. Patientinnen, (8) Auswirkungen auf das Behandlungsteam bzgl. Motivation und Optimismus, (9) Auswirkungen auf Risikofaktoren und Kriminalprognose, (10) Gesamteinschätzung. Die Auswertung der Ergebnisse zeigt ein heterogenes Bild zwischen den verschiedenen SothEn. Es werden sowohl geringe als auch starke Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf therapeutische Maßnahmen, Gefangenenarbeit, Sportangebote, Beziehungsverhältnis, Behandlungscompliance sowie Berufsmotivation berichtet. Hinsichtlich der Realisierung von Gefangenenbesuch und vollzugsöffnenden Maßnahmen haben alle SothEn Einschränkungen verhängt. Zudem wird die Vorbereitung auf die Haftentlassung von allen SothEn als ungenügend bezeichnet. Eine Folgestudie wird als sinnvoll erachtet.
In einem kurzen Überblick werden ausgewählte Ergebnisse des bundesweiten Forschungsprojekts AMBOSafe ("Angriffe auf Mitarbeiter/-innen von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben") vorgestellt. Dafür wurden N = 1.763 Polizeikräfte online befragt und N = 538 Polizeikräfte haben ein wöchentliches Ereignisprotokoll geführt. Berichtet werden Zahlen zur Häufigkeit körperlicher Angriffe bzw. zum Erleben bedrohlicher Situationen sowie deskriptive Zahlen zur angreifenden Person (u. a. Geschlecht, Alkohol-/Drogenkonsum) und zur Art der Angriffe (z. B. Beleidigung, Bedrohung, Schlagen). Abschließend werden erfolgreiche Deeskalationsstrategien der Polizeikräfte vorgestellt sowie ihre Einschätzung der Situation beschrieben.
Vorgestellt wird der 2020 veröffentlichte achte Bericht des Justizvollzugsbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2019. Die Anzahl der Eingaben bzw. vorgebrachter Anliegen ist im Vergleich zum Vorjahr um 6,6 % gesunken (2018: 364; 2019: 340). Die von Bediensteten ausgehenden Anliegen sind hingegen geringfügig gestiegen (2018: 5; 2019: 13). Diese betreffen vor allem das Beförderungs- und Beurteilungswesen, thematisieren aber auch Mängel an der medizinischen Versorgung von Gefangenen. Auch die Eingaben der Gefangenen beanstanden die medizinische Versorgung. Hierbei rückt die JVA Hagen in den Fokus, für die aktuell kein Anstaltsarzt zur Verfügung steht. Ähnlich wie im Vorjahr sind Anliegen bezüglich nicht gewährter vollzugsöffnender Maßnahmen in den Eingaben stark vertreten. Eine Verbesserung wird hingegen bei der Aushändigung schriftlicher Bescheide für negative Entscheidungen konstatiert. Ein Großteil der von ausländischen Gefangenen vorgebrachten Anliegen bezieht sich auf Alltagsfragen, medizinische und psychologische Anliegen sowie Kontakte zur Familie. Weitere Themengebiete wie Radikalisierungsprävention im Strafvollzug, Jugendarrest, Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen sowie Vollzug und Öffentlichkeit werden erörtert.
Vorgestellt wird der am 17. Juni 2019 veröffentlichte siebte Tätigkeitsbericht des Justizvollzugsbeauftragten des Landes NRW für das Jahr 2018. Die Anzahl der Eingaben bzw. vorgebrachter Anliegen ist 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 11 % gestiegen (insgesamt 328 für das Jahr 2017, 364 für das Jahr 2018). Bei den Eingaben der Gefangenen fällt vor allem die Unzufriedenheit hinsichtlich der medizinischen Versorgung auf. Die unterbliebene Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen und die untersagte Verlegung in eine Einrichtung des offenen Vollzugs stellen ebenfalls häufige Beschwerdegründe dar. Weiterhin wird konstatiert, dass aufgrund fehlender Fachkräfte und geeigneter Behandlungsmaßnahmen die adäquate Vorbereitung auf den offenen Vollzug nicht gewährleistet werden kann. Ungefähr 30 % der Gefangenenanliegen wurde von ausländischen Gefangenen vorgebracht. Diese beziehen sich u. a. auf Alltagsfragen, medizinische und psychische Versorgung sowie Kontakt zu Familie und Freunden. 2018 wurden sechs Eingaben vonseiten der Bediensteten registriert. Diese betreffen primär das Beförderungs- und Beurteilungswesen. Weitere Themengebiete wie der offene Vollzug und der Jugendarrest werden erörtert. Abschließend wird die Planung für das Jahr 2019 kurz umrissen. Diese umfasst u. a. die Wiederaufnahme der Tätigkeit der Arbeitsgruppe „Umgang mit psychisch-auffälligen Gefangenen“.
Vorgestellt wird der 2016 veröffentlichte sechste Tätigkeitsbericht des Justizvollzugsbeauftragten des Landes NRW für das Jahr 2015. Die Anzahl der Eingaben bzw. vorgebrachter Anliegen hat sich leicht erhöht (460 für das Jahr 2014 und 470 für das Jahr 2015). Ähnlich wie im Vorjahr liegt der Fokus der Eingaben auf der Ausgestaltung von Außenkontakten, vollzugsöffnenden Maßnahmen, Verlegungen, Beschwerden im Umgang mit Gefangenen und der medizinischen Versorgung. Als neue Tätigkeitsschwerpunkte kommen hinzu: (1) Der Umgang mit Lebensälteren, (2) Frauen im Strafvollzug und (3) Jugendarrest. Für die Gewährleistung einer altersbezogenen Vollzugsgestaltung wurde z. B. in der JVA Rheinbach eine Abteilung für Lebensältere eingerichtet. Es wird konstatiert, dass für schwangere Frauen im Strafvollzug der Zugang zur Gesundheitsfürsorge erheblich erschwert ist. Vor diesem Hintergrund wird empfohlen, den Zeitpunkt für den Strafantritt bei schwangeren Frauen genauer zu bedenken. Die im vorigen Bericht empfohlene Einrichtung einer ärztlichen Schlichtungsstelle hat sich nach eingehender Prüfung als untauglich erwiesen. Aus der Beurteilung des Jugendarrests wird u. a. geschlussfolgert, dass pädagogische Gestaltungsgrundsätze im Vollzug besser in die anschließende Bewährungssituation übergeleitet werden müssen. Weitere Themen wie die Nutzung neuer Medien durch Gefangene, Migranten im Vollzug und familiensensible Gestaltung des Strafvollzugs werden erörtert.
Vorgestellt wird der 2015 veröffentlichte fünfte Tätigkeitsbericht des Justizvollzugsbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen für die Jahre 2013 und 2014. Es wird konstatiert, dass 75 % der Eingaben bzw. vorgebrachten Anliegen während des Bearbeitungszeitraums (389 im Jahr 2013 und 349 im Jahr 2014) von Gefangenen aus dem geschlossenen Vollzug stammen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf Aspekten des Umgangs mit den Gefangenen, der Ausgestaltung von Außenkontakten und der medizinischen Versorgung von Gefangenen. Es werden u. a. Defizite im transparenten Umgang mit den Gefangenen festgestellt. Hiernach erhalten Gefangenen regelmäßig keine Belege bezüglich der Abgabe von Anträgen. Empfohlen wird die Aushändigung einer Eingangsbestätigung zur Gewährleistung von Zufriedenheit und allgemeiner Zugänglichkeit bei den Untergebrachten. Um den schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken wird z. B. dafür plädiert, familiäre Besuchskontakte vorrangig zu gewähren und Außenkontakte durch Telefonate und Ausgänge zu fördern. Beanstandet wird zudem die unzureichende Anzahl von Behandlungsplätzen für psychisch auffällige Gefangene. Eine Erweiterung des Angebots sowie die Kooperation mit auswärtigen Kliniken wird angeregt. Die Einrichtung einer ärztlichen Schlichtungsstelle für den Justizvollzug zur Gewährleistung einer transparenten Gesundheitsfürsorge wird empfohlen. Weitere Aufgaben- und Themenschwerpunkte werden besprochen.
Vorgestellt wird der am 12.11.2015 vorgelegte Abschlussbericht der Untersuchung über die Verfahrensverläufe und Verurteilungsquoten bei Sexualstraftaten in Bremen. Im Fokus stand dabei die Evaluation des 1984 in Bremen eingeführte sog. "Bremer Modell", welches zur Bearbeitung von Sexualstraftaten ein Sonderdezernat der Staatsanwaltschaft sowie ein auf Sexualstraftaten spezialisiertes Fachkommissariat bei der Kriminalpolizei Bremen vorsieht. Das Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung der Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen hat in diesem Zusammenhang 94 Akten zu Verfahren nach § 177 StGB (Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung) aus dem Jahr 2012 ausgewertet. Es werden u. a. deskriptive Daten zu Opfern, Beschuldigten und Tatbeständen sowie die Sachbearbeitung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten dargestellt. Die quantitativen Ergebnisse werden mittels drei qualitativer Gruppeninterviews mit Experten bzw. Expertinnen aus Polizei (N = 4) und Staatsanwaltschaft (N = 3) sowie der Vizepräsidentin des Amtsgerichts Bremen und dem Vorsitzenden des Schwurgerichts am Landgericht Bremen validiert. In einem weiteren Schritt werden die Daten aus der Aktenanalyse mit Daten aus den Verfahrensregistern der Polizei und der Staatsanwaltschaft Bremen abgeglichen. Die Tätigkeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht wird daraufhin bewertet. Abschließend werden die Empfehlungen der Forschungsgruppe sowie die gemeinsamen Verbesserungsvorschläge der Beteiligten erörtert.
Theorien und Erklärungsmodelle von Radikalisierungsprozessen im Kontext des Rechtsextremismus
(2021)
Es werden Theorien und Erklärungsmodelle von Radikalisierungsprozessen im Bereich des Rechtsextremismus vorgestellt. Die rechtsextremistische Ideologie wird dabei in drei thematische Schwerpunkte differenziert: (1) Kulturnationalismus, (2) Ethnonationalismus, (3) rassistischer Nationalismus. Der Radikalisierungsprozess stellt ein komplexes und multimodal bedingtes Phänomen dar, welches sowohl die Verstärkung bereits vorhandener Einstellungen als auch die steigende Bereitschaft für extreme Verhaltensweisen umfasst. Auslösende Faktoren für die An- bzw. Übernahme von rechtsextremistischen Einstellungen stellen das soziale Umfeld, empfundene oder erlebte Ungerechtigkeit und Unsicherheit, spezielle (Lebens-)Ereignisse und kognitive Geschlossenheit in einer ideologischen Gruppe dar. Zudem werden Faktoren, die eine Einstellungsradikalisierung begünstigen (z. B. Diskriminierungserfahrungen, mobilisierendes soziales Netzwerk) und Faktoren, die eine Verhaltensradikalisierung fördern (z. B. Verlust eines geliebten Menschen, Gruppenkonflikte, Idealisierung des Märtyrertums), vorgestellt. Es wird empfohlen, Radikalisierungsprozesse hinsichtlich ihrer jeweiligen Bezugsideologie zu differenzieren, um konkretere Erkenntnisse für zukünftige Forschungsarbeiten, aber auch für die Konzeption von Präventionsprogrammen und der Verbesserung des sicherheitsbehördlichen Bedrohungsmanagements zu generieren.
Islamistische Radikalisierung erkennen und vermeiden : Präventionsmöglichkeiten im Justizvollzug
(2021)
Das von 2018 bis 2020 an der Kriminologischen Zentralstelle durchgeführte Projekt "Islamistische Radikalisierung erkennen und vermeiden - Prävention im Justizvollzug" und das daraus resultierende "Praxishandbuch Extremismus und Justizvollzug - Islamistischer Radikalisierung begegnen" werden vorgestellt. Das Praxishandbuch unterstützt die Mitarbeitenden des Allgemeinen Vollzugsdienstes darin, im Rahmen der Ressourcen der eigenen Justizvollzugsanstalt einen speziell auf den Einzelfall ausgerichteten individuellen Handlungsplan zur deradikalisierenden Intervention zu erstellen. Das Vorgehen erstreckt sich über vier Schritte: (1) Konkretisierung des Anfangsverdachts, (2) Bildung eines Interventionsteams und Durchführung einer Bestands- und Bedarfsanalyse der Anstalt, (3) Auswahl von Deradikalisierungsmaßnahmen, (4) Berücksichtigung von Qualitätsmerkmalen. Deradikalisierungsmaßnahmen können dabei bei den Inhaftierten (Mikroebene), bei den Bediensteten (Mesoebene) und auf Anstaltsebene (Makroebene) ansetzen. Auf Mikroebene nehmen neben Einzelmaßnahmen vor allem ein strukturierter Vollzugsalltag mit ausreichender Freizeitgestaltung sowie die originäre Resozialisierungsarbeit eine wichtige Rolle ein. Auf Mesoebene rücken insbesondere die Wissensvermittlung, das Kompetenztraining und die Anerkennung der geleisteten Arbeit in den Fokus und auf Makroebene ein positives Anstaltsklima. Abschließend wird konstatiert, dass der multifaktoriell bedingte Phänomenbereich Extremismus einen komplexen Präventionsansatz erfordert.
Untersucht wird der Zusammenhang zwischen einem Heimaufenthalt in der Kindheit und dem aktuellen Rückfallrisiko für erneute Sexualstraftaten sowie ob der Zusammenhang durch potenziell traumatisierende Kindheitserfahrungen (sexueller Missbrauch, körperliche Misshandlung, emotionale Vernachlässigung) vermittelt wird. Die Stichprobe setzt sich aus N = 159 männlichen Sexualstraftätern zusammen, die zwischen 2010 und 2018 in der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg inhaftiert waren. Die verwendeten Daten basieren auf Akteninformationen (u. a. Urteil, Bundeszentralregisterauszüge, Gutachten) und semistrukturierten Interviews. Die Gruppe mit einem Heimaufenthalt in der Kindheit wies einen niedrigeren sozioökonomischen Status, mehr familiäre Risikofaktoren sowie eine frühere und stärker delinquente Entwicklung auf. Zudem erzielte sie ein höheres Rückfallrisiko. Für das stabil-dynamische, nicht jedoch für das statische Rückfallrisiko wurde dieser Zusammenhang durch den kumulativen Effekt der Anzahl unterschiedlicher potenziell traumatisierender Kindheitserfahrungen vermittelt. Dies deutet darauf hin, dass ein erheblicher Anteil von inhaftierten Sexualstraftätern, die negativen Kindheitserfahrungen ausgesetzt und im Kinderheim untergebracht waren, ein höheres Rückfallrisiko aufweisen und im Erwachsenenalter einer besonderen Betreuung und Kontrolle bedürfen.
Vor dem Hintergrund der Veröffentlichung von "Mindestanforderungen an Prognosegutachten" in 2006 wird untersucht, inwieweit diese in der Praxis bei der Erstellung prognostischer Gutachten über Gewalt- und Sexualstraftäter umgesetzt werden und sich seither die Gutachtenqualität gemessen an der Trefferquote der prognostischen Entscheidungen verbessert hat. Dazu werden Prognosegutachten über Gewalt- und Sexualstraftäter aus der JVA Freiburg und der Abteilung für Forensische Psychiatrie der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU München (N = 502) aus 1999 bis 2002 und 2008 bis 2011 analysiert und günstig gerichtete Prognosegutachten mit Ergebnissen aus dem Bundeszentralregisterauszug (Stand Juni 2016) validiert. Es zeigt sich, dass die Mindestanforderungen im Gegensatz zur universitären Institution in der externen gutachterlichen Praxis nur teilweise berücksichtigt werden. Die Einhaltung der Mindestanforderungen steht in positivem Zusammenhang mit der prognostischen Trefferquote günstig gerichteter Prognosegutachten. Die Ergebnisse werden diskutiert, auf weiteren Handlungsbedarf bei der gutachterlichen Qualitätssicherung verwiesen und Einschränkungen der Studie angeführt.
Der intuitive, statistische und klinisch-idiographische Ansatz bei der Erstellung kriminalprognostischer Gutachten und Stellungnahmen werden gegenübergestellt. Zunächst wird die Überlegenheit statistischer Vorhersagen im Vergleich zu intuitiven Urteilen thematisiert, die als das am häufigsten replizierte Ergebnis der humanwissenschaftlichen Prognoseforschung gelten. Zentrale Ergebnisse dieses Forschungsfeldes werden dargestellt, um ihre Relevanz für die Kontroverse um die Qualität von Prognosegutachten (und anderen kriminalprognostischen Expertisen) zu diskutieren. Die bisher vorliegenden Ergebnisse sprechen für die Stärken statistisch-aktuarischer Erkenntnisse bei der Erstellung kriminalprognostischer Gutachten und machen sie zu einem unverzichtbaren Werkzeug für eine wissenschaftlich fundierte methodische Vorgehensweise im Rahmen kriminalprognostischer Einschätzungen. Auf Begrenzungen der statistisch-aktuarischen Methode wird eingegangen und daher ein klinisch-idiographisches Vorgehen unter Anwendung wissenschaftlicher Standards als unabdingbar erachtet.
Diskutiert wird der aktuelle Forschungsstand über die Risikoeinschätzung und das Risikomanagement bei Sexualstraftätern bzw. Sexualstraftäterinnen in Deutschland. Es wird konstatiert, dass der überwiegende Teil der in Deutschland angewendeten Methoden empirisch fundiert ist. Nach hier vertretener Ansicht sind sogenannte aktuarische Risikobewertungsinstrumente (ARIs) und Instrumente der strukturierten professionellen Risikobeurteilung (SPJs) die bedeutsamsten methodischen Ansätze im aktuellen forensisch-psychologischen Diskurs. Die wichtigsten Instrumente beider Ansätze wurden für den deutschsprachigen Raum bereits übersetzt und kreuzvalidiert. Da das standardisierte Verfahren von ARIs keine Erfassung von idiografischen Merkmalen zulässt, die für die Einschätzung des Risikos sowie für das Risikomanagement im Einzelfall essenziell sind, haben sich in Deutschland vor allem SPJ-Verfahren durchsetzen können. Es wird konstatiert, dass in der letzten Dekade ein Zuwachs an (verpflichtenden) Behandlungsangeboten für entlassene Sexualstraftäter/-innen zu verzeichnen ist, was zu einem erheblichen Rückgang der Rückfälle geführt hat. Abschließend wird das Präventionsprojekt Dunkelfeld (PPK) vorgestellt, das Personen, die sich selbst als pädophil identifizieren, präventive Behandlungsmaßnahmen ermöglicht.
Ziel der Studie ist es zu überprüfen, ob Viktimisierungserfahrungen von sexuellem Missbrauch in der Kindheit (unter 16 Jahren) und frühe, nicht missbräuchliche sexuelle Erfahrungen und Verhaltensweisen (z. B. Masturbationsverhalten) mit der Entstehung pädosexueller Neigungen bei Männern zusammenhängen. Zu diesem Zweck werden biografische Daten von N = 223 aus Österreich stammenden Sexualstraftätern untersucht, die aufgrund sexueller Übergriffe gegen Kinder zwischen 2000 und 2008 zu einer Haftstrafe verurteilt wurden. Es wird konstatiert, dass eigene Viktimisierungserfahrungen mit der Entstehung pädosexueller Neigungen im späteren Lebensverlauf korrelieren. Nach hier vertretener Ansicht kann dies in einigen Fällen damit erklärt werden, dass im Zuge der Verarbeitung eigener Opfererfahrungen sich Sex mit Kindern zu einer für das Individuum akzeptablen Fantasie entwickelt. Bezüglich eigener Viktimisierungserfahrungen ist die Rate bei Männern, die von einer ausschließlich pädophilen Paraphilie betroffen sind, dreimal höher als bei Männern ohne pädophile Paraphilie. Darüber hinaus geht aus der Untersuchung hervor, dass die wöchentliche Masturbationsrate während der Pubertät und nicht missbräuchliches Sexualverhalten Indikatoren für pädosexuelle Paraphilien und für Rückfälligkeit darstellen. Männer, bei denen eine ausschließlich pädophile Paraphilie vorliegt, zeigen die höchste Rate an frühen sexuellen Erfahrungen und Verhaltensweisen. Abschließend werden Limitationen der Studie diskutiert.
Einschätzungen über das Risiko zukünftiger Gewalttätigkeit sind ein fester Bestandteil der Arbeit von Psychologinnen und Psychologen, wobei bis heute wenig darüber bekannt ist, in welcher Form kriminalprognostische Einschätzungen in der alltäglichen Berufspraxis vorgenommen werden. Ziel der vorliegenden Studie ist es, einen Überblick über die kriminalprognostische Praxis in Deutschland zu geben. Dafür werden die Ergebnisse des International Risk Surveys ausgewertet, an dem weltweit N = 2.135 Personen aus 44 Ländern teilgenommen haben. Aus Deutschland wurden M = 97 Psychologinnen und Psychologen sowie Angehörige anderer Berufsgruppen über ihre kriminalprognostischen Tätigkeiten befragt. Die Daten zeigen, dass mittlerweile in der Praxis mehrheitlich auf standardisierte Prognoseinstrumente (z. B. PCL-R, HCR-20, FOTRES, VRAG) zurückgegriffen wird. Die Instrumente werden nicht nur für die prognostische Einschätzung über das zukünftige Gewaltrisiko als nützlich eingestuft, sondern auch im Hinblick auf die Therapieindikation sowie die verlaufsdiagnostische Untersuchung von Behandlungs- und Betreuungsfällen als hilfreich beurteilt.
Es wird eine Studie präsentiert, in der die psychodynamisch begründete Perversionstheorie von Robert D. Stoller (1979) empirisch überprüft wird. Nach Stoller können nach (früheren) traumatischen Erfahrungen aggressive Impulse in sexuell deviante Fantasien transformiert werden. Geprüft werden einzelne Aspekte dieser Theorie anhand einer umfangreichen Stichprobe von N = 954 Personen, die aufgrund sexuell motivierter Straftaten verurteilt und zwischen 2002 und 2018 an der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST) im österreichischen Strafvollzug zu Vollzugszwecken ausführlich begutachtet worden sind. Dabei wurden u. a. der Fragebogen zur Erfassung von Aggressivitätsfaktoren (FAF) sowie der Grazer Assertivitätstest (GAT) verwendet. Die Ergebnisse zeigen, dass als paraphil diagnostizierte Probanden signifikant weniger spontane Aggression und weniger soziale Kompetenz als die Vergleichsgruppe ohne Paraphiliediagnose berichten. Die Ergebnisse lassen sich insofern mit der zentralen Annahme der Stoller’schen Perversionstheorie in Einklang bringen, als dass zwischen einer Paraphilie-Diagnose und selbstberichteter Aggression eine inverse Beziehung festgestellt wird.
Es wird konstatiert, dass die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Jugendkriminalität spielt und somit auch für die Risikobeurteilung von Relevanz ist. Vor diesem Hintergrund wird die Vorhersagkraft des Prognoseinstruments VRAG-R (Violence Risk Appraisal Guide-Revised) bei jugendlichen Straftätern untersucht. Die Stichprobe setzt sich aus N = 106 männlichen Straftätern aus der Justizvollzugsanstalt Ottweiler im Saarland zusammen. Das Durchschnittsalter beträgt M = 18,3 Jahre. Die Daten wurden den Eintragungen des Bundeszentralregisters zwischen 2001 und 2002 entnommen. Während einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von M = 13 Jahren ist bei 62,5 % der Jugendlichen ein Rückfall zu beobachten. Nach hier vertretener Ansicht besitzt der VRAG-R eine gute Vorhersagekraft sowohl bezüglich der allgemeinen Rückfallwahrscheinlichkeit (AUC = 0.861) als auch bezüglich des Rückfalls in Zusammenhang mit Gewalt (AUC = 0.733). Starke Effekte werden auch für die Vorhersage einer erneuten Inhaftierung (AUC = 0.874) gemessen. Es wird geschlussfolgert, dass sich der VRAG-R unter bestimmten Bedingungen dazu eignet, Vorhersagen bei straffälligen Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu treffen, allerdings werden eine zielgruppengerechte Anpassung sowie weiterführende Untersuchungen empfohlen. Abschließend wird dafür plädiert, ADHS-Symptome im Kontext des Jugendstrafvollzugs für ein langfristiges Risikomanagement in den Fokus zu nehmen.
Vorgestellt wird eine Evaluation des sog. Neuköllner Modells (NKM), welche von der Hochschule für Wirtschaft und Recht 2013 im Auftrag der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz durchgeführt worden ist. Das NKM wurde von einigen Jugendrichter/-innen 2008 initiiert und zielt darauf ab, die Verfahrensdauer von Jugendstrafverfahren zu verkürzen, um eine schnelle strafrechtliche Reaktion auf bestimmte Jugendstraftaten (u. a. Taten mit Wiederholungsgefahr, Taten jugendlicher Intensivtäter/-innen) zu erreichen. Für die Evaluation wurden N = 20 Experteninterviews mit Vertreter/-innen der Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendgerichtshilfe, Richterschaft sowie einem betroffenen Jugendlichen durchgeführt. Ergänzend wurden 86 Polizeiakten ausgewertet. Die Analyse konzentriert sich dabei auf folgende Aspekte: (1) Implementierung, (2) Beschleunigung, (3) Zielgruppe, (4) Wirkung, (5) Kooperationsstrukturen, (6) Sanktionen bzw. Auswirkungen auf das Rechtspflegesystem. Es zeigt sich, dass das NKM vor allem bei Täter/-innen mit einer beginnenden kriminellen Karriere angewendet wird, die als renitent gegenüber den Strafverfolgungsbehörden eingeschätzt werden, deren Straftaten aber eher der leichten Kriminalität zugeordnet werden. Für Straftäter/-innen, die eher Reue zeigen, werden Diversionsmaßnahmen ergriffen, für Straftäter/-innen mit schwererer Kriminalität wird eher ein normales Jugendstrafverfahren eröffnet. Abschließend wird prognostiziert, dass das NKM sich zu einer spezialisierten Jugendsachbearbeitung weiterentwickeln könnte. Empfohlen wird, den Beschleunigungsgrundsatz noch konsequenter umzusetzen.
Vorgestellt wird eine Studie zur Paralleljustiz in Berlin, welche von der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz in Auftrag gegeben und vom Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa sowie der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg durchgeführt worden ist. Dafür wurden N = 35 Imame und Vertreter/-innen religiöser Einrichtungen, N = 18 Clanführer bzw. Clanmitglieder, N = 22 Mitglieder säkularer Nichtregierungsorganisationen, N = 11 Experten bzw. Expertinnen aus dem Bereich Justiz, Polizei, Verwaltung, Rechtsanwaltschaft, N = 4 Personen mit Einblick in das Drogenhandelmilieu sowie N = 3 Wissenschaftler/-innen interviewt. Ergänzend wurden zwölf Gruppentreffen organisiert. Der Fokus lag dabei auf den muslimischen Gemeinschaften unterschiedlicher ethnischer Herkunft in Berlin und hierbei auf Konfliktsituationen im strafrechtlichen und familienrechtlichen Bereich. Konstatiert wird, dass – mit Ausnahme des islamistisch/neosalafistischen Milieus – grundsätzlich keine institutionelle Ausprägung von Paralleljustiz besteht, jedoch Konfliktlösungen auf Grundlage von kulturellem, religiösem und sozialem Gewohnheitsrecht angewandt werden. Als problematische Strukturen werden Einschüchterungsversuche von Opfern und Zeugen bzw. Zeuginnen (z. B. im Rahmen von häuslicher Gewalt) genannt, sowie ein teilweise kulturell verankerter Scham- und Ehrbegriff. Zudem ist der Zugang zum deutschen Rechtssystem durch Unkenntnis für einige Personengruppen – insbesondere bei mangelhaft integrierten Personen mit Sprachbarrieren – erschwert.
Vorgestellt wird der Bericht der Kommission zur Untersuchung der baulich-technischen und administrativen Sicherheitseinrichtungen der Justizvollzugsanstalt Plötzensee, welcher vom Justizsenator in Berlin nach einer Entweichung von vier Strafgefangenen Ende 2017 in Auftrag gegeben worden ist. Ziel war es, Schwächen des bestehenden Systems zu identifizieren und Vorschläge zur Verbesserung der baulich-technischen und administrativen Sicherheitsvorkehrungen zu formulieren. Im Fokus steht dabei die Kfz-Werkstatt der Justizvollzugsanstalt, von welcher die Entweichung gelang. Empfohlen wird insbesondere, ausbruchsrelevantes Werkzeug unter Verschluss zu halten und die Aus-/Rückgabe zu dokumentieren. Zudem wird angeregt, nicht genutzte Räumlichkeiten abzuschließen und die Werkstatträume so zu gestalten, dass eine Kontrolle der Strafgefangenen dauerhaft möglich ist. Bei niedrigem Personalstand wird empfohlen die Nutzung der Werkstatt zu untersagen. Im Rahmen der Untersuchung werden auch Empfehlungen zu weiteren Bereichen der Justizvollzugsanstalt (z. B. Sicherung des Justizvollzugskrankenhauses und einzelner Teilanstalten) gegeben.
Es wird ein Bericht vorgestellt, der im Nachgang an eine Entweichung eines Strafgefangenen aus der Justizvollzugsanstalt Tegel im Februar 2018 von der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung in Auftrag gegeben worden ist. Gegenstand des Berichts sind die Überprüfung der Sicherheitsarchitektur, die Analyse von Schwachstellen und die Formulierung von Verbesserungsvorschlägen. Im Zusammenhang mit der Sicherheitsarchitektur werden die baulich-technischen Sicherheitsvorkehrungen (u. a. Sicherheitslinien, Alarmzentrale, Fahrzeugschleuse) sowie die Sicherung durch das Anstaltspersonal (u. a. Aufgaben des AVD, Personalsituation) beschrieben und dabei insbesondere auf die Umstände der Entweichung eingegangen. Als Schwachstellen werden insbesondere die veraltete Fahrzeugschleuse, bei der eine Kontrolle des Fahrzeugunterbodens nur mangelhaft möglich ist, identifiziert, als auch die niedrige Personaldecke in der Justizvollzugsanstalt, die die Entweichung erleichtert hat. Abschließend werden Empfehlungen zur Verbesserung der Sicherheitsvorkehrungen in der Justizvollzugsanstalt gegeben, u. a. wird die Modernisierung der Fahrzeugschleuse angemahnt. Grundsätzlich wird die Aufstockung der Personaldecke als äußerst bedeutsam für die Sicherheit in der Justizvollzugsanstalt eingeschätzt.
MOTRA-Monitor 2022
(2023)
Im vorliegenden dritten MOTRA-Monitor-Bericht werden die Module des Forschungsverbundes erörtert und empirische Befunde für das Jahr 2022 vorgestellt. Das Monitoring umfasst Internetmonitoring, Einstellungsmonitoring, Protestmonitoring, PMK-Monitoring und Kommunales Monitoring. Ziel ist u. a. die Erfassung bzw. Untersuchung von individuellen und kollektiven Radikalisierungsprozessen. Aus dem Internetmonitoring geht hervor, dass die Prävalenz Covid-19-spezifischer Verschwörungsnarrative gesunken ist, dafür bei anderen radikalisierenden Diskursen, insbesondere bei mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine assoziierten Konfliktthemen, ein Anstieg zu verzeichnen ist. Das Einstellungsmonitoring konstatiert u. a., dass etwa 4 % der erwachsenen Wohnbevölkerung klar rechtsextreme Einstellungen teilen und ca. 8 % der in Deutschland lebenden Muslime bzw. Musliminnen islamistische Einstellungen aufweisen. Die Ergebnisse des Protestmonitorings zeigen, dass im Gegensatz zum Vorjahr Covid-19-Demonstrationen nicht mehr die Protestlandschaft dominieren, sondern vermehrt Themen wie Klimaschutz und Solidarität mit der Ukraine Gegenstand von Demonstrationen sind. Aus dem PMK-Monitoring geht hervor, dass 2022 mit ca. 59.000 Taten ein Anstieg von 7 % zum Vorjahr und ein Allzeithoch in der PKS zu verzeichnen ist. Das Kommunale Monitoring erfasst Anfeidungen von Amtsträgerinnen bzw. Amtsträgern. Im Zuge der Covid-19-Pandemie (Stand 2021) wurde mit 47 % die höchste Betroffenheitsrate gemessen. Zum Stichtag der Herbstbefragung 2022 waren 39 % der Amtsträgerinnen bzw. Amtsträger betroffen.
Vorgestellt wird der am 18. Januar 2013 vom Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen veröffentlichte Controllingbericht für das Programm „Förderung der Täterarbeit als Mittel der Gewaltprävention und Haftvermeidung“ für das Jahr 2011. Seit 2011 werden Maßnahmen freier Träger, die auf eine Verhaltensänderung von Tätern häuslicher Gewalt abzielen, aus Mitteln des Justizministeriums gefördert. Ziel dabei ist, den Opferschutz zu verbessern und einen Haftaufenthalt der Täter zu vermeiden. Bereits im ersten Förderjahr wurden insgesamt 12 Projekte finanziert und 450 Personen mit 2934 Maßnahmen erfasst. Das Fördervolumen lag bei 349.600 €, wobei infolge des späten Projektbeginns nur ca. 150.000 € in Anspruch genommen werden konnten. Prognostiziert wird, dass durch das Programm die Angebote der Täterarbeit verbessert werden und dass auf lange Sicht eine Entlastung der Strafjustiz und des Strafvollzugs erreicht wird. Abschließend werden die Bewirtschaftungsgrundsätze des Projekts diskutiert, darunter Verwendungszweck, Rechtsgrundlage, Zuwendungsvoraussetzungen sowie Art und Höhe der Förderung.
Vorgestellt wird der am 24. Oktober 2022 vom Ministerium der Justiz Nordrhein-Westfalen veröffentlichte Bericht über die Einsatzmöglichkeiten und Grenzen Künstlicher Intelligenz (KI) in der nordrhein-westfälischen Justiz. Es wird konstatiert, dass der Einsatz von KI positiv einzuschätzen ist, wenn dieser zu spürbaren Arbeitserleichterungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz führt, oder den Zugang für Rechtssuchende erleichtert. Die konkreten Einsatzmöglichkeiten umfassen: (1) KI-gestützte Metadatenerkennung, (2) Anonymisierung von Entscheidungen, (3) Einsatz von Automatisierungssoftware, (4) Unterstützung bei der Aktenbearbeitung, (5) vereinfachte Kommunikation mit dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft, (6) Sichtung großer Datenmengen und (7) Transkription von Verhandlungen. Unzulässig ist der Einsatz von KI hingegen, wenn dieser mit einem Eingriff in die richterliche Entscheidungsfindung einhergeht oder sie gänzlich ersetzt. Darüber hinaus sind nach aktuellem Stand keine weiteren Haftungsrisiken für Richterinnen und Richter zu identifizieren, solange es sich bei der eingesetzten KI lediglich um eine unterstützende Anwendung handelt. Abschließend wird konstatiert, dass die derzeitige Erarbeitung eines KI-Rechtsrahmens durch die Europäische Union begrüßt wird.
Vorgestellt werden der am 7. Januar 2020 veröffentlichte Evaluationsbericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen (NRW) über das nordrhein-westfälische Strafvollzugsgesetz sowie die zentralen Forschungsergebnisse des vom Kriminologischen Dienst NRW durchgeführten Forschungsprojektes EVALiS (Evaluation im Strafvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen). Gegenstand der Untersuchung sind: (1) Belegungsentwicklung im Strafvollzug, (2) Motivierungsgebot und Behandlungsauftrag im Strafvollzug, (3) Behandlungsmaßnahmen im Strafvollzug, und (4) weitere Behandlungsmaßnahmen und Übergangsmanagement. Es wird konstatiert, dass seit der Jahrtausendwende bis zum Jahr 2015 ein Rückgang in der Vollzugsbelegung zu verzeichnen ist, von 2015 bis 2018 wird hingegen ein leichter Anstieg registriert. Darüber hinaus wird u. a. dargelegt, dass mit einer wachsenden Zahl weiblicher Gefangener zu rechnen sein wird und weniger junge, aber mehr ältere Strafgefangene untergebracht werden müssen. Nach aktueller Datenlage besteht kein Bedarf zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes hinsichtlich der Umsetzung des Motivationsgebotes, damit einhergehend steht aber auch die Forderung nach beispielsweise personellen und finanziellen Ressourcen. Bezüglich des Behandlungsangebots der Vollzugsanstalten wird konstatiert, dass therapeutischen und deliktorientierten Angeboten nur ein geringer Wert zukommt und diese in einzelnen Justizvollzugsanstalten gänzlich fehlen. Für die Angebote zum Übergangsmanagement werden im Bereich „Arbeit und Ausbildung“ gute Ergebnisse ermittelt, während für die Bereiche „Sucht“ und „Schulden“ noch Erweiterungsbedarf festgestellt wird.
Vorgestellt werden der am 28. November 2018 veröffentlichte Evaluationsbericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen (NRW) über das nordrhein-westfälische Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz sowie empirische Befunde des Kriminologischen Dienstes NRW. Es wird konstatiert, dass der Behandlungsbedarf von Sicherungsverwahrten im Zeitraum vom 1.4.2017 bis zum 31.3.2018 durchschnittlich bei 6,0 Behandlungserfordernissen lag, während 2014 ein Wert von 4,3 ermittelt wurde. Darüber hinaus wurde eine sinkende Mitwirkungsbereitschaft bei Untergebrachten sowohl hinsichtlich der Verfolgung des Vollzugsziels als auch der Behandlungsangebote festgestellt. Nach Auffassung des Kriminologischen Dienstes NRW ist dies vor allem auf die Motivation der untergebrachten und weniger auf die Ausstattungsmängel in der Sicherungsverwahrung zurückzuführen. Auch vor diesem Hintergrund wurde ein dreistufiger Ausbau des Behandlungsprogramms vorgenommen. Das Programm umfasst eine Motivations- und Basisbehandlung, eine deliktorientierte Behandlungswohngruppe sowie eine intensive Förderung behandlungsgeeigneter und behandlungsmotivierter Untergebrachter. Darüber wurde festgestellt, dass die Gewährung von Langzeitausgängen sich positiv auf die Vorbereitung eines geeigneten sozialen Empfangsraums nach der Entlassung auswirkt. Auch für die nachgehende Betreuung nach § 60 SVVollzG NRW und die Möglichkeit einer Aufnahme auf freiwilliger Grundlage gemäß § 61 SVVollzG NRW werden positive Auswirkungen auf die Legalbewährung ehemaliger Untergebrachter konstatiert. Abschließend wird geschlussfolgert, dass sich das Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz allgemein bewährt hat und kein Bedarf für eine generelle Änderung vorliegt.
Vorgestellt wird der am 18. Dezember 2012 veröffentlichte Evaluationsbericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen (NRW) über das Gesetz zur Regelung des Jugendstrafvollzugs. Es wird konstatiert, dass der nordrhein-westfälische Jugendstrafvollzug bezüglich der Implementierung von Förderungs- und Erziehungsmaßnahmen positive Entwicklungen vorweist. Die Auslastungsquoten von schulischen und beruflichen Bildungsangeboten liegen zwischen 70 % und knapp 90 %, allerdings werden in diesem Zusammenhang auch hohe Abbruchquoten verzeichnet. Da die Haftzeit der Gefangenen oftmals nicht ausreicht, um begonnene Maßnahmen zu beenden, wird eine Unterstützung der Jugendlichen auch nach der Entlassung empfohlen. Darüber hinaus geht aus Einschätzungen der Fachdienste der Justizvollzugsanstalten hervor, dass eine erzieherische Ausgestaltung des Vollzugs sich positiv auf die für die Legalbewährung essenziellen Bereiche auswirkt. Weiterhin wird konstatiert, dass hinsichtlich der gesetzlich vorgeschriebene Einzelunterbringung jugendlicher Gefangener nachhaltige Verbesserung vorliegen. Zum Stichtag (31.12.2012) lag die Einzelunterbringungsquote zwischen 86 % und 97 %. Kritisiert wird allerdings, dass trotz der gesetzlichen Vorschrift die Gefangenen bei entsprechender Eignung in den offenen Vollzug zu verlegen, die Auslastungsquote der Plätze im offenen Vollzug im Vergleich zu 2010 um ca. 20 Prozentpunkte gesunken ist. Eine wissenschaftliche Untersuchung dieser Entwicklung findet bereits statt. Abschließend wird geschlussfolgert, dass keine Bedenken gegen eine Entfristung des Jugendstrafvollzugsgesetzes vorliegen und kein Bedarf für eine generelle Änderung des Gesetzes besteht.
Vor dem Hintergrund der Frage nach Möglichkeiten zur Qualitätssicherung in der strafrechtsrelevanten Begutachtungspraxis werden diverse Forschungsprojekte vorgestellt, die die Einhaltung der 2006/2007 publizierten "Mindestanforderungen" an Prognose- und Schuldfähigkeitsgutachten untersuchen. Der Fokus liegt hierbei auf einem 2023 abgeschlossenen iterativem Forschungsprojekt, in dem N = 1000 Prognose- und Schuldfähigkeitsgutachten über Sexual- und Gewaltstraftäter von 150 verschiedenen Sachverständigen retrospektiv analysiert werden. Der Erstellungszeitraum erstreckt sich von 1999 bis 2016. Es wird konstatiert, dass Gutachten nach dem Erscheinen der Mindestanforderungen stärker auf relevante prognostische Fragen eingehen und, dass die Mindestanforderungen auch bei Schuldfähigkeitsgutachten umgesetzt werden. Darüber hinaus bestätigen die Ergebnisse eine ausgeprägte Heterogenität von angewendeten testpsychologischen Verfahren in der Begutachtungspraxis. Nichtsdestoweniger scheint nach aktuellem Stand eine intuitive Vorgehensweise in der Praxis weiterhin verbreitet zu sein und das Fehlen einer (methodischen) Kontrolle bei der Urteilsbildung an der heterogenen Gutachtenqualität mitverantwortlich zu sein. Weitere Ergebnisse werden diskutiert. Abschließend werden Möglichkeiten der wissenschaftlichen Qualitätssicherung der Begutachtungspraxis erörtert, darunter postgraduale Ausbildungscurricula und interdisziplinär konzipierte Fragenkataloge.
Auf Grundlage von Daten des Ministeriums der Justiz Rheinland-Pfalz werden Risikofaktoren, Täter- und Tatcharakteristika von Messergewalt empirisch untersucht. Die Stichprobe umfasst N = 452 Personen (n = 37 Frauen, n = 415 Männer), die in Rheinland-Pfalz wegen mindestens eines Falles schwerer Gewaltkriminalität abgeurteilt wurden und deren Aburteilung entweder 2013 oder 2018 Rechtskraft erlangte. Insgesamt 13,9 % der Gewalttaten (n = 63) stellen Fälle von Messergewalt dar. Die beiden Subgruppen (Messergewalt und schwere Gewalt ohne Messereinsatz) werden hinsichtlich Sozialdaten, psychischer Gesundheit, Gewaltverhalten und Viktimisierungserfahrungen verglichen. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass sich Täter/-innen von Messergewalt hinsichtlich sozioökonomischer Aspekte (Bildungsgrad und Arbeitsverhältnis) nicht wesentlich von Täter/-innen schwerwiegender Gewaltdelikte ohne Messereinwirkung unterscheiden. Erstere sind durchschnittlich älter, weisen überproportional häufiger eine Beeinträchtigung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sowie Erfahrungen elterlicher Gewalt auf. Von besonderer Auffälligkeit ist, dass Täter/-innen von Messergewalt häufig bis zum 18. Lebensjahr mit den Eltern zusammenleben. Nach hier vertretener Ansicht kann dies sowohl als Schutzfaktor im Sinne einer intakten elterlichen Beziehung als auch Risikofaktor im Sinne einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für das Erleben elterlicher Gewalt interpretiert werden. Abschließend wird auf die Limitationen der Untersuchung hingewiesen.
Sozialtherapeutische Einrichtungen des Justizvollzugs (SothEn) dienen der Behandlung von jugendlichen und erwachsenen Straftätern bzw. Straftäterinnen aus dem Deliktsbereich der Gewalt- und Sexualstraftaten, um das Rückfallrisiko nachhaltig zu reduzieren. Die Kriminologische Zentralstelle führt seit 1997 jährlich eine Stichtagserhebung zur Sozialtherapie durch, wobei 2021 der Standardfragebogen durch einen Zusatzfragebogen ergänzt wurde. Dieser erfasste unterschiedliche Merkmale zur Aufnahme, Verbleib und Beendigung einer sozialtherapeutischen Behandlung in allen 71 SothEn in Deutschland. Aufnahmen erfolgten im gleichen Maße nach aktuell geltenden gesetzlichen Regelungen für Sexual- und Gewaltstraftäter/-innen sowie durch Einzelfallentscheidungen. Eine Diagnostik der Gefangenen bei der Aufnahme war die Regel und erfolgte meist in der eigenen Einrichtung. Darüber hinaus fanden in drei Viertel der Einrichtungen vorab vereinbarte Probephasen zur Aufnahme statt. In der Regel fanden Behandlungsabbrüche meist in den ersten zwölf Monaten statt. Eine Nachbetreuung in Form von Bewährung oder Führungsaufsicht war im Großteil der Fälle gegeben. Obwohl Probephasen mit Motivationsmaßnahmen bei der Aufnahme in die SothEn vorhanden waren, war die Zahl der Abbrüche aufgrund unzureichender Behandlungsmotivation unverändert hoch, weshalb insbesondere die Motivationsförderung der Hochrisikoklientel weiterhin empfohlen wird.
Der vorliegende Bericht zur Evaluation der Behandlungsmaßnahmen hat zum Ziel, die jeweilige Vollzugspopulation näher zu beschreiben, die im Vollzug vorgehaltenen Behandlungsprogramme zu strukturieren und zu analysieren sowie auf weitere Möglichkeiten der Evaluation hinzuweisen. Nach einem Überblick über die Grundlagen der Evaluationsforschung sowie der Besonderheiten der Evaluation von Behandlungsmaßnahmen im Vollzug werden die Bereiche Strafvollzug und Jugendstrafvollzug in eigenen Abschnitten dargestellt (Teil I: Strafvollzug, Teil II: Jugendstrafvollzug). Die Abschnitte behandeln jeweils methodische Hinweise und Datenquellen, Ergebnisse der Erhebungen und Auswertungen sowie Schlussfolgerungen. Teil I (Strafvollzug) stellt die Ergebnisse der Strukturdatenanalyse sowie der Erhebung der Behandlungsmaßnahmenverläufe dar und geht auf besondere Vorkommnisse im Vollzug wie Gewalt unter Strafgefangenen und Suizid ein. Für Teil II (Jugendstrafvollzug) werden zusätzlich zu den Strukturdaten und Behandlungsmaßnahmen die Ergebnisse der durchgeführten Falldatenerhebung dargestellt. Die Ergebnisse werden unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf den (Jugend-)Strafvollzug diskutiert.
Die vorliegende Studie untersucht, inwiefern kriminalprognostische Verfahren sich auch zur Vorhersage von Lockerungsmissbräuchen und intramuralen Regelverstößen in Justizvollzugsanstalten eignen. Es werden die Validität der dritten Version der Offender Group Reconviction Scale (ORGS 3) und des Screeninginstruments des Gewaltrisikos (SVG-5) und weiterer Prädiktoren, darunter Suchtproblematik, stabile Lebenssituation und Verstöße gegen Bewährungsauflagen, untersucht. Die analysierte Gesamtstichprobe (N = 200) besteht aus männlichen Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Frankenthal im Durchschnittsalter von M = 37,98 Jahren zum Untersuchungszeitpunkt im Sommer des Jahres 2019. Die Auswahl der Gesamtstichprobe erfolgte zweistufig: (1) es wurden n = 100 Gefangenenpersonalakten von Straftätern mit genehmigten Vollzugslockerungen und (2) n = 100 Gefangenenpersonalakten ohne gewährte Lockerungen ausgewählt. Für die Prognoseinstrumente ergeben sich überwiegend geringe bis maximal moderate Effektstärken: für die ORGS 3: AUC = 0,522 bis 0,556 und für das SVG-5: AUC = 0,561 bis 0,653. Es wird geschlussfolgert, dass beide Instrumente bezüglich der Vorhersage von Lockerungsmissbräuchen und intramuralen Verstößen im Regelvollzug als nicht prädiktiv einzustufen sind. Abschließend wird konstatiert, dass die Untersuchung trotz methodischer Einschränkungen das Potenzial aktuarischer Prognoseinstrumente für die Prädiktion von Lockerungsmissbräuchen und intramuralem Fehlverhalten aufzeigen konnte.
Tätigkeitsbericht 2022
(2023)
Dieser Bericht dokumentiert das 37. Jahr der Arbeit der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) seit dem Jahr 1986. Die KrimZ wird als Institution vorgestellt und ihre bisherige Entwicklung dargestellt. Der Bericht liefert weiter einen Überblick über alle im Berichtsjahr durchgeführten Forschungsprojekte. Es wurden vier Projekte beendet, die jeweiligen Abschlussberichte sind u. a. als BM-Online Bände 32-34 erschienen. Zwei Projekte wurden neu begonnen. Zudem wird der Aufgabenbereich der Bibliothek und der Literaturdokumentation beschrieben. Darüber hinaus wird die Arbeit der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter erörtert. Abschließend werden alle im Berichtsjahr erschienen Veröffentlichungen sowie Vorträge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KrimZ gelistet sowie ein Überblick über die Mitglieder, den Beirat und die Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter der KrimZ sowie der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter gegeben
Für internationale Kooperationspartner und Kontaktpersonen wurde am Ende des Berichts eine Zusammenfassung in englischer Sprache angefügt.
Starting with page 48, there is an English short version attached.
Zwischen 2019 und 2021 hat das Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung und das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht das Projekt „Konfliktregulierung in Deutschlands pluraler Gesellschaft“ verantwortet und in diesem Rahmen auf Initiative und mit Unterstützung des Ministeriums der Justiz und des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen ein Lagebild zur Paralleljustiz in Nordrhein-Westfalen aus strafrechtlicher Sicht erstellt. Untersucht werden Konfliktregulierungsprocederes, die außerhalb der rechtsstaatlichen Ordnung verortet werden. Dafür wurden leitfadengestützte Interviews mit N = 39 Praktikern bzw. Praktikerinnen der Justiz geführt, N = 29 Personen nahmen am Mapping Exercise teil, es wurden Fokusgruppendiskussionen in Form von Runden Tischen mit N = 44 Experten bzw. Expertinnen organisiert und eine Aktenanalyse (N = 26) durchgeführt. Dargestellt wird die Innenperspektiven staatlicher Akteure zum Begriff Paralleljustiz sowie Konfliktregulierung. Es zeigt sich, dass außergerichtliche Konfliktregulierungsprocederes insbesondere im Bereich der Organisierten Kriminalität bzw. Rauschgift-Kriminalität in Kombination mit bestimmten Sozialstrukturen (u. a. verwandtschaftliche Zugehörigkeit, nationale Identität, gemeinsame Interessen) entstehen. Zudem wird eruiert, dass die in Nordrhein-Westfalen seit 2011 gültige Berichtspflicht zu Verdachtsfällen im Bereich der Paralleljustiz wenig bekannt ist. Abschließend werden Handlungsempfehlungen angeführt.
Im nordrhein-westfälischen Koalitionsvertrag für die Legislaturperiode 2017-2021 haben die Regierungsparteien CDU und FDP die Erstellung eines landesweiten Lagebilds zur Paralleljustiz festgeschrieben. Im Lagebild wird zuerst der Begriff der Paralleljustiz definiert und anschließend die aktuelle Lage für Nordrhein-Westfalen beschrieben sowie Ursachen benannt, wobei im Wesentlichen auf zwei empirische Studien Bezug genommen wird. Des Weiteren werden sowohl präventive als auch repressive Maßnahmen zur Eindämmung von Paralleljustiz allgemein als auch speziell auf Nordrhein-Westfalen bezogen erörtert. Dabei wird die Bedeutung der Bereiche Bildung, Inneres, Soziales und Justiz betont.
Vierter Bericht der Beauftragten für den Opferschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (2017 - 2022)
(2022)
Im vorliegenden vierten Opferschutzbericht der Beauftragten für den Opferschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) werden – von der bisherigen Form abweichend – nicht nur aktuelle Entwicklungen im Opferschutz und Tätigkeiten der Beauftragten und des Teams erörtert, sondern u. a. auch ein Rückblick auf die Entwicklung der Stelle, den aktuellen Stand der Netzwerkarbeit, den Arbeitsalltag und die in NRW erfolgten Verbesserungen im Opferschutz gegeben. Der Aufgabenbereich der Beauftragten und des Teams ist seit der Einrichtung der Stelle (2017) unverändert. Dieser umfasst: (1) die Fortführung der Ansprechstelle für Opfer von Straf- und Gewalttaten, (2) Netzwerkarbeit und (3) die Mitarbeit an der Weiterentwicklung des justiziellen Opferschutzes. Vom Zeitpunkt der Einrichtung bis zum Berichtsjahr (2022) bearbeitete die Ansprechstelle insgesamt 2274 Anfragen von Einzelpersonen. Berücksichtigt man zusätzlich Kontaktanfragen der täglichen Arbeit (z. B. rechtliche Anfragen und Veranstaltungsplanungen) liegt die Anzahl der seit Dezember 2017 erfolgten Kontakte bei über 20 000. Das Netzwerk der Beauftragten und des Teams umfasst Vertreterinnen und Vertreter von Behörden, Organisationen und Vereinen mit Berührungspunkten zum Opferschutz. Exemplarisch können hierfür Beauftragte des polizeilichen Opferschutzes und die Landeskoordinierungsstelle zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Männer genannt werden. Bezüglich des justiziellen Opferschutzes werden positive Entwicklungen konstatiert. Besonderen Stellenwert erfahren hierbei die Einrichtung eines Opferschutzportals durch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW (2020) und eines Opferschutzfonds durch den nordrhein-westfälischen Landtag (2022).
Abschlussbericht der Expertenkommission zur Verbesserung der Aufklärung komplexer Unglücksereignisse
(2022)
Zehn Jahre nach dem Loveparade-Unglück in Duisburg (24.06.2010) hat der Landtag Nordrhein-Westfalen die Einsetzung einer Expertenkommission beschlossen, um zukünftig die Aufklärung komplexer Unglücksereignisse zu verbessern. Der Beschluss erfolgte als Reaktion auf die Kritik an der (rechtlichen) Aufarbeitung des Loveparade-Unglücks (u. a. zu späte Anklageerhebung, lange Prozessdauer). Analysiert wird anhand des Beispiels des Gerichtsverfahrens zum Loveparade-Unglück, auf welche Art und Weise multikausale Unglücksereignisse bestmöglich aufgeklärt werden können. Dafür werden die verfahrensbestimmenden Dokumente (u. a. Anklageschrift, Beschlüsse) ausgewertet sowie am Verfahren maßgeblich beteiligte Personen interviewt. Im ersten Teil des Berichts stellt die Expertenkommission zwanzig Vorschläge zur Verbesserung der Aufklärung komplexer Unglücksereignisse vor und erörtert diese detailliert (u. a. Modifizierung der Verjährungregelungen, Einsatz von Opferstaatsanwälten bzw. Opferstaatsanwältinnen, Überarbeitung des Adhäsionsverfahren, Einrichtung einer Sachverständigendatenbank, Bau geeigneter Sitzungssäle etc.). Zudem wird auf Einrichtungen der Schadensaufklärung im europäischen Ausland verwiesen. Im zweiten Teil des Berichts stellt die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) die Ergebnisse der Interviews vor (u. a. Verzögerungen bei Großverfahren, Personalausstattung, Öffentlichkeitsarbeit, Sachverständige etc.), welche sie im Auftrag der Expertenkommission ausgewertet hat.
Die psychosoziale Prozessbegleitung wurde mit dem Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren vom 21.12.2015 (3. Opferrechtsreformgesetz) im deutschen Strafverfahrensrecht verankert. In § 406g Strafprozessordnung (StPO) werden die im engeren Sinne strafverfahrensrechtlichen Aspekte der psychosozialen Prozessbegleitung geregelt, wohingegen das Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG) die Grundsätze der psychosozialen Prozessbegleitung (§ 2 PsychPbG), die grundlegenden Anforderungen an die Qualifikation psychosozialer Prozessbegleiter/-innen (§ 3 PsychPbG) sowie deren Vergütung (§§ 5-9 PsychPbG) bundesweit einheitlich regelt. Vorgestellt wird die Evaluation des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren vom 16.10.2016 und die AGPsychPbG-Ausführungsverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen. Dafür wurden die Rechtsverordnungen der anderen 15 Bundesländer vergleichend analysiert sowie der Bericht des Bundesministeriums der Justiz und des Verbraucherschutzes an den Nationalen Normenkontrollrat ausgewertet. Zusätzlich wurden folgende Institutionen zu ihrer Einschätzung der psychosozialen Prozessbegleitung befragt: Richter/-innen (Amtsgerichte: n = 51, Landgerichte n = 28) und Generalstaatsanwälte bzw. Generalstaatsanwältinnen (n = 46), ausgewählte Kreispolizeibehörden, die nordrhein-westfälische Beauftragte für den Opferschutz sowie in der Beratung tätige Einrichtungen. Es wird festgestellt, dass die Ausgestaltung der psychosozialen Prozessbegleitung in Nordrhein-Westfalen als duales Modell aus Beratungsangeboten des ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz und von freien Anbietern positiv bewertet wird. Als verbesserungswürdig werden die pauschalen Vergütungssätze gesehen. Einige freie Anbieter haben aus diesem Grund ihr Angebot bereits eingestellt. Zudem werden Verbesserungsmöglichkeiten für die vom Ministerium der Justiz betriebene Datenbank erörtert.
Der vorliegende dritte Opferschutzbericht der Beauftragten für den Opferschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) dient u. a. als aktueller Tätigkeitsbericht der Beauftragten und des Teams im Berichtszeitraum von April 2020 bis März 2021. Die Zusammensetzung des Teams ist bis auf den Ein- und Austritt von Praktikantinnen und Praktikanten nach wie vor unverändert. Im Berichtsjahr (2021) wird das Team um die Stelle einer Dipl. Sozialarbeiterin vergrößert werden. Der Aufgabereich des Teams umfasst (seit Erscheinen des ersten Opferschutzberichts im März 2019 weiterhin unverändert): (1) die Fortführung der Ansprechstelle für Opfer von Straf- und Gewalttaten, (2) Netzwerkarbeit und (3) die Mitarbeit an der Weiterentwicklung des justiziellen Opferschutzes. Seit Einrichtung der Ansprechstelle im Jahr 2017 bestand mit 1843 Betroffenen, seit dem letzten Bericht mit 576 Betroffenen Kontakt. Infolge der Corona-Pandemie konnte die Netzwerkarbeit nur eingeschränkt ausgeübt werden. 2020 mussten die meisten Präsenzveranstaltungen abgesagt werden. Erst im Herbst desselben Jahres konnten Veranstaltungen in kleinerem Rahmen wieder stattfinden. Um das Defizit auszugleichen wurden u. a. Informationspapiere mit opferschutzrechtlichen Bezügen verfasst und z. B. an Fachberatungsstellen landesweit versandt. Im aktuellen Berichtszeitraum lag der Schwerpunkt des justiziellen Opferschutzes auf dem Themenbereich der psychosozialen Prozessbegleitung und dem Pilotprojekt „Pilotprojekt Koordinatorinnen und Koordinatoren für den Opferschutz im Strafverfahren bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften“.
Der vorliegende zweite Opferschutzbericht der Beauftragten für den Opferschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) dient u. a. als aktueller Tätigkeitsbericht der Beauftragten und des Teams seit Erscheinen des ersten Jahresberichts am 31.März 2019. Die Zusammensetzung des Teams ist bis auf den Ein- und Austritt von Praktikantinnen und Praktikanten nach wie vor unverändert. Der Aufgabereich des Teams umfasst (ebenfalls unverändert): (1) die Fortführung der Ansprechstelle für Opfer von Straf- und Gewalttaten, (2) Netzwerkarbeit und (3) die Mitarbeit an der Weiterentwicklung des justiziellen Opferschutzes. Seit Einrichtung der Ansprechstelle im Jahr 2017 bestand mit 1404 Betroffenen, seit dem letzten Bericht mit 576 Betroffenen Kontakt. Aktuelle Entwicklungen der Netzwerkarbeit zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass seit dem letzten Berichtsjahr zwei große allgemeine Netzwerktreffen und zwei weitere Treffen zum Thema „Häusliche Gewalt“ organisiert wurden. Es wurden insgesamt 450 Gäste begrüßt. In Bezug auf die im letzten Berichtsjahr festgestellten Schwachstellen im justiziellen Opferschutz können in einigen Fällen positive Entwicklungen konstatiert werden. So werden z. B. von der Landeskoordinationsstelle zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Männer Unterstützungsangebote für von Gewalt betroffene Männer vorbereitet. Auch bezüglich der anonymen Spurensicherung sind Erfolge zu verzeichnen. Mit dem am 01.März 2020 in Kraft getretenen Masernschutzgesetz sind die Kosten für eine anonyme Spurensicherung unter Wahrung der Anonymität der Betroffenen von der Krankenkasse zu tragen.
Der vorliegende Opferschutzbericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen (NRW) wurde unter Federführung des nordrhein-westfälischen Justizministeriums erstellt und geht auf den Beschluss der Landesregierung vom 21. September 2010 zurück. Der Bericht dient u. a. der Informierung von Bürgerinnen und Bürgern, Einrichtungen und Institutionen. Die Bedeutung des Opferschutzes als zentrales kriminalpolitisches Thema der Gegenwart wird betont. Der Bericht behandelt folgende Aspekte des Opferschutzes: (1) Rechtsgrundlagen des Opferschutzes, (2) opferschützende Maßnahmen und Projekte der Landesregierung sowie (3) Statistiken zur Opferentwicklung. Unter ersterem werden diverse Opferrechte – darunter Strafantrags- und Informationsrechte des Opfers – sowie materiell-strafrechtliche Regelungen und weitere Aspekte der Rechtslage erörtert. Der Fokus der aktuellen Maßnahmen und Projekte liegt vor allem auf der Kriminalprävention, der Aufklärung sowie auf vorhandenen Opferberatungs- und Opferbetreuungsstellen. Die Statistiken zur Opferentwicklung beruhen auf Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Landes NRW im Zeitraum von 2001 bis 2010. Dabei ist zu beachten, dass sich im Untersuchungszeitraum Veränderungen ergeben haben (z. B. das Inkrafttreten neuer Straftatbestände), die die Erfassung und Vergleichbarkeit der Daten beeinflussen.
Der vorliegende erste Bericht der Beauftragten für Opferschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) behandelt diverse, den Opferschutz betreffende Aspekte des Landes. Grundlage der Arbeit der Beauftragten und des Teams bildet die am 15. November 2017 erlassene Allgemeine Verfügung (AV) des Ministeriums der Justiz des Landes NRW (4100 - III. 241 Sdb. Opferschutzbeauftragter). Eröffnet wurde die Stelle zum 01. Dezember 2017. Im Bericht werden die Tätigkeiten des Teams sowie erste Erfahrungsberichte dargelegt. Die Tätigkeiten umfassen im Wesentlichen: (1) die Fortführung einer zentralen Ansprechstelle für Opfer von Straf- und Gewalttaten, (2) Netzwerkarbeit und (3) die Mitarbeit an der Weiterentwicklung des justiziellen Opferschutzes. Opfer von Straftaten können sich zwar direkt an die Ansprechstelle wenden, dennoch wird konstatiert, dass eine langfristige Betreuung der Betroffenen durch die Beauftragte nicht vorgesehen und auch hinsichtlich der Vielzahl von Anfragen nicht angemessen geleistet werden kann. Netzwerkkontakte wurden bis dato u. a. mit polizeilichen Opferschützern, Frauenberatungsstellen, dem Justizvollzug und dem Weissen Ring e. V. geknüpft. Im Bericht wird die Mitwirkung an der Weiterentwicklung des justiziellen Opferschutzes als die langfristig nachhaltigste Aufgabe des Teams bezeichnet. Abschließend werden einige Defizite des justiziellen Opferschutzes festgestellt, darunter fehlende Hilfeangebote für von Gewalt betroffene Männer und das Fehlen eines landesweiten Konzepts für eine anonyme Spurensicherung in Fällen von sexueller Gewalt.
Mittels einer Retrospektivbefragung im Zeitraum vom 02. Mai bis zum 21. August 2021 (16 Wochen) untersucht die vorliegende Studie Angriffsprävalenzen in Arbeitsbereichen mit normdurchsetzenden und helfenden Tätigkeiten. Zu diesem Zweck wurden wöchentlich Daten über Angriffe bzw. Gewalterfahrungen im Arbeitsalltag erhoben und hinsichtlich einer einwöchigen bzw. vierwöchigen Prävalenz untersucht. Diese umfassen: (1) verbale Angriffe, (2) körperliche Angriffe, (3) Gewalt gegen Sachgegenstände, (4) Diebstahl von Material oder Ausrüstung und (5) bewusstes Behindern bzw. Stören der Maßnahme. Die Stichprobe setzt sich zu 85,8 % (n = 609) aus Teilnehmenden normdurchsetzender Arbeitsbereiche (z. B. Polizei und kommunaler Ordnungsdienst) und zu 14,6 % (n = 104) aus Teilnehmenden helfender Arbeitsbereiche (z. B. Feuerwehr und Rettungsdienst) zusammen. Bei Betrachtung der Teilnehmenden, die mindestens eine Woche an der Befragung teilgenommen haben, ergibt sich eine Zusammensetzung aus 72,7 % männlichen und 27,3 % weiblichen Befragten. In allen Berufsgruppen zeigt sich, dass verbale Angriffe den größten Teil der gemeldeten Angriffe darstellen. Trotz der unterschiedlichen Aufgabenbereiche ist die Gruppe der helfenden Funktionsträger/-innen (bei einer Prävalenz von einer Woche) nur geringfügig seltener von Angriffen betroffen als die Gruppe der normdurchsetzenden. Der größte Unterschied ist bei körperlichen Angriffen mit 3,5 Prozentpunkten zu verzeichnen. Abschließend werden methodische Vorzüge und Einschränkungen der Studie diskutiert.
Der Forschungsbericht enthält eine exemplarische Evaluation des Hauses des Jugendrechts Frankfurt am Main–Höchst, das in seiner Anlaufphase bereits Gegenstand eines Vorgängerprojekts in den Jahren 2010 bis 2012 war. Dort arbeiten wie in den meisten „Häusern des Jugendrechts“ Jugendstaatsanwaltschaft, Polizei und Jugendgerichtshilfe zusammen, hinzu kommt als lokale Besonderheit die Einbeziehung des von einem freien Träger angebotenen Täter-Opfer-Ausgleichs. Die Förderung von Diversionsmaßnahmen und die Vermeidung von Haft gelten vor Ort als wichtige Ziele. Erstmals untersucht wurde, ob junge Beschuldigte, die im Haus des Jugendrechts Höchst betreut werden, nach Abschluss des Verfahrens weniger oft rückfällig werden als vergleichbare Personen aus anderen Frankfurter Stadtteilen, wo das traditionelle Jugendstrafverfahren praktiziert wurde. Dazu wurden Bundeszentralregisterdaten und die Einträge des bei den Staatsanwaltschaften in Hessen eingeführten Vorgangsverwaltungssystems MESTA untersucht. Die Legalbewährung wurde aufgrund von Auskünften aus dem Bundeszentralregister mit einem Beobachtungszeitraum von mindestens vier Jahren untersucht. Dabei blieben in der Experimentalgruppe (N = 250) aus dem Haus des Jugendrechts 70 % der Jugendlichen und Heranwachsenden ohne Folgeeintragung, während in der Kontrollgruppe (N = 130) die Fälle erneuter Eintragungen mit einem Anteil von insgesamt 59 % deutlich im Vordergrund standen. Allerdings waren die beiden Gruppen wegen deutlich unterschiedlicher Fallstrukturen und Verfahrensweisen der Staatsanwaltschaft nur eingeschränkt vergleichbar. In der ergänzenden Befragung berichteten die vier interviewten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses des Jugendrechts Höchst von einer positiven interdisziplinären Kooperation und zeigten sich vom Konzept des Hauses des Jugendrechts überzeugt. Besonders positiv seien der persönliche Kontakt untereinander und die kurzen Wege.
Der vorliegende Achte Opferschutzbericht der Landesregierung geht - wie schon die bisherigen Berichte - auf den Beschluss des Landtages Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2007 zurück (zu LT-Drs. 15/1107), mit dem der Landtag die besondere Schutzbedürftigkeit der Opfer von Straftaten betont und zugleich die Landesregierung aufgefordert hatte, im Abstand von zwei Jahren einen Bericht über die zur Verbesserung des Opferschutzes ergriffenen Maßnahmen vorzulegen. In Fortschreibung der ersten sieben Berichte werden im vorliegenden achten Opferschutzbericht im Wesentlichen die seit dem Vorbericht im Jahr 2020 eingetretenen Änderungen und Entwicklungen dargestellt. Der Aufbau des Berichtes orientiert sich an den Vorgaben des Landtags und geht auf folgende Punkte ein: (1) Veränderungen hinsichtlich der Rechtslage zur Rechtsstellung des Opfers seit dem letzten Opferschutzbericht, (2) Entwicklung der Opferzahlen in den Jahren 2012 bis 2021, einschließlich einer statistischen Erfassung und Auswertung der Opferspezifik, (3) Projekte und Maßnahmen bzw. Weiterentwicklung bestehender Programme sowohl in den Bereichen des vorsorgenden als auch des nachsorgenden Opferschutzes sowie ergänzend (4) zur ressortübergreifenden und interdisziplinären Vernetzung im Bereich des Opferschutzes.
Die Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafen : Dauer und Gründe der Beendigung im Jahr 2021
(2023)
In der seit 20 Jahren laufenden Erhebungsreihe der KrimZ zur Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe setzt das Berichtsjahr 2021 die Folge der Jahre fort, in denen vergleichsweise viele Vollzugsaufenthalte beendet und Gefangene aufgrund einer nachträglichen Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung entlassen wurden. Bei den Entlassenen handelt es sich häufig um Personen, die den Strafvollzug nach besonders langen Verbüßungszeiten in entsprechend höherem Lebensalter verlassen haben.
Von den 95 Personen, deren lebenslange Freiheitsstrafe im Jahr 2021 beendet wurde, wurden 52 nach Aussetzung des Strafrestes gem. § 57a StGB in Freiheit entlassen. Die Hälfte dieser Entlassenen hatte mehr als 18,1 Jahre im Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe verbracht. 29 Gefangene wurden ins Ausland ausgeliefert, ausgewiesen oder zur Vollstreckung der Strafe überstellt. 14 Personen verstarben während der Strafverbüßung.
Im 26. Jahr der Erhebungsreihe zur Situation in den sozialtherapeutischen Einrichtungen zeigt sich eine weitere Stabilisierung der strukturellen Gegebenheiten. In diesem Berichtsjahr wurde eine sozialtherapeutische Einrichtung geöffnet und eine geschlossen, sodass weiterhin 71 Einrichtungen vorhanden sind, die geringfügig weniger Haftplätze zur Verfügung stellen konnten als im Vorjahr. Dennoch wird weiterhin die Tendenz einer Versorgungssättigung gesehen, obwohl die Zahl der Gefangenen in sozialtherapeutischen Einrichtungen geringfügig sank. Folglich lässt sich auch eine sinkende Belegungsquote beobachten, ein Trend, der sich seit einigen Jahren fortsetzt. In diesem Jahr sank der Anteil der Gefangenen, die älter als 50 Jahre alt sind leicht, wobei der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden sich ebenfalls weiter verringerte. Sexualstraftäter*innen stellten wieder die Hälfte der Inhaftierten in der Sozialtherapie. Der Anteil der Gefangenen, die keine Zulassung zu vollzugsöffnenden Maßnahmen innehatten oder höchstens zu Ausführungen zugelassen waren, betrug in diesem Jahr etwas mehr als 82%, was einem neuen Höchststand entspricht. Die Fachdienstausstattung blieb auf gleichbleibend günstigem Niveau mit lediglich 5,7 Haftplätzen auf einer Fachdienststelle. Weitere Ergebnisse und Entwicklungen werden im Bericht dargestellt.
Aufgrund entscheidender Vorteile von (onlinebasierten) Selbstbeschreibungsverfahren im Kontext der Rückfallrisikoprognostik sowie vielversprechenden Studienergebnissen zur Bedeutung testpsychologischer Verfahren im Rahmen der Diagnostik und Prognose bei straffälligen Personen wurden im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojektes als Teil des größeren Verbundprojektes „@myTabu – Online-Intervention für entlassene Kindesmissbrauchstäter während der Bewährungs- oder Führungsaufsicht“ drei Verfahren zur Erfassung von akut- und stabil-dynamischen Rückfallrisikofaktoren und deviantem sowie delinquentem Verhalten entwickelt: der Acute-SR, der Stable-SR und die Checklist of Behavioral Misconduct (CMC). Alle drei Verfahren wurden innerhalb einer multimethodalen Längsschnittstudie an einer repräsentativen Stichprobe von n = 175 Personen, die wegen einer pädosexuellen Straftat verurteilt wurden, validiert. Die Entwicklung und Anwendung der Verfahren werden im vorliegenden Manual ausführlich dargestellt und Forschungsergebnisse zu den Gütekriterien der drei Verfahren berichtet.
MOTRA-Monitor 2021
(2022)
Es wird ein Überblick über die einzelnen MOTRA-Module gegeben und erste empirische Ergebnisse für das Monitoring 2021 berichtet. Es wird konstatiert, dass das Jahr 2021 unter dem Einfluss der Corona-Pandemie und die damit einhergehende Radikalisierung des Corona-Protestgeschehens steht. Das Monitoring des Forschungsverbundes erstreckt sich dabei über Internetmonitoring, Einstellungsmonitoring, Protestmonitoring, kommunales Monitoring und PMK-Monitoring, ergänzend wird eine bundesweite Expertenbefragung zum aktuellen Radikalisierungsgeschehen durchgeführt. Am Beispiel des Gaza-Krieges 2021 werden Ereignisse, die außerhalb Deutschlands stattfinden, und deren Auswirkungen auf das Radikalisierungsgeschehen in Deutschland mit dem im MOTRA-Verbund zur Verfügung stehenden Instrumentarium analysiert. Zudem wird ein Technologie-Monitoring durchgeführt, das die Relevanz von Technologien im Problemfeld Radikalisierung und Extremismus beobachtet. In einer Auswertung von Strafverfahrensakten wird ein Fokus auf die Anwendungspraxis und die Wirkungsweisen des Terrorismusstrafrechts gelegt und die biografischen Verläufe terroristischer Akteure und Akteurinnen analysiert. Es wird zusammengefasst, dass sich 2021 im Kontext der Coronapandemie ein ideologisch diffuses politisch motiviertes Radikalisierungsgeschehen entfaltet hat, wobei rechtsaffine, populistische bzw. verschwörungstheoretische sowie systemkritisch-demokratiedistante Weltanschauungen dominieren.
Straftäter, denen gegenüber in den Jahren 1999/2000 anlässlich eines Sexualdeliktes Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, bilden die Probanden der vorliegenden Untersuchung. Im Zentrum des Forschungsinteresses stand die Frage, wie es Strafgerichte mit der Ermittlung, Prüfung und Darstellung täter- und tatbezogener Faktoren halten, und zwar nicht nur in den Urteilen, die zur Anordnung der Maßregel führten, sondern auch in zuvor gegenüber den Probanden ergangenen Entscheidungen, die häufig ebenfalls auf erhebliche Tatvorwürfe zurückgehen. Im Rahmen der dafür durchgeführten Strafaktenanalyse fand die Frage nach Häufigkeit und Inhalt forensisch-psychiatrischer Begutachtungen besondere Beachtung. Den Ergebnissen der Studie sind Ausführungen zur Entwicklung der gesetzlichen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung - bis hin zu jenen Änderungen, die am 1. Januar 2011 in Kraft traten - sowie zur Praxis der Anordnung und Unterbringung vorangestellt. Ergänzt werden die Darlegungen durch acht ausführliche Fallskizzen, die sich im Anhang befinden, aber dennoch auch einen Einstieg in die Thematik bieten können.
Die vorliegende Forschungsdokumentation zu vollzugsbezogenen Projekten ist in Zusammenarbeit mit GESIS - Leibniz Institut für Sozialwissenschaften entstanden. Dokumentiert werden Studien aus den Jahren 1987 bis 2010, die in den einschlägigen Fachdatenbanken der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) und des GESIS - Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften nachgewiesen sind. Die Dokumentation enthält u.a. Forschungsarbeiten zu den Gefangenen (psychosoziale Lage, Drogen, Gewalt und Suizid, junge Männer, Frauen, Ausländer, Sexualstraftäter, Rückfällige), zu Aspekten von Planung und Gestaltung (Soziales Training, Behandlung, Bildung und Arbeit, Sport, Entlassungsvorbereitung und Vollzugslockerungen), Vollzugspersonal und externen
Helfern sowie Gefängnisarchitektur und historischen Fragen.
Ein Merkmal, das uns und unser Leben entscheidend prägt, ist das Geschlecht. Allerdings ist auch in der Kriminologie das Mann-Sein immer noch das Maß aller Dinge, was sich schon darin zeigt, dass es den Terminus "Männerkriminalität" nicht gibt, wohl aber denjenigen der "Frauenkriminalität", mit dem Täterinnen als "Abweichung von der Abweichung" herausgestellt werden. Ein besonders irritierender doppelter Normverstoß liegt vor, wenn Frauen mit Gewalt- oder Sexualdelikten in Erscheinung treten. Diese Täterinnen werden in der Öffentlichkeit - wenn ihr Verhalten nicht sowieso übersehen oder bagatellisiert wird - als Opfer (ihrer Vergangenheit oder Gegenwart), Ungeheuer oder pathologischer Fall wahrgenommen. Aber nur wer Frauen als "wirkliche" Täterinnen - und zwar auch und gerade im Gewalt- und Sexualbereich - akzeptiert, kann zum einen ihre Opfer bemerken und zum anderen ihre geschlechtstypischen Sozialisations- und Lebensbedingungen wahrnehmen. Dies ist zwingende Voraussetzung, um mit ihnen erfolgreich arbeiten und weitere Taten verhindern zu können. Die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) führte im Oktober 2008 eine interdisziplinäre Fachtagung zu dem Thema "Täterinnen - Befunde, Analysen, Perspektiven" durch, deren Ergebnisse im vorliegenden Band dokumentiert sind.
Aktuelle und verlässliche statistische Nachweise über Struktur und Entwicklung der registrierten Kriminalität, über die Tätigkeit der Instanzen der Strafverfolgung, über die verhängten Rechtsfolgen und über deren Auswirkungen im Sinne der Legalbewährung sind unerlässliche Grundlage für staatliche Planung, Entscheidung, Organisation und Kontrolle. Neben der Aufgabe, statistisches Zahlenmaterial für Parlament, Regierung und Verwaltung zur Verfügung zu stellen, dienen amtliche Datensammlungen auf dem Gebiet der Strafrechtspflege auch dazu, für Öffentlichkeit und Wissenschaft relevantes Informationsmaterial zu liefern. In diesem Band werden die Defizite des bestehenden kriminalstatistischen Systems in Deutschland anschaulich dargestellt. Expertinnen und Experten aus England und Wales, Schweden und der Schweiz berichten über Lösungen im Bereich der Kriminalstatistik, welche in gewisser Weise auch als Vorbilder für eine Reform des Systems der Kriminalstatistik in Deutschland in Betracht kommen. Schließlich werden Möglichkeiten der Verschlüsselung von Personendaten für Forschungszwecke erläutert. Die Beiträge sind aus einer Fachtagung der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) und des Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) hervorgegangen, die im April 2008 in Berlin stattfand.
Die im Band enthaltenen Beiträge gehen auf eine von der KrimZ 2007 in Wiesbaden veranstaltete Fachtagung zurück. Sie geben einen praxisbezogenen Überblick mit kritischen Stellungnahmen zu aktuellen Entwicklungen in der Strafrechtspflege, die man mit dem Stichwort „Privatisierung" zusammenfassen kann. Dabei geht es auch um Vergleichsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Praxisfeldern, gehen Überlegungen zur Modernisierung und Optimierung öffentlicher Aufgaben doch weit über den Strafvollzug hinaus. Zwar werden Privatisierungen auch im sensiblen Bereich des Strafrechts in einigen Ländern eher als selbstverständlich angesehen als in Deutschland. Dennoch werden für die Sozialen Dienste der Justiz je nach Bundesland gegenwärtig recht unterschiedliche Reformen angestrebt. Im Strafvollzug erproben die Länder verschiedene Modelle der Kooperation mit privaten Unternehmen. Am weitesten gediehen sind die Privatisierungsbestrebungen im Bereich psychiatrischer Krankenhäuser einschließlich des Maßregelvollzugs.
Gewalt gilt in unserer Gesellschaft als unannehmbare Form persönlicher Auseinandersetzung, der durch möglichst lückenlos angelegte Tatbestände des Strafrechts zu begegnen ist. Dabei geht es nicht nur um Gewaltkriminalität auf öffentlichen Straßen und Plätzen. Seit einigen Jahren werden in Gesetzgebung, Polizei und Strafrechtspraxis, aber auch durch Frauenhäuser, Einrichtungen der Jugendhilfe, Beratungsstellen und nichtstaatliche Organisationen vielfältige Anstrengungen gegen Gewalt im privaten Raum unternommen. Dabei werden strafrechtliche Verbote zunehmend durch flankierende Regelungen wie das Recht auf gewaltfreie Erziehung und das Gewaltschutzgesetz ergänzt. Der vorliegende Band geht zurück auf eine 2006 von der KrimZ veranstaltete Fachtagung und bietet einen praxisbezogenen Überblick über aktuell bedeutsame Formen von Gewalt in Partnerbeziehungen und in der Familie. In diesem Zusammenhang greift er die neuesten Entwicklungen in der Rechts- und Kriminalpolitik ebenso auf wie praktische Präventionsansätze und -modelle.
Kooperation findet nur statt, wenn sie sich für die Beteiligten lohnt. Scheint der persönliche Einsatz unverhältnismäßig, die eigene Souveränität gefährdet, das gemeinsame Ziel doch mehr das des Anderen zu sein, bleibt es häufig bei halbherzigen Versuchen. Unterschiede in den Aufgaben und Befugnissen, Handlungsformen und Rahmenbedingungen von Jugendhilfe sowie Justiz stellen zusätzliche Hindernisse dar, die durch Informationsmängel und Vorurteile verstärkt werden. Die Problematik kann sich weiter verschärfen, wenn es um von Sexualdelikten betroffene Kinder geht, da den Beteiligten der vermeintlich beste Weg dann besonders wichtig, dieser aber mit speziellen Schwierigkeiten gepflastert ist. Um die Kooperation von Jugendhilfe und Justiz bei Sexualdelikten gegen Kinder näher zu beleuchten, veranstaltete die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) im März 2006 in Wiesbaden eine interdisziplinäre Fachtagung. Der vorliegende Band enthält die Schriftfassungen der dort gehaltenen Vorträge. Die Autorinnen und Autoren widmen sich relevanten Fragen aus dem Straf- und Familien- sowie Kinder- und Jugendhilferecht, stellen Forschungsergebnisse zur Zusammenarbeit vor und berichten aus langjährigen erfolgreichen Kooperationen. Hinzu kommen Informationen über die Sozialpädagogische Prozessbegleitung und das Gerichtswissen von Kindern sowie Aufforderungen, bestimmte Fehler bei der Verdachtsbegründung zu vermeiden und bei alledem immer das Kind im Blick zu behalten.
Seit mehreren Jahren richtet sich die öffentliche Aufmerksamkeit verstärkt auf Formen der Kriminalität, die durch Ideologien oder Vorurteile bestimmt sind. Dies gilt z. B. für „Hasskriminalität" gegen (vermeintliche) Angehörige von Minderheiten, für „politisch motivierte Kriminalität" gegen Repräsentanten oder Symbole eines Staates, der von den Tätern gewaltsam bekämpft wird, aber auch - spätestens seit dem 11. September 2001 - für Straftaten militanter Islamisten. Die Motive für solche Straftaten werden häufig unter dem Begriff des „Extremismus" zusammengefasst, der damit in einem weiteren Sinne als dem polizeilichen Verständnis verwendet wird. In Kooperation mit der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK) veranstaltete die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) am 24. und 25. November 2005 in Wiesbaden eine interdisziplinäre Fachtagung zu dem Thema „Extremistische Kriminalität - Kriminologie und Prävention". Der vorliegende Band dokumentiert die Ergebnisse dieser Veranstaltung. Die Schriftfassungen der Referate werden dabei ergänzt durch eine „Bibliographie zur extremistischen Kriminalität", die das Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit der Bibliotheken des Bundeskriminalamtes und der KrimZ ist. Ziel der Tagung war es, den aktuellen Erkenntnisstand zu Kernpunkten der Thematik aus unterschiedlicher Perspektive zu betrachten und zu diskutieren sowie Perspektiven für die Zukunft, namentlich Möglichkeiten der Prävention, aufzuzeigen.
Gegenstand der empirischen Untersuchung sind die Schleswig-Holsteinischen Richtlinien zur Förderung der Diversion bei jugendlichen und heranwachsenden Beschuldigten und ihre Umsetzung in die Praxis. Die Untersuchung setzt zunächst an 1015 Fällen an, die in Diversionserfassungsbögen des ersten Halbjahres 2000 bei den einzelnen Staatsanwaltschaften Schleswig-Holsteins hinterlegt waren. Um ein umfassendes Bild über die Wirkungen und Handhabung der Richtlinien in der Praxis zu gewinnen, wurde eine vergleichende Aktenanalyse durchgeführt. Hierbei wurden n = 320 Fälle aus dem ersten Halbjahr 2000 aus ganz Schleswig-Holstein, bei denen gemäß der Diversionsrichtlinien verfahren wurde, mit n = 160 vergleichenbaren Fällen aus dem ersten Halbjahr 1998, unmittelbar vor Einführung der Richtlinie, verglichen. Zusätzlich wurden Befragungen mittels Interviewbögen bei Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden durchgeführt. Nach einem Überblick über die Diversion werden die schleswig-holsteinischen Richtlinien zunächst vorgestellt und eingeordnet. Die Auswertungen und Analysen der Diversionserfassungsbögen und Akten zeigen, dass die Beschuldigten in der Regel Ersttäter sind, im Durchschnitt 15,5 Jahre alt und Bagatelldelikte verübten. Die Tatmotivation ist überwiegend als "jugendtypisch" einzuordnen. Die Diversion dient bei diesen Beschuldigten der Verdeutlichung von Regeln und Normen, eine besondere erzieherische Einflussnahme erscheint nicht nötig. Diskutiert werden rechtsstaatliche Bedenken gegenüber dem schleswig-holsteinischen Diversionskonzept. Auf positive Entwicklungen im Zuge der Einführung der Richtlinien wird hingewiesen. In einem Resümee werden Hinweise für die Weiterentwicklung schneller und flexibler Reaktionen auf leichte Straftaten von Jugendlichen und Heranwachsenden gegeben.
Vorgelegt wird eine empirische Untersuchung zur Verurteilungspraxis bei Delikten im Zusammenhang mit Schleusungskriminalität. Die strafrechtliche Seite dieses Phänomens wird in §§ 96 und 97 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (früher§§ 92a und 92b des Ausländergesetzes) als Beihilfe oder Anstiftung zur unerlaubten Einreise beziehungsweise zum unerlaubten Aufenthalt umschrieben. Diese abstrakte gesetzliche Umschreibung der Schleuserkriminalität wird durch die vorliegende Untersuchung veranschaulicht, indem dargestellt wird, welche Lebenssachverhalte in der Vergangenheit vor deutschen Gerichten zu einer rechtskräftigen Entscheidung wegen des Einschleusens von Ausländern führten. Hierzu wurden die Akten von rund 200 Strafverfahren aus Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen ausgewertet. Die Ergebnisse werden nach Fallgruppen unterteilt dargestellt. Daneben finden sich Ausführungen zu einzelnen Rechtsproblemen, die das Phänomen der Schleuserkriminalität mit sich bringt, sowie eine kritische Würdigung der untersuchten Entscheidungen im Lichte der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung. Ferner wird untersucht, ob sich statistische Zusammenhänge zwischen bestimmten Umständen der Taten oder der Strafverfahren (z. B. Anzahl der Geschleusten, Dauer der Untersuchungshaft) und dem Strafmaß ausmachen lassen.
Kriminalpolitik und Strafrecht haben in den letzten Jahren eine Gruppe von Straftätern wieder entdeckt: die der so genannten „gefährlichen Straftäter". Auf diese Gruppe zielen einige neuere Gesetzesänderungen im Sexualstrafrecht, aber auch bei den kriminalrechtlichen Maßregeln und im Strafvollzugsrecht. Einzelne Kriminalfälle scheinen Anlässe für immer neue Vorschläge zu bieten, das Strafrecht umzugestalten. Es stellt sich die Frage, ob diese relativ kleine Gruppe der „gefährlichen Straftäter" tatsächlich eine besondere Problemgruppe für Kriminalpolitik und Strafrechtspraxis ist oder ob ihre Bedeutung eher überschätzt wird. Die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) veranstaltete am 15. und 16. November 2004 in Wiesbaden eine interdisziplinäre Fachtagung, in deren Rahmen das komplexe Thema aus der Sichtweise und Erfahrung mehrerer Expertinnen und Experten aus Praxis und Wissenschaft erörtert wurde. Die Ergebnisse der Veranstaltung sind im vorliegenden Band dokumentiert.
Obwohl nur ein kleiner Teil der Straftäter als „gefährlich" anzusehen ist, handelt es sich dabei doch um eine Gruppe, die als äußerst schwierig und problematisch gilt, nicht zuletzt deshalb, weil die von ihnen verübten Delikte häufig mit besonders schweren Folgen für die Opfer verbunden sind. Die Öffentlichkeit reagiert darum bereits auf einzelne derartige Kriminalfälle ausgesprochen sensibel und fordert bezüglich solcher Täter nachhaltig ein hohes Maß an Sicherheit und Opferschutz ein. Immer wieder zielen deshalb auch rechtspolitische Diskussionen und Gesetzesänderungen im Straf- und Strafvollzugsrecht auf diese Problemgruppe der Kriminalpolitik. Die vorgelegte Studie geht der Frage nach, ob es eine statistisch nicht zu vernachlässigende und damit kriminalpolitisch bedeutsame Tätergruppe gibt, die nach der bis zum 28.7.2004 geltenden bundesgesetzlichen Rechtslage trotz fortbestehender Gefährlichkeit in Freiheit entlassen werden musste und damit ein erhöhtes Risiko für die Allgemeinheit darstellt. Vor dem Hintergrund einer differenzierten strafrechtlichen Analyse werden die Resultate einer empirischen Untersuchung von Gewalttätern im hessischen Justizvollzug vorgestellt. In die Untersuchung einbezogen wurden 414 in den hessischen Justizvollzugsanstalten der Sicherheitsstufe I einsitzende Gewalttäter, die zu zeitiger Freiheitsstrafe verurteilt wurden und bei denen weder eine Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus noch eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Ziel der Untersuchung war es dabei nicht, für die einzelnen Gewalttäter anhand der erhobenen Daten eine individuelle Gefährlichkeitsprognose zu erstellen, sondern eine gruppenstatistische Aussage über das Ausmaß des vorhandenen Gefährlichkeitspotentials zu ermöglichen. Zwei Falldarstellungen ergänzen die quantitativ angelegte Analyse. Diskutiert werden anschließend Fragen des rechtlich und praktisch angemessenen und erforderlichen Umgangs mit gefährlichen Gewalttätern. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Frage der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung, der alternative Lösungsansätze gegenübergestellt werden.
Rückfallforschung
(2004)
Rückfall gehört zu den zentralen Kategorien der Kriminologie, Strafrechtspraxis und Kriminalpolitik. Gerade in den letzten Jahren hat sich die Fachöffentlichkeit, aber auch die breite Öffentlichkeit, wieder verstärkt mit Rückfallfragen befasst. So waren rückfällige Sexualstraftäter Auslöser für eine Kriminalpolitik, die den Sicherungsgedanken verstärkt zur Geltung bringt. Automatische Strafschärfungen bei Wiederholungstaten führen in den USA zu überfüllten Gefängnissen (nach dem Motto: "three strikes and you are out"). Auch die Kriminologie beschäftigt sich wieder zunehmend mit Mehrfachauffälligen oder Intensivtätern bzw. ganz generell mit kriminellen Karrieren. Der vorliegende Band geht zurück auf eine Fachtagung zur Rückfallforschung, die im Frühjahr 2001 am Bundesministerium der Justiz in Bonn stattfand. Die Expertinnen und Experten befassen sich in den teils aktualisierten Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven mit Ansätzen, Methoden und Erkenntnismöglichkeiten der Rückfallforschung. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit der neuen Rückfallstatistik, die erstmals Aussagen über alle strafrechtlich Sanktionierten in Deutschland trifft. Abschließend wird ein internationaler Vergleich rückfallstatistischer Untersuchungen vorgenommen, wobei Länder einbezogen sind, die in Datenlage und Methodik Besonderheiten gegenüber Deutschland aufweisen: Schweden, Österreich und die Schweiz.
Exhibitionistische Handlungen galten lange Zeit als harmlose Sexualdelikte, ein Exhibitionist als Paradebeispiel des monotropen Sexualdelinquenten, der lebenslang bei einem einzigen Tatmuster bleibt. In der Diskussion über den richtigen Umgang mit Sexualstraftätern, die mehrfach Verschärfungen des Sexualstrafrechts zur Folge hatte, spielten exhibitionistische Taten zunächst keine Rolle. Aufgeschreckt durch einige Männer, die vor gravierenderen Sexualdelikten schon mit Exhibitionen aufgefallen waren, und vermeintlich abgesichert durch empirische Befunde, nach denen ein derartiges Steigerungsverhalten so selten nicht sei, werden Exhibitionisten nunmehr als "gewalttätige Sexualverbrecher im Wartestand" gesehen. Ausgehend von der Studie „Legalbewährung und kriminelle Karrieren von Sexualstraftätern", die die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) durchführte, wird die Frage, ob exhibitionistische Handlungen „Einstiegsdelikte" in spätere sexuell motivierte Gewaltkriminalität sein können, aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Jutta Elz stellt die rechtlichen Grundlagen und Widersprüche des § 183 StGB dar und wertet Dunkelfeldstudien und Rechtspflegestatistiken aus. Hans-Ludwig Kröber beschreibt die Erscheinungsformen des Exhibitionismus und erläutert darauf bezogene psychodynamische, ethologische und psychiatrische Theorien. Im Kontext der Daten der KrimZ-Studie zeigt Jutta Elz anschließend den bisherigen Wissensstand zum Steigerungsverhalten von Exhibitionisten und die damit verbundenen inhaltlichen und methodischen Probleme auf. Jörg-Martin Jehle und Sabine Hohmann-Fricke dokumentieren anhand von Bundeszentralregistereintragungen die Rückfälligkeit von über 1.000 Personen, die wegen exhibitionistischer Straftaten verurteilt wurden. Schließlich analysiert Hans-Ludwig Kröber die Frage anhand der Fallgeschichten von begutachteten Probanden, die exhibitionistische Taten und zudem Sexualdelikte mit Körperkontakt begangen hatten.
Mit der ersten Stufe der Föderalismusreform ist 2006 die Gesetzgebungszuständigkeit für den Strafvollzug vom Bund auf die Länder übergegangen. Mittlerweile gelten in allen Ländern eigene Gesetze für den Jugendstrafvollzug. Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen haben auch für den Justizvollzug an Erwachsenen neue Landesgesetze eingeführt. Anderswo wird neues Landesrecht vorbereitet. Das gilt auch für den Vollzug der Untersuchungshaft und der Sicherungsverwahrung. Aber auch sonst spielen die Länder im Strafrecht keine Nebenrolle. Die Justiz ist in Deutschland traditionell weitgehend Ländersache, und wichtige Gesetzesänderungen der letzten Jahre gehen auf Entwürfe des Bundesrates zurück. In diesem Zusammenhang werden Strafrechtsreformen im Bundesstaat auch von außen zu betrachtet und damit auf einer allgemeineren Ebene thematisiert. Die Beiträge des Bandes gehen auf eine Tagung der KrimZ im Oktober 2010 in Wiesbaden zurück.
Immer rasanter werden im Nachgang zu medial entsprechend aufbereiteten Kriminalfällen Verschärfungen im Straf-, Strafprozess- und Sanktionenrecht gefordert. Gleichzeitig zeigt die aktuelle kriminalpolitische Landschaft eine Vielzahl neuer Vorhaben und Modelle auf, um auf die heutigen Erscheinungsformen von Kriminalität sachgerecht und im Sinne einer "rationalen Kriminalpolitik" zu reagieren. Vor diesem Hintergrund veranstaltete die Kriminologische Zentralstelle vom 7. bis 9. Mai 2003 in Wiesbaden eine Fachtagung, in der neben der Betrachtung grundsätzlicher Fragen neue Konzepte, Modelle und Evaluationen vorgestellt und diskutiert wurden. Präsentiert wurden u.a. auch drei empirische (Kooperations-)Evaluationen der KrimZ aus dem Forschungsprojekt zu der Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften und dem Ermittlungsverhalten der Polizei. Der vorliegende Band enthält die Beiträge der Fachtagung, ergänzt durch einen Diskussionsbericht.
Erst in den letzten Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Kinder, Jugendliche und Heranwachsende nicht lediglich Opfer von Sexualstraftaten sind, sondern auch als sexuell deviante Täter in Erscheinung treten. So war nach der Polizeilichen Kriminalstatistik im Jahr 2002 etwa jeder vierte Tatverdächtige, dem sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen wurde, unter 21 Jahre alt. Deshalb, aber auch aufgrund des Befundes, dass ein erheblicher Teil der erwachsenen Sexualstraftäter bereits in jungen Jahren mit sexuellen Übergriffen auffällt, ist es zum effektiven Schutz junger Menschen vor sexueller Gewalt erforderlich, möglichst frühzeitig einsetzende Interventionsstrategien zu entwickeln. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend plant daher die Durchführung eines Modellprojektes "Qualitätsstandards für den professionellen Umgang mit minderjährigen sexuell devianten Tätern und Täterinnen". Zur Vorbereitung dieser Maßnahme wurde die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ), die sich seit mehreren Jahren mit Fragen der Sexualdelinquenz befasst, beauftragt, die vorliegende Bestandsaufnahme zu erstellen. Nach einer detaillierten Aufbereitung der Daten amtlicher Rechtspflegestatistiken werden verschiedene empirische Studien zur Sexualdelinquenz junger Menschen dargestellt. In einer Sonderauswertung werden jugendspezifische Ergebnisse aus dem 2002 bis 2006 durchgeführten Projekt der KrimZ zur "Legalbewährung und kriminellen Karriere von Sexualstraftätern" präsentiert. Die Zusammenschau richtet sich insbesondere an all jene Personen, die während ihrer beruflichen Tätigkeit - etwa in Beratungsstellen und Jugendämtern, bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht - mit sexuell devianten jungen Tätern konfrontiert sind. Gleichzeitig zeigt sie weitergehenden Forschungsbedarf auf, auch im Hinblick auf die wissenschaftliche Begleitung laufender und zukünftiger therapeutischer Behandlungsmaßnahmen.
Das Opfer im Strafprozess ist in der jüngsten Zeit mehr denn je in den Brennpunkt kriminalpolitischer und kriminologischer Diskussion gerückt. Merkmale dieser "Repersonalisierung des strafrechtlichen Denkens" waren neben den letzten gesetzgeberischen Initiativen, welche die Rechtsstellung des Verletzten im Strafprozess beständig aufwerteten, nicht zuletzt eine - auch im deutschsprachigen Raum längst etablierte - lebhafte viktimologische Forschung. Kaum ein anderer strafprozessualer Bereich wird dabei so sehr von unterschiedlichen Disziplinen und Berufsständen, mit denen schließlich auch das Opfer in den verschiedenen Phasen des Strafprozesses konfrontiert wird, geprägt. Vor diesem Hintergrund veranstaltete die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) vom 13. bis 15. November 2002 in Wiesbaden eine Fachtagung zu dem Thema "Opfer von Straftaten - Kriminologische, rechtliche und praktische Aspekte". Der vorliegende Band dokumentiert die Ergebnisse dieser Veranstaltung, in deren Rahmen das komplexe Thema aus der Perspektive namhafter Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen betrachtet wurde. Der Band schließt mit einem Diskussionsbericht zur Fachtagung.
In der Folge kriminalpolitischer Diskussionen zur Einführung eines polizeilichen "Strafgeldes" bei Ladendiebstählen stellte 1999 eine aus Vertretern der bayerischen Staatsministerien des Innern und der Justiz zusammengesetzte Arbeitsgruppe Überlegungen an, ob die Polizei vor Ort durch eine Erweiterung von § 132 StPO ermächtigt werden sollte, auch von Inländern mit festem Wohnsitz eine Sicherheitsleistung zu verlangen. Aufgrund gewichtiger verfassungsrechtlicher Bedenken gegen eine solche Regelung schlug die Arbeitsgruppe im Ergebnis vor, ohne Änderung des geltenden Rechts in einem Modellversuch zunächst ein Verfahren auf freiwilliger Zahlungsbasis des Beschuldigten durchzuführen. Im Modellversuch wurde die Polizei ermächtigt, von einem auf frischer Tat ertappten Erstauffälligen auf freiwilliger Basis einen Geldbetrag, den Soforteinbehalt, erheben zu können, mit dem die Staatsanwaltschaft in die Lage versetzt wird, sofort das Ermittlungsverfahren nach § 153a Abs. 1 StPO abzuschließen. Als Ziele wurden die Beschleunigung des staatsanwaltschaftlichen Verfahrens bei einem Massendelikt sowie die Stärkung des polizeilichen Auftretens vor Ort und damit der Präventivwirkung im Bereich des Ladendiebstahls verbunden. Mit der empirischen Evaluation des Modellversuchs "Soforteinbehalt" bei Ladendiebstählen in Nürnberg, der im Oktober 2000 startete, wurde die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) beauftragt. Präsentiert werden die Auswertungen empirischer Daten der vom 1. Januar bis 31. Dezember 2001 durchgeführten Begleitforschung. Auf Grundlage der polizeilichen, von der KrimZ erhobenen und verarbeiteten Daten wird dargestellt, bei welchen Taten und bei welchen Tätern der Modellversuch erfolgreich oder eben nicht erfolgreich verlief. Es wird erörtert, ob der geänderte Verfahrensablauf von den Beteiligten angenommen wird und inwieweit er sich als "wirksam" erwiesen hat. Die sich anschließende multivariate Analyse liefert ein statistisches Erklärungsmodell für den Modellversuch, bevor eine Beurteilung zu den durch das Projekt erzeugten Präventivwirkungen abgegeben wird.
Die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) befasst sich seit Ende 1996 in einem mehrstufigen Forschungsvorhaben mit der Thematik "Legalbewährung und kriminelle Karrieren von Sexualstraftätern". Im Rahmen dieses Projektes sind bereits drei separate Bände in der Schriftenreihe "Kriminologie und Praxis" erschienen. Während die bisherigen Publikationen die Ergebnisse zu den sexuellen Missbrauchs- bzw. Gewaltdelikten zum Gegenstand haben bzw. auf Täter abstellen, bei denen aus Anlass einer Sexualstraftat eine Maßregel nach §§ 63, 64 StGB angeordnet wurde, widmet sich die vorliegende Studie jenen Tätern, die laut Bundeszentralregister im 1. Halbjahr 1987 in der DDR wegen der Begehung eines Sexualdeliktes rechtskräftig verurteilt worden waren. Nach einem Überblick über die einschlägigen Straftatbestände in der DDR und die dortige statistische Erfassung der (Sexual-)Delinquenz wird das Design der Studie vorgestellt. Der Erhebungsgruppe gehören 148 Personen an. Die Verlaufsstudie wird in zwei Schritten durchgeführt: (1) Analyse von Bundeszentralregisterauszügen zur Ermittlung der auszuwertenden Verfahren sowie zur Erhebung eventueller Vorbelastungen und Folgeverurteilungen der Probanden, (2) Auswertung der Strafakten zu den jeweiligen Bezugsentscheidungen aus dem ersten Halbjahr 1987. Es folgt die Präsentation der Projektergebnisse, wobei die Untersuchungsgruppe für eine differenziertere Betrachtung nach Delikten (Sexueller Missbrauch, Sexuelle Gewaltkriminalität, Sexuelle Belästigung) unterteilt wird. Dabei werden die Täter zunächst - unabhängig von der Frage der Rückfälligkeit - hinsichtlich biographischer Merkmale dargestellt, gefolgt von Daten, die sich mit dem Tatgeschehen und dem Ermittlungsverfahren sowie der Verurteilung und der Amnestie aus 1987 befassen. Danach wird der Rückfallaspekt zuerst im Hinblick auf entsprechende Quoten, sodann unter dem Gesichtspunkt von Art und Anzahl der Rückfalltaten betrachtet, schließlich werden Karrieretypen aufgezeigt. Im Anschluss werden einige mögliche Erklärungsansätze für die extrem hohe Quote der (einschlägig) Rückfälligen diskutiert und dabei auch die Rückfallgeschwindigkeit thematisiert. Anhand eines Extremgruppenvergleichs zwischen einschlägig Rückfälligen und solchen, die sich hinsichtlich der Begehung von Sexualstraftaten bewährten, werden Risikofaktoren ermittelt und erörtert.
Der Übergang vom Strafvollzug bzw. von der Unterbringung im psychiatrischen Maßregelvollzug in die Entlassung zur Bewährung ist für die Resozialisierung von Gefangenen bzw. Untergebrachten und damit nicht zuletzt auch für die Sicherheit der Bevölkerung von entscheidender Bedeutung. Die ambulante Nachsorge im Anschluss an den stationären Aufenthalt stellt hierbei ein wichtiges Bindeglied dar. Schließlich sind die Ursachen der (erneuten) Straffälligkeit in aller Regel nicht eng umgrenzte Störungen, die nach intramuraler Behandlung beseitigt sind, vielmehr bedürfen stationäre Maßnahmen der Ergänzung und Fortsetzung durch nachgehende, extramurale Betreuung und Hilfsangebote, namentlich bei Straftätern mit erhöhtem Rückfallrisiko. Der Band dokumentiert die Ergebnisse einer 2003 von der KrimZ in Wiesbaden veranstalteten Fachtagung, in deren Rahmen das komplexe Thema aus der Sichtweise und Erfahrung mehrerer Experten aus Praxis und Wissenschaft vorgestellt und diskutiert wurde.
Vorgestellt werden Arbeitsergebnisse eines vom Europarat eingesetzten Expertengremiums zur partnerschaftlich orientierten Kriminalprävention in deutscher Sprache. Nach einer Einführung in die Grundlagen des Partnerschaftsmodells und seiner möglichen Übertragbarkeit für Deutschland, werden - in gekürzten und überarbeiteten Fassungen - ausgewählte Länderberichte dargelegt: die Beiträge aus Finnland, Norwegen, Frankreich und Kanada zeigen, wie unterschiedlich die Ausgestaltungen des Partnerschaftsmodells in den jeweiligen Ländern sind und welche Impulse die verschiedenen Programme, Projekte und Konzepte Deutschland vermitteln können. Abschließend werden ausgewählte Aspekte des Mandats für das Expertenkomitee „Partnerschaft in der Kriminalprävention" und Erkenntnisse aus den Länderberichten (Schlüsselpartner, Rolle von Polizei und Justiz, Zusammensetzung der Partnerschaften, Rolle der Gemeinden, lokalen Verwaltungen und Bürgergemeinschaften) erörtert.
Das Problem der illegalen Zuwanderung gewinnt seine besondere Brisanz maßgeblich aus den Aktivitäten professioneller Schleuser. Tragödien wie die von Dover im Juni 2000, als englische Zollbeamte in einem Container die Leichen von 58 erstickten Chinesen entdeckten, stellen dramatisch unter Beweis, dass geschleuste Migranten teilweise unter erbärmlichen Transportbedingungen wie Frachtgut behandelt werden. Das Geschäft mit der Ware Mensch ist äußerst lukrativ: Mittlerweile gilt die organisierte Schleuserkriminalität als ähnlich einträglich wie der organisierte Drogenhandel. Deutschland hat sich dabei zu einem Zentrum für die Aktivitäten gewerbsmäßiger Schleuser entwickelt. Vor diesem Hintergrund herrscht in der kriminalpolitischen Diskussion ein sehr weitgehender Konsens darüber, dass der effektiven Bekämpfung dieser besonderen Form kriminellen Verhaltens hohe Priorität einzuräumen ist. Die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) veranstaltete am 22. und 23. November 2001 in Dresden eine Fachtagung zu dem Thema „Illegale Migration und Schleusungskriminalität". Anlass für die KrimZ, diese Tagung durchzuführen, bildete ihr seit 1997 durchgeführtes Forschungsprojekt zur Verurteilungspraxis der deutschen Gerichte auf dem Gebiet der Schleuserkriminalität, das auf eine Initiative des Bundesministeriums des Innern zurückgeht. Der vorliegende Band dokumentiert die Ergebnisse der Veranstaltung, in deren Rahmen das komplexe Thema aus der Perspektive von Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen betrachtet wurde.
In der kriminalpolitischen Diskussion, in der Praxis der Strafrechtspflege und nicht zuletzt auch in der medialen Darstellung von Kriminalität nehmen Tötungsdelikte schon immer eine besondere Rolle ein, obwohl lediglich 0, 1 % aller polizeilich registrierten Straftaten Mord und Totschlag betreffen. Der Hauptgrund dafür ist wohl darin zu sehen, dass die vorsätzliche Tötung eines Menschen keine bloße Normverletzung ist, sondern den Bruch eines zentralen gesellschaftlichen Tabus bedeutet. Wer einen anderen Menschen tötet, überschreitet damit eine letzte Grenze transkulturell geltender Regeln. Die Unwiederbringlichkeit eines ausgelöschten Lebens konstituiert eine Tatschwere, die sich nicht nur in ihrem Ausmaß, sondern auch in ihrer Qualität von anderen Delikten deutlich abhebt. Diese Sonderstellung der Tötungskriminalität gebietet eine außergewöhnliche Sensibilität im Umgang mit Tätern und Opfern - fernab von pauschalen Bewertungen und Handlungskonzepten. Der vorliegende Band dokumentiert die Ergebnisse einer vom 25. bis 27. April 2001 in Wiesbaden durchgeführten Fachtagung der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ), in deren Rahmen das komplexe Thema „Tötungsdelikte" aus der Perspektive von Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen betrachtet wurde.
Neue Wege des (offenen) Vollzuges sowie die damit verbundenen Erfahrungen in Ost- und Westdeutschland standen im Mittelpunkt einer bundesweiten Fachtagung, die vom 5. bis 8. September 2000 in der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege Güstrow, Mecklenburg-Vorpommern, durchgeführt wurde und deren Ergebnisse dieser Band dokumentiert. Die Veranstaltung wurde organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kooperation mit der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) und dem Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern. Die Beiträge vermitteln zum einen wesentliche kriminalpolitische Grundpositionen zur Öffnung des Vollzuges und zu Fragen der Resozialisierung sowie aktuelle kriminologische Erkenntnisse bezüglich der Praxis und Entwicklung des Strafvollzuges in Ost und West und zu punitiven Einstellungen der Bevölkerung. Den Schwerpunkt des Bandes bilden Berichte aus verschiedenen Bundesländern über praktische Erfahrungen bei der Gestaltung des Strafvollzuges, namentlich hinsichtlich des offenen Vollzuges sowie von Vollzugslockerungen.
Die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) befasst sich seit Ende 1996 im Rahmen eines mehrstufigen Forschungsvorhabens mit der Thematik "Legalbewährung und kriminelle Karrieren von Sexualstraftätern". Neben der grundlegenden Frage, wie häufig wegen eines Sexualdeliktes Verurteilte rückfällig werden, war zentrales Interesse der Studie, Merkmale des Täters, seiner Tat(en) sowie der justitiellen Reaktion zu erfassen und angenommene Zusammenhänge zwischen diesen Daten und Legalbewährung bzw. Rückfälligkeit zu bestätigen oder zu verwerfen. Um über einen ausreichend langen Beobachtungszeitraum zu verfügen, wurden Erhebungsgruppen zu Personen gebildet, die im 1. Halbjahr 1987 wegen der Begehung ausgewählter Sexualstraftaten sanktioniert worden waren. Die Untersuchung bezieht sich auf drei Hauptgruppen: "Sexuelle Missbrauchsdelikte" (§§ 174, 176 StGB a.F.), "Sexuelle Gewaltdelikte" (§§ 177, 178 StGB a.F.) und "Sexuelle Belästigungsdelikte" (§ 183 StGB). Hinzu kamen Täter, bei denen aus Anlass einer solchen Straftat eine Maßregel nach §§ 63, 64 StGB angeordnet worden ist bzw. eine Verurteilung in der ehemaligen DDR erfolgt war.
Der vorliegende Band dokumentiert die Ergebnisse zu den sexuellen Gewaltdelikten. Zunächst werden - neben den bisherigen Erkenntnissen zu Legalbewährung und Rückfälligkeit von Sexualstraftätern - Umfang, Struktur und Entwicklung der sexuellen Gewaltkriminalität dargestellt. Der Hauptteil, der die Ergebnisse der Studie zum Gegenstand hat, widmet sich den gewalttätigen Sexualstraftätern zuerst in ihrer Gesamtheit, also unabhängig von der Frage einer späteren eventuellen Rückfälligkeit. Dabei werden sowohl täter- und tatbezogene Merkmale wie auch solche des Ermittlungsverfahrens, der Verurteilung und der Strafvollstreckung aufgegriffen. Im Anschluss wird der Rückfallaspekt zunächst anhand entsprechender Quoten, sodann unter Karrieregesichtspunkten diskutiert. Schließlich werden im Rahmen eines Extremgruppenvergleichs - nach Darstellung der neuerlichen Straftaten sowie der Rückfallgeschwindigkeit - die oben genannten Merkmale hinsichtlich ihrer Relevanz für neuerliche Straffälligkeit erörtert.
Die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) befasst sich seit Ende 1996 im Rahmen eines mehrstufigen Forschungsvorhabens mit der Thematik "Legalbewährung und kriminelle Karrieren von Sexualstraftätern". Neben der grundlegenden Frage, wie häufig wegen eines Sexualdeliktes Verurteilte rückfällig werden, ist zentrales Interesse der Studie, Merkmale des Täters, seiner Tat(en) sowie der justitiellen Reaktion zu erfassen und angenommene Zusammenhänge zwischen diesen Daten und Legalbewährung bzw. Rückfälligkeit zu bestätigen oder zu verwerfen. Dazu wurden Erhebungsgruppen zu Personen gebildet, die im 1. Halbjahr 1987 wegen der Begehung ausgewählter Sexualstraftaten sanktioniert worden waren. Grundlage der Untersuchung sind neben Bundeszentralregister-Auskünften die Strafakten der jeweiligen Bezugsentscheidung. Die ausgewählten Straftatbestände führten zu den Hauptgruppen: "Sexuelle Missbrauchsdelikte" (§§ 174, 176 179 StGB a.F.), "Sexuelle Gewaltdelikte" (§§ 177, 178 StGB) und "Sexuelle Belästigungsdelikte" (§§ 183, 183a StGB). Der vorliegende Band dokumentiert die Ergebnisse zu den sexuellen Missbrauchsdelikten. Die Darstellung der Daten zu den sexuellen Gewalt- und Belästigungsdelikten erfolgt in einer separaten Veröffentlichung. In einem einführenden Kapitel werden Umfang, Struktur und Entwicklung der Sexualkriminalität dargelegt. Der Ergebnisteil beginnt - zunächst unabhängig von der Frage der Rückfälligkeit - mit einer Darstellung der biographischen und tatbezogenen Merkmale jener Sexualstraftäter, die wegen (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt wurden. Es folgen Daten, die sich den Ermittlungsverfahren, den Urteilen und der Strafvollstreckung widmen. Im Anschluss wird der Rückfallaspekt zunächst im Hinblick auf entsprechende Quoten, sodann in Form eines Extremgruppenvergleichs aufgegriffen. Weiter wird auf die Rückfallgeschwindigkeit eingegangen. Ein abschließendes Kapitel widmet sich jenen Tätern, die Schutzbefohlene sexuell missbraucht haben.
Im Rahmen des mehrstufigen Forschungsvorhabens "Legalbewährung und kriminelle Karrieren von Sexualstraftätern" werden für ausgewählte Teilgruppen von Personen, die im Jahre 1987 wegen eines Sexualdelikts verurteilt wurden, insbesondere Fragen der Vorbelastung, des Rückfalls und der sonstigen Entwicklung untersucht. Grundlage der Untersuchung sind neben Bundeszentralregister-Auskünften vor allem die jeweiligen Strafakten der Bezugsentscheidung. Ein Schwerpunkt der Studie gilt jenen Sexualstraftätern, die als besonders gefährlich anzusehen sind. Dies betrifft - definitionsgemäß - vor allem Personen mit Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung gem. §§ 63, 64 StGB. Der vorliegende Band dokumentiert die Ergebnisse des Teilprojekts zu dieser Gruppe. Neben den biographischen Merkmalen der "Maßregelgruppe" und den Angaben zum Bezugsdelikt werden Fragen der Begutachtung und der Sanktionierung erläutert. Es folgt ein Abschnitt über Vollzug und Aussetzung der Maßregel und dem Verlauf der anschließenden Führungsaufsicht. In einem Extremgruppenvergleich werden unterschiedliche Karriereverläufe der Sexualdelinquenz und verschiedene Risikofaktoren der Rückfälligkeit vorgestellt, teilweise im Vergleich zu weiteren Gruppen des Gesamtprojektes. Den Abschluss bilden Ergebnisse einer qualitativen Auswertung der Krankengeschichten und die Darstellung von Patienteninterviews.
Das generelle Spannungsverhältnis, in dem das Strafverfahren steht, erfährt auf dem Gebiet, in dem Verdeckte Ermittler und V-Personen eingesetzt werden, eine Zuspitzung. Es gibt wohl kaum einen anderen Bereich im Strafverfahrensrecht, möglicherweise sogar im Recht überhaupt, in dem die Auffassungen über die Legitimität staatlich zurechenbaren Handelns so weit auseinandergehen. Dabei ist die Problematik Verdeckter Ermittlungen in Anbetracht mehrerer unlängst ergangener obergerichtlicher Entscheidungen gegenwärtig von ganz besonderer Aktualität. Vor diesem Hintergrund veranstaltete die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) vom 20. - 21. Juni 2000 in Wiesbaden zu diesem Thema eine Fachtagung. Ziel der Veranstaltung war, aus unterschiedlichen Perspektiven Einblicke in die Problematik Verdeckter Ermittlungen zu gewähren, besonders problematische Bereiche näher zu beleuchten, Informationen auszutauschen sowie ein kritisches Forum für eine Diskussion zu bieten. Dabei bildeten die praktischen Problemaspekte den Schwerpunkt. Der vorliegende Band enthält die überarbeiteten Beiträge zu dieser Fachtagung sowie eine Auswahlbibliographie zum Thema.
Die gemeinnützige Arbeit als strafrechtliche Sanktion gewinnt in der kriminalpolitischen Diskussion und in der Praxis der Strafrechtspflege zunehmend an Bedeutung. Im Gegensatz dazu bestehen erhebliche Erkenntnislücken über die Einordnung der gemeinnützigen Arbeit in das Sanktionensystem, über die Anforderungen an die konkrete Ableistung sowie über die straftheoretische Begründung dieser Sanktion. Die vorliegende Untersuchung nimmt diese Fragen auf und entwickelt Lösungsansätze für die verschiedenen Formen der Arbeitssanktion sowohl im allgemeinen Strafrecht als auch im Jugendstrafrecht. Auch für den bisher kaum diskutierten Bereich der Ableistung der Arbeit werden - unter Einbeziehung arbeitspsychologischer Ansätze - strafrechtliche Strukturvorgaben entwickelt. Behandelt werden u.a. folgende Themenbereiche: Zulässigkeit einzelner Formen der Arbeitssanktionen; Geschichte der Arbeit ohne Freiheitsentziehung als strafrechtliche Sanktion; Rahmenbedingungen der Arbeitssanktion (zeitliche Grenzen, Voraussetzungen für einen Widerruf, Art und Grenzen der Ersatzsanktionen etc.); Verhältnis der gemeinnützigen Arbeit zu anderen Sanktionen, insbesondere zur Geldzahlungsauflage; Probleme des Gemeinnützigkeitsbegriffs bei der Arbeitssanktion; straftheoretische Vorgaben bei den Arbeitsauflagen.
Den Ausgangspunkt dieser Studie bilden jene 1982 in Kraft getretenen Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), die es drogenabhängigen Straftätern ermöglichen, sich anstelle von Strafhaft einer Drogentherapie zu unterziehen. Vorgestellt werden die Ergebnisse einer Analyse von einschlägigen Strafakten des Verurteilungsjahrganges 1984, der einschließlich der Vollstreckungszeiten und der Legalbewährung bis 1993 weiterverfolgt wurde. Die Untersuchung versucht, die spezifische Anwendung dieser Therapieregelungen zu erfassen und zu bewerten. Zunächst werden der kriminalpolitische Rahmen und der Forschungsstand näher erläutert. Nach einer Charakterisierung der Therapieregelungen des BtMG und einer Projektbeschreibung folgt ein ausführlicher Ergebnisteil, der zu folgenden Bereichen Stellung nimmt: (1) Sozio- und deliktbiografische Merkmale der Drogenabhängigen, (2) Einleitung des Zurückstellungsverfahrens, (3) Antragsbearbeitung und Überleitung in die Therapie, (4) Therapieverlauf, (5) Erledigung der Bezugsentscheidung, (6) Legalbewährung. Nach einer zusammenfassenden Bewertung werden mögliche Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen gezogen und praktische Vorschläge für eine verbesserte Nutzung dieser Therapieregelungen gemacht.
Einem generellen Trend in (West-)Europa folgend hat die Gemeinnützige Arbeit (GA) in der Bundesrepublik Deutschland während der letzten Jahre eine zunehmende Bedeutung gewonnen. Ihr Hauptanwendungsgebiet im Erwachsenenstrafrecht liegt bei den uneinbringlichen Geldstrafen als Alternative zur Ersatzfreiheitsstrafe. Das Instrument des Artikels 293 EGStGB wurde von den Bundesländern unterschiedlich genutzt, insbesondere die Vermittlung der Gemeinnützigen Arbeit wurde organisatorisch verschieden geregelt. In dieser Situation setzt die bundesweite Untersuchung der Kriminologischen Zentralstelle ein. Sie ermittelt, welchen Stellenwert die Gemeinnützige Arbeit im Rahmen der Vollstreckung uneinbringlicher Geldstrafen besitzt und wie sich die Praxis ihrer Vermittlung und Durchführung gestaltet. Zunächst werden der kriminalpolitische Rahmen und aktuelle Rechtsgrundlagen dargestellt und Fragestellungen und Anlage der Untersuchung beschrieben. Nach einem Überblick über die uneinbringlichen Geldstrafen und ihre verschiedenen Erledigungsformen werden die praktisch bedeutsamsten Schritte von der Anbahnung der Gemeinnützigen Arbeit über ihre Ableistung bis hin zur Beendigung analysiert. Auf Unterschiede zwischen den einzelnen Staatsanwaltschaften im Umgang mit GA wird eingegangen. Anschließend werden die Geldstrafenschuldner anhand ihrer sozialen und strafrechtlichen Merkmale beschrieben. Eine zusammenfassende Bewertung der Untersuchungsergebnisse schließt den Band ab.
Die Tätigkeit psychologischer und psychiatrischer Sachverständiger vor Gericht hat zwar eine lange Tradition und ist auch durch Gesetzgebung und Rechtsprechung ein fest verankerter Bestandteil moderner Strafrechtspflege, sie ist aber dennoch immer wieder Gegenstand kontroverser und kritischer Diskussionen. Der vorliegende Band, der auf eine Fachtagung der KrimZ im Juni 2011 zurückgeht, informiert über zentrale empirisch-wissenschaftliche Methoden und rechtliche Grundlagen sowie über den aktuellen Stand wesentlicher Problembereiche psychowissenschaftlicher Expertisen im Rahmen der Strafjustiz (insbesondere Zeugenaussage, Schuldfähigkeit, Verantwortlichkeit, Kriminalprognose).
Für den Umgang mit sog. "gefährlichen Straftätern" sieht das zweispurige deutsche Kriminalrecht als Alternative zu Strafen die "Maßregeln der Besserung und Sicherung" vor. Diese umfassen als freiheitsentziehende Maßnahmen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung. In der langfristigen Entwicklung der gerichtlichen Anordnungen zur Unterbringung nach § 63 StGB und Sicherungsverwahrung (im Vergleich auch der Lebenslangen Freiheitsstrafe) zeigen sich mehr oder weniger deutliche Anstiege. Ergebnisse neuerer Studien zur Legalbewährung nach Sicherungsverwahrung oder Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus weisen jedoch auf eher niedrige Rückfallraten hin. Nach hier vertretener Ansicht zeigt sich anhand dieser Zahlen und Analysen, dass die Gefährlichkeit der untersuchten Personen häufig überschätzt wird.
Es wird die Frage erörtert, inwieweit die aktuelle Einweisungspraxis in den Maßregelvollzug nach StGB § 63 unter forensischen, methodischen und kriminalpolitischen Aspekten als sicher bewertet werden kann. Dazu werden die Entwicklung der Belegungszahlen sowie die Situation im Maßregelvollzug dargestellt. Im Hinblick auf einen Diskussionsentwurf zur Reform des StGB § 63 werden vier Bestandteile der (juristischen) Prüfung bei einer möglichen Einweisung untersucht: (1) das Vorliegen eines Eingangskriteriums des § 20 StGB, (2) die Einschätzung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit, (3) das Überdauern der psychischen Störung sowie (4) die Frage der zukünftigen Gefährlichkeit. Aufgrund der Analyse dieser Prüfungspunkte sowie Studien zur Qualität von Sachverständigengutachten wird gefolgert, dass die aktuelle Begutachtungs- und Einweisungspraxis bezüglich des Maßregelvollzugs als wenig fundiert eingeschätzt werden muss.
Die Nachsorge entlassener Sexualstraftäter erfolgt in Hessen durch einen Verein, der bis 2015 dezentral ambulante Behandlungen vermittelte und finanzierte. Zur Evaluation dieses Modells wurden 47 beteiligte Therapeuten schriftlich befragt, wovon 35 antworteten. Sie wandten zur Therapie von Kindesmissbrauchstätern und Konsumenten von Kinderpornographie vor allem kognitiv-behaviorale und gesprächspsychotherapeutische Ansätze an, nur selten speziell für Sexualstraftäter entwickelte Therapien. Kritisiert wird, dass sich bei der Auswahl einer Therapie nur 30 % der Befragten am sog. RNR-Modell (Risk - Need - Responsivity) nach Andrews und Bonta orientierten, dessen Bedeutung für die effektive Behandlung betont wird. 63 % gaben an, zu Therapiebeginn immer eine diagnostische Abklärung durchzuführen, 51 % mittels ICD-10. Andere angewandte standardisierte testpsychologische Untersuchungen bringen nicht zwingend kriminologisch relevante Erkenntnisse. 91 % der Therapeuten formulierten Weiterbildungsbedarf, vor allem in der kriminologischen Prognose und Diagnose. Vor- und Nachteile der dezentralen Behandlungsorganisation werden diskutiert, wobei die Wichtigkeit professioneller Standards für den Behandlungserfolg betont wird. Seit 2015 ist mit der Einrichtung einer Fachambulanz auch eine flächendeckende Orientierung am RNR-Modell vorgesehen.
Es wird ein Gutachten des Kriminologen Rudolf Egg vorgestellt, welches für den parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV des Landtags Nordrhein-Westfalens im Hinblick auf die Geschehnisse in der Kölner Silvesternacht 2015/2016 erstattet wurde. Ziel des Gutachtens ist es, insbesondere die damals verübten Straftaten zu typisieren sowie einer allfälligen Organisationsstruktur der Täter nachzugehen. Hierfür wurden 1022 anonymisierte Strafanzeigen ausgewertet. Im Rahmen der Analyse der Strafanzeigen kommen nicht nur die verübten Delikte und deren statistische Verteilung zur Sprache, sondern unter anderem auch Ort sowie Zeit der Tatbegehung. Es wird gezeigt, dass die Opfer nur wenig zu einer hinreichenden Täterbeschreibung beitragen konnten. Vereinzelt wurden in den Strafanzeigen die Tätigkeit der Polizei sowie die Anzahl der anwesenden Beamten bzw. Beamtinnen thematisiert. Eine Absprache zur Tatbegehung unter allen Tätern wird allein schon ob ihrer Vielzahl als kaum wahrscheinlich eingeschätzt. Es wird vermutet, dass die massive Begehung von Eigentums- sowie Sexualdelikten in dem Gefühl der Täter, sie könnten in der Menschenmasse anonym agieren und man befinde sich in einem rechtsfreien Raum, ihre Grundlage hatte. Es wird darauf hingewiesen, dass für eine hinreichende Betrachtung der Vorfälle die Auswertung weiterer Datenquellen erforderlich ist, vor allem um darauf basierend präventive Maßnahmen zu ergreifen.
Die aktuelle Situation im psychiatrischen Maßregelvollzug nach § 63 StGB und die aktuell gültigen gesetzlichen Bestimmungen werden vorgestellt. Es werden die Zwecke, die der Gesetzgeber mit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verfolgt, erörtert. Zudem wird die momentane Auslastung sowie die zahlenmäßige Bedeutung der Unterbringung beschrieben und konstatiert, dass ein beträchtlicher Anstieg der Anzahl der Maßregelpatienten und -patientinnen zu verzeichnen ist. Anschließend wird auf das Zustandekommen der Unterbringungsentscheidungen in der Praxis eingegangen und es werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Betroffenen aus einer unbefristeten Unterbringung im psychiatrischen Maßregelvollzug wieder entlassen werden können. Abschließend wird die Verweildauer im psychiatrischen Maßregelvollzug und die Legalbewährung im Anschluss an die Maßnahme thematisiert und zusammengefasst, dass die Belegung im psychiatrischen Maßregelvollzug derzeit so hoch ist wie nie zuvor und dass erst langfristig mit einer Veränderung zu rechnen ist.
Die Konkretisierung des Bandenbegriffs im Strafrecht wird insbesondere in Hinblick auf das Urteil des BGH vom 22.03.2001 (GSSt 1/00, BGHSt 46, 321) diskutiert. Einleitend werden wesentliche Aspekte des Urteils und die Neuorientierung, die hinsichtlich der Definition des Bandenbegriffes folgt, dargestellt. Anschließend wird die Reichweite des Bandenbegriffs in der neueren Gesetzgebung erörtert und einschlägige Normen des StGB vorgestellt. Weiterhin wird die Frage diskutiert, wie viele Mitglieder einer Bande angehören müssen. Dabei wird die Argumentation, dass das Vorliegen einer Bande schon bei zwei Mitgliedern angenommen werden kann, kritisch unter Heranziehung der Auffassung des BGH besprochen. Zudem wird das Problem erörtert, anhand welcher Kriterien beurteilt werden kann, worin eine Bandenabrede besteht. Hierbei wird zunächst ein Überblick über die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien gegeben und im Anschluss erläutert, dass weitere objektive Kriterien zur Bestimmung der Bandenabrede erforderlich sind. Weiterhin wird besprochen, wie eine Bande nach den rechtlichen Vorschriften organisiert sein muss, um die Merkmale des Bandenbegriffs zu erfüllen. In diesem Zusammenhang wird die Frage aufgeworfen, ob die Bande grundsätzlich als kriminelle Vereinigung angesehen werden kann und ob Merkmale der organisierten Kriminalität herangezogen werden können.
Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (50. StrÄndG) wurde vorrangig § 177 StGB grundlegend geändert. In der zuvor geführten Diskussion war eine zentrale Frage diejenige nach bestehenden Strafbarkeitslücken gewesen; also nach straffreien, aber als strafwürdig erachteten Sachverhalten. Eine solche Schutzlücke wurde primär darin gesehen, dass keine Strafbarkeit nach § 177 StGB a. F. eintrat, wenn es zwar zu sexuellen Handlungen gegen den Willen Betroffener kam, dies aber nicht mit einer Nötigung verbunden war. Das Gesetzgebungsverfahren zeigte auf, dass sich die eine oder andere bloße Annahme, insbesondere hinsichtlich der Gründe für nicht erfolgte Verurteilungen in Strafverfahren, in denen Beschuldigten die Begehung einer Straftat nach § 177 StGB a. F. vorgeworfen wurde, über die Zeit zu vermeintlicher Gewissheit verfestigte, ohne dass dieser empirisch-kriminologische Befunde zugrunde lagen.
In der vorliegenden Studie werden 80 freisprechende Urteile, die vor dem 31.12.2015 ergangen waren und damit sicher einen Tatvorwurf nach § 177 StGB a. F. zum Gegenstand hatten, im Hinblick auf ihre Gründe für diese gerichtlichen Entscheidungen analysiert. Zudem wurden weitere in den Urteilen enthaltene Angaben, etwa zum Tatgeschehen und zur Hauptverhandlung, erfasst. Unter den ausgewerteten Freisprüchen fanden sich fünf (6 %), bei denen es sich um sogenannte Schutzlückenfälle gehandelt haben könnte, wobei dieses Ergebnis nicht impliziert, dass es unter Anwendung des aktuellen § 177 StGB zwingend zu einer Verurteilung gekommen wäre.
Aktuell werden Angriffe gegen Rettungsdienstpersonal medial und politisch vermehrt diskutiert, was u. a. politische Initiativen und Gesetzesänderungen zur Folge hat. Es wird konstatiert, dass die wissenschaftliche Studienlage in Deutschland insbesondere in Hinsicht auf die Prävalenzen solcher Vorfälle lückenhaft ist. Zwischen Mai bis August 2021 wurden im Rahmen einer Langzeitbefragung das Rettungsdienstpersonal mit Hilfe eines Onlinefragebogens befragt und qualitative Interviews mit Experten und Expertinnen bzw. Betroffenen geführt. Neben den Häufigkeiten von Gewaltdelikten wurden Eskalationsfaktoren sowie Folgen der Vorfälle für die betroffenen Einsatzkräfte erhoben. Es zeigt sich, dass Angriffe, insbesondere verbaler Art, zum Arbeitsalltag von Rettungsdienstpersonal gehören. Im Durchschnitt wurden wöchentlich 29 % der Befragten beleidigt, belästigt oder verbal bedroht. Pro Woche waren 8 % der Befragten körperlichen Angriffen ausgesetzt. Die Betroffenen äußern den Wunsch nach Nachbetreuung und eine Anpassung der Ausbildungslage. Empfohlen werden Schulungen, die für Gefahren sensibilisieren, Deeskalationsansätze in den Blick nehmen und Eigensicherung thematisieren.
Ausgehend von einem historischen Rückblick bis ins 19. Jahrhundert, wo die Vorstufe der Führungsaufsicht noch Polizeiaufsicht bedeutete, wird die Diskussion um die Einführung der Führungsaufsicht in den 1970er Jahren dargestellt. Neben empirischen Untersuchungsergebnissen werden die Reformgesetze von 2007 und 2011 sowie deren Auswirkungen in den Bereichen (1) forensische Ambulanzen, (2) Krisenintervention, (3) unbefristete Führungsaufsicht, (4) Sicherungsverwahrung und (5) elektronische Überwachung erörtert. Eine vollständige statistische Erfassung über die Anzahl von der Führungsaufsicht unterstellten Personen existiert nicht. Auf Schwierigkeiten bei internationalen Vergleichen, insbesondere sprachliche und nationale Besonderheiten, wie auch einen anhaltend hohen Forschungsbedarf wird hingewiesen.
Untersucht wurden Fälle des einfachen Diebstahls und Betrugs, die 2013 von der Amts- und Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main erledigt worden sind (n = 3110 Tatverdächtige). 73 % gehören zur Kategorie des Ladendiebstahls, wovon 70 % auf männliche und 30 % auf weibliche Personen entfallen. Etwa drei Viertel der Tatverdächtigen haben entweder keine deutsche Staatsangehörigkeit oder sind im Ausland geboren. Mitgeteilt werden u.a. Daten zum verursachten Schaden und den justiziellen Reaktionen. Nur 3 % der Anzeigen hatten strafrechtliche Folgen. In einem rechtspolitischen Fazit wird dafür plädiert, dem vernachlässigten Aspekt der Schadenswiedergutmachung wieder mehr Gewicht zu verleihen.
In Anlehnung an entsprechende Vorschläge aus dem angloamerikanischen Raum (Hanson et al., 2017) wurden zur Risikoeinschätzung von Sexualstraftätern fünf kombinierte Static-99/Stable-2007 Risiko-/Bedürfnislevel-Kategorien gebildet, die - nach Erfassung des Ausgangsrisikos durch statische Risikofaktoren nach Static-99 - mithilfe der dynamischen Risikofaktoren des Stable-2007 die Vorhersagekraft der einzelnen Verfahren verbessern sollten. Die prädiktive Validität der kombinierten Anwendung wurde an einer Stichprobe von N = 705 wegen sexuell motivierter Delikte verurteilten Straftätern ermittelt, die zwischen dem 1.1.2002 und dem 31.7.2017 an der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter in Wien zur Erstellung von Vollzugsgutachten untersucht worden sind. Im Ergebnis wiesen die kombinierten Risikokategorien eine bessere Vorhersageleistung hinsichtlich des Rückfalls bei Sexualdelikten auf als der Static-99 Gesamtwert, der Stable-2007 Gesamtwert, die Static-99-Kategorien und die Stable-2007 Kategorien allein. Die Erhöhung um eine Risikokategorie ging etwa mit einer Verdoppelung der Rückfallrate für neuerliche Sexualdelikte einher. Die Anwendung der Static-99/Stable-2007 Risiko-/Bedürfnis-Kategorien für den deutschsprachigen Bereich wird empfohlen. Diese stellen hiernach gegenüber der alleinigen Anwendung von Static-99-Risikokategorien eine Verbesserung dar, die sich nicht nur auf eine Erhöhung der prädiktiven Validität bezieht, sondern auch auf eine bessere Fundierung der Prognose durch Einbeziehung individueller klinischer Merkmale und kriminogener Bedürfnisse durch den Stable-2007.
Schuldfähigkeitsgutachten dienen als Grundlage für die Beurteilung der Voraussetzungen einer freiheitsentziehenden Maßregel. Die Forschungsliteratur verweist auf eine heterogene Gutachtenqualität in der Praxis. Seit der Veröffentlichung von Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten einer interdisziplinären Arbeitsgruppe im Jahr 2007 liegen bislang nur wenige empirische Belege darüber vor, ob und in welcher Form diese auch in der Praxis umgesetzt werden. Analysiert wurde die Umsetzung der Mindestanforderungen und Gefährlichkeitsprognose in N = 230 Schuldfähigkeitsgutachten in Abhängigkeit des Erstellungszeitpunktes (vor bzw. nach der Publikation der Mindestanforderungen). Für eine Teilstichprobe (n = 136) lagen Auskünfte über die Verfahrensausgänge vor und konnten hinsichtlich der Berücksichtigung der sachverständigen Befunde im Urteil untersucht werden. Es zeigt sich eine zunehmende Umsetzung der Mindestanforderungen in der gutachterlichen Praxis im Zeitverlauf. Die Gefährlichkeitsprognose zur Frage der Unterbringung im Maßregelvollzug sowie die Berücksichtigung gutachterlicher Befunde im Urteil stellen sich hingegen nach wie vor äußerst heterogen dar. Die Ergebnisse sprechen einerseits für einen (Teil-)Erfolg, andererseits verdeutlichen sie weiteren Handlungsbedarf im Hinblick auf die Qualitätssicherung bei der Erstellung von Schuldfähigkeitsgutachten.