Strafrecht. Strafverfolgung. Sanktionen
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Polizei und Staatsanwaltschaft sind zur Zusammenarbeit verpflichtet. Allerdings soll auch bei einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit die gesetzliche Leitungsfunktion der Staatsanwaltschaft garantiert sein. Dies führt dazu, dass die handelnden Akteure sich im Spannungsfeld von vertrauensvoller Zusammenarbeit bis hin zum Kontrollverlust der Staatsanwaltschaft bewegen und zurechtfinden müssen. Untersucht wird, wie sie das tun und welche Wirkungsmechanismen dabei eine Rolle spielen. Im theoretischen Teil werden arbeits- und sozialpsychologische Ansätze in ein gemeinsames Modell der interorganisatorischen Zusammenarbeit integriert. Mit Hilfe einer empirischen Untersuchung nach dem qualitativen Forschungsansatz, speziell nach der Grounded Theory, wird die gegenstandsbegründete Theorie des Statusarrangements von Polizei und Staatsanwaltschaft entwickelt. Abschließend werden Handlungsempfehlungen für Praktiker aus den Bereichen Polizei und Staatsanwaltschaft gegeben.
Strafrechtspraxis und Kriminologie im Dialog: Was können wir voneinander lernen? Unter diesem Thema fand vom 11. bis 16. März 1991 an der Deutschen Richterakademie in Trier eine Tagung statt, deren zentrale Idee unmittelbar mit dem Begriff des Dialoges ausgedrückt ist: Es sollte keine Veranstaltung werden, bei der die Wissenschaft im Sinne einer Einbahnstraße die Praxis mit ihren Ergebnissen (über die Praxis) konfrontiert, vielmehr war ein Austausch aufgrund eigener Berufs- bzw. Forschungserfahrung angestrebt. Das inhaltliche Gebiet, auf dem dieser Austausch am ehesten möglich erschien, war die Strafzumessungspraxis im weitesten Sinne. Ein Wechsel zwischen Plenumsveranstaltungen und Arbeitsgruppen sowie die Herkunft der Referenten, Arbeitsgruppenleiter und Teilnehmer aus Praxis und Wissenschaft schufen die äußeren Bedingungen für das Gelingen dieses Dialogs. Der vorliegende Band enthält die überarbeiteten und zum Teil erheblich erweiterten Vorträge sowie Berichte aus den Arbeitgruppen der o. g. Tagung. Die Beiträge befassen sich schwerpunktmäßig mit Fragen der Strafzumessung und der individualpräventiv geprägten Sanktionen. Zugleich ist mit der Sanktionsforschung ein Kerngebiet gegenwärtiger kriminologischer Bemühungen angesprochen. Daneben gibt es Kurzbeiträge zu einzelnen Feldern: Kriminologische Einzelfallbeurteilung, Täter-Opfer-Ausgleich, Diversion, Gemeinnützige Arbeit, Strafvollzug und Wiedereingliederung sowie Untersuchungshaft und Haftalternativen. Abschließend wird die auf der Tagung geführte Diskussion zusammenfassend wiedergegeben.
Die „Häuser des Jugendrechts“ in Wiesbaden und Frankfurt am Main-Höchst, eröffnet im Dezember 2010 und im Februar 2011, sind die siebte und achte Einrichtung dieser Art in Deutschland. Sie sind Kooperationsprojekte von Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendgerichtshilfe bzw. dem Amt für soziale Arbeit (HdJR Wiesbaden). Ihre Einrichtung folgt einer Empfehlung der hessischen Expertenkommission zur Verbesserung der rechtlichen und tatsächlichen Instrumentarien zur Bekämpfung der Jugendkriminalität. Die Begleitforschung hierzu erfolgte im Auftrag des Hessischen Ministeriums der Justiz, für Integration und Europa (HMJIE). Sie orientierte sich an den vereinbarten Zielen im jeweiligen Konzeptionspapier. Verfahrensabläufe und Kooperationsstrukturen wurden in einem Zeitraum von 18 Monaten nach Eröffnung der beiden Einrichtungen evaluiert. Neben teilnehmender Beobachtung von Konferenzen, Besprechungen und allgemeinen Abläufen in den Häusern des Jugendrechts, der Auswertung von Falldaten wurden auch die Einschätzungen der Mitarbeiter erfragt.
Anlage und Ergebnisse einer KrimZ-Untersuchung zur Gemeinnützigen Arbeit im Rahmen der Vollstreckung uneinbringlicher Geldstrafen sowie der Praxis ihrer Vermittlung und Durchführung wurden auf einem Forschungskolloqium am 10. Mai 1990 einem Kreis von Experten vorgestellt. Die Teilnehmenden waren Vertreter der Justizministerien, Justizpraktiker und unmittelbar an der Vermittlung und Durchführung der Gemeinnützigen Arbeit Beteiligte sowie mit diesem Thema befasste Wissenschaftler aus der Bundesrepublik und der DDR. Der Band enthält die leicht erweiterten Beiträge der Referenten sowie einen zusammenfassenden Diskussionsbericht.
Ergebnisse einer empirischen Untersuchung der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden zur Praxis der Gemeinnützigen Arbeit werden berichtet. Ziel dieser Untersuchung war es, Aufschluss über Erledigungsformen und Vollstreckungsmodalitäten bei uneinbringlichen Geldstrafen sowie über mit der Durchführung der Gemeinnützigen Arbeit verbundene Probleme und Praktiken zu erhalten. Als Datengrundlage dienten Befragungen von Rechtspflegern und anderen Beteiligten an der Vermittlung der Gemeinnützigen Arbeit sowie 400 Akten von abgeschlossenen Verfahren. Folgende Ergebnisse werden ermittelt: (1) Die Gemeinnützige Arbeit machte nur 8,5% der Fälle einer Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen gegenüber 77% Zahlungen und 14% Verbüßungen von Ersatzfreiheitsstrafen aus, (2) bei 5% der Verfahren mit der Gemeinnützigen Arbeit wurde die Geldstrafe vollständig durch Arbeit getilgt, (3) bei der Ausgestaltung der Gemeinnützigen Arbeit sind die drei Organisationsformen (Gerichtshilfe-, Vereins-, Rechtspflegermodell) entstanden. Insgesamt wird der Gemeinnützigen Arbeit ein Schattendasein bescheinigt. Eine Einführung als eigenständige Sanktion wird angesichts einer fehlenden Infrastruktur kritisch beurteilt.
Der zunehmenden Bedeutung der gemeinnützigen Arbeit im Strafrecht stehen Defizite in ihrer Ausgestaltung gegenüber. So bedürfen schon die Klärung der aktuell zulässigen Formen dieser Sanktion sowie die Beschreibung wichtiger Rahmenbedingungen (Höchstdauer, Verhältnis zu anderen Sanktionen) eingehender Analysen. Für den Bereich der Durchführung der gemeinnützigen Arbeit wird nach straftheoretischer Erörterung die Übernahme von Vorgaben aus der Arbeitspsychologie vorgeschlagen, mit denen eine einheitliche Durchführung erreicht werden kann.
Einleitend wird der Gesetzentwurf des Bundesrates vom März 1998 zu den StGB § 40a und StPO § 459a zur Verankerung der gemeinnützigen Arbeit als Hauptstrafe im Strafrecht vorgestellt. Bezweifelt wird, dass StGB § 40a Abs 1 Satz 2 mit dem Verbot der Zwangsarbeit aus GG Art 12 Abs 3 vereinbar ist. Auch der nicht festgelegte Umrechnungsmaßstab von gemeinnütziger Arbeit und Geldstrafe, die Folgen des Scheiterns der Arbeitssanktion, die Länge einer drohenden Ersatzfreiheitsstrafe, die fehlende Regelung der Durchführung der Arbeiten und die zeitliche Obergrenze werden kritisiert. Zu den genannten Bereichen werden Alternativen aufgezeigt. Abschließend wird festgestellt, dass dies keine taugliche Regelung der gemeinnützigen Arbeit als Hauptstrafe darstellt.
Einem generellen Trend in (West-)Europa folgend hat die Gemeinnützige Arbeit (GA) in der Bundesrepublik Deutschland während der letzten Jahre eine zunehmende Bedeutung gewonnen. Ihr Hauptanwendungsgebiet im Erwachsenenstrafrecht liegt bei den uneinbringlichen Geldstrafen als Alternative zur Ersatzfreiheitsstrafe. Das Instrument des Artikels 293 EGStGB wurde von den Bundesländern unterschiedlich genutzt, insbesondere die Vermittlung der Gemeinnützigen Arbeit wurde organisatorisch verschieden geregelt. In dieser Situation setzt die bundesweite Untersuchung der Kriminologischen Zentralstelle ein. Sie ermittelt, welchen Stellenwert die Gemeinnützige Arbeit im Rahmen der Vollstreckung uneinbringlicher Geldstrafen besitzt und wie sich die Praxis ihrer Vermittlung und Durchführung gestaltet. Zunächst werden der kriminalpolitische Rahmen und aktuelle Rechtsgrundlagen dargestellt und Fragestellungen und Anlage der Untersuchung beschrieben. Nach einem Überblick über die uneinbringlichen Geldstrafen und ihre verschiedenen Erledigungsformen werden die praktisch bedeutsamsten Schritte von der Anbahnung der Gemeinnützigen Arbeit über ihre Ableistung bis hin zur Beendigung analysiert. Auf Unterschiede zwischen den einzelnen Staatsanwaltschaften im Umgang mit GA wird eingegangen. Anschließend werden die Geldstrafenschuldner anhand ihrer sozialen und strafrechtlichen Merkmale beschrieben. Eine zusammenfassende Bewertung der Untersuchungsergebnisse schließt den Band ab.
Im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Praxis der gemeinnützigen Arbeit in der Geldstrafenvollstreckung widmet sich ein Teilprojekt der Erledigungsstruktur von uneinbringlichen Geldstrafen. Hierfür wurden Daten ausgewertet, die Rechtspfleger bei den Staatsanwaltschaften verfahrensbegleitend von der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an bis zum Abschluß der Vollstreckungsverfahrens erheben. Die vorliegende Zwischenauswertung umfasst insgesamt 3350 Datensätze von Verfahren uneinbringlicher Geldstrafen an insgesamt 21 repräsentativ ausgewählten Staatsanwaltschaften. Ausgewertet wurde die Struktur der uneinbringlichen Geldstrafen, die persönlichen Merkmale der betroffenen Geldstrafenschuldner sowie die Art der Erledigung der uneinbringlichen Geldstrafen. Die Ergebnisse der Auswertung zeigen u.a., dass bei uneinbringlichen Geldstrafen 82,7 % durch Zahlung, 5,8 % durch Gemeinnützige Arbeit und 11,5 % durch Ersatzfreiheitsstrafe erledigt wurden. Es zeigt sich, dass die meisten Verurteilten nicht auf die formularmäßig erteilte Belehrung über die Möglichkeit der Gemeinnützigen Arbeit reagierten. Wird eine Gemeinnützige Arbeit begonnen, so verläuft sie allerdings in der Mehrzahl auch erfolgreich. Auf verschiedene Organisationsformen der Gemeinnützigen Arbeit sowie auf regionale Unterschiede im Ländervergleich und im Vergleich der einzelnen Staatsanwaltschaften wird hingewiesen.
Für den Umgang mit sog. "gefährlichen Straftätern" sieht das zweispurige deutsche Kriminalrecht als Alternative zu Strafen die "Maßregeln der Besserung und Sicherung" vor. Diese umfassen als freiheitsentziehende Maßnahmen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung. In der langfristigen Entwicklung der gerichtlichen Anordnungen zur Unterbringung nach § 63 StGB und Sicherungsverwahrung (im Vergleich auch der Lebenslangen Freiheitsstrafe) zeigen sich mehr oder weniger deutliche Anstiege. Ergebnisse neuerer Studien zur Legalbewährung nach Sicherungsverwahrung oder Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus weisen jedoch auf eher niedrige Rückfallraten hin. Nach hier vertretener Ansicht zeigt sich anhand dieser Zahlen und Analysen, dass die Gefährlichkeit der untersuchten Personen häufig überschätzt wird.
Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (50. StrÄndG) wurde vorrangig § 177 StGB grundlegend geändert. In der zuvor geführten Diskussion war eine zentrale Frage diejenige nach bestehenden Strafbarkeitslücken gewesen; also nach straffreien, aber als strafwürdig erachteten Sachverhalten. Eine solche Schutzlücke wurde primär darin gesehen, dass keine Strafbarkeit nach § 177 StGB a. F. eintrat, wenn es zwar zu sexuellen Handlungen gegen den Willen Betroffener kam, dies aber nicht mit einer Nötigung verbunden war. Das Gesetzgebungsverfahren zeigte auf, dass sich die eine oder andere bloße Annahme, insbesondere hinsichtlich der Gründe für nicht erfolgte Verurteilungen in Strafverfahren, in denen Beschuldigten die Begehung einer Straftat nach § 177 StGB a. F. vorgeworfen wurde, über die Zeit zu vermeintlicher Gewissheit verfestigte, ohne dass dieser empirisch-kriminologische Befunde zugrunde lagen.
In der vorliegenden Studie werden 80 freisprechende Urteile, die vor dem 31.12.2015 ergangen waren und damit sicher einen Tatvorwurf nach § 177 StGB a. F. zum Gegenstand hatten, im Hinblick auf ihre Gründe für diese gerichtlichen Entscheidungen analysiert. Zudem wurden weitere in den Urteilen enthaltene Angaben, etwa zum Tatgeschehen und zur Hauptverhandlung, erfasst. Unter den ausgewerteten Freisprüchen fanden sich fünf (6 %), bei denen es sich um sogenannte Schutzlückenfälle gehandelt haben könnte, wobei dieses Ergebnis nicht impliziert, dass es unter Anwendung des aktuellen § 177 StGB zwingend zu einer Verurteilung gekommen wäre.
Das am 4. August 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten (GVVG) hat drei neue Straftatbestände eingeführt: die „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“, § 89a StGB, die „Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“, § 89b StGB, und die „Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“, § 91 StGB n. F. Der Gesetzgeber verfolgte damit die Ziele, eine möglichst effektive strafrechtliche Verfolgung auch von organisatorisch nicht gebundenen Tätern, die schwere staatsgefährdende Gewalttaten vorbereiten, zu ermöglichen und das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus vom 16. Mai 2005 und den Rahmenbeschluss 2008/919/JI des Rates zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates zur Terrorismusbekämpfung umzusetzen. Im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz führten die KrimZ und die Ruhr-Universität Bochum gemeinschaftlich eine erste Evaluation des GVVG durch, die den Zeitraum vom Inkrafttreten des Gesetzes bis zum 31. Oktober 2011 umfasst. Zum Zeitpunkt der Erhebung lagen aufgrund der geringen Anzahl der Fälle nur wenig Informationen über Verfahren nach den §§ 89a, 89b und 91 StGB vor. Es wurden zwar über 50 Ermittlungsverfahren geführt, in denen die Vorschriften zumindest am Rande eine Rolle spielten, zu einer Verurteilung war es aber noch nicht gekommen. Im Hinblick auf die Akzeptanz der neu eingeführten Vorschriften bei den mit ihnen befassten Praktikern kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass das GVVG aus der Perspektive der Strafverfolgungsbehörden (Polizei und Staatsanwaltschaft) als gewinnbringend und die neu gewonnenen Ermittlungsmöglichkeiten zur „Erkenntnisverdichtung“ als hilfreich empfunden werden. Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere für die ermittelnden Polizeibeamten in der Anwendung der zum Teil noch wenig konkretisierten Tatbestände und damit einhergehende Nachweisprobleme; insoweit erhoffen sich die Befragten eine Klarstellung durch die künftige Rechtsprechung.
Einleitend wird die Frage aufgeworfen, ob auch nach neuem Recht der Vorwurf Berechtigung hat, wonach die Sicherungsverwahrung eine nicht zu rechtfertigende Zusatzstrafe nach Ablauf einer Freiheitsstrafe darstellt. Für die Beantwortung wird zunächst die Sicherungsverwahrung nach altem Recht unter den Aspekten Ausgestaltung und Gegenüberstellung zur lebenslangen Freiheitsstrafe beschrieben. In diesem Zusammenhang werden neben der Entwicklung der gerichtlichen Anordnungen und der Vollzugsbelegung die Dauer des jeweiligen Aufenthalts im Vollzug bis zur Entlassung und die der Verurteilung zugrunde liegenden Straftatbestände erörtert. Anschließend wird die aufgrund geänderter Rechtsprechung durchgeführte Reform erläutert. Zum einen wird festgestellt, dass die präventive Freiheitsentziehung auf unbestimmte Zeit weiterhin das Ziel der Sicherungsverwahrung ist. Zum anderen wird der Vorwurf des Etikettenschwindels nicht mehr als haltbar angesehen, da die Sicherungsverwahrung als Behandlungsvollzug durchzuführen ist.
Dargestellt wird der Einfluss der globalen Furcht vor Terrorismus auf gesetzgeberische Maßnahmen in Europa anhand strafprozessualer Entwicklungen im Recht der Europäischen Union (EU) sowie im Nationalen Recht auswählter europäischer Staaten (Vereinigtes Königreich, Spanien, Deutschland und Frankreich). So hat die EU die europäische Zusammenarbeit gegen den Terrorismus intensiviert u.a. mit Rahmenbeschlüssen über einen Europäischen Haftbefehls, zur Vorratsdatenspeicherung oder zu gemeinsamen Ermittlungsgruppen. Als problematisch eingestuft wird die Einführung sog. Terrorlisten. Anhand zweier Fälle eines Einspruchs von Personen gegen ihre Auflistung vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg wird die Problematik illustriert und die Rechtsprechung hierzu nachgezeichnet. Kritisiert wird die Ausweitung der Strafbarkeit durch eine Erweiterung der Straftatbestände auf Verdachtsfälle, auf Vorbereitungshandlungen oder öffentliche Aufforderungen zu terroristischen Straftaten. Insgesamt zeigen die Trends eine Ausweitung polizeilicher Ermittlungsbefugnisse, Einschränkungen von Bürgerrechten sowie eine Intensivierung der nationalen und internationalen Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten. In einem Fazit werden die dargestellten Trends und Entwicklungen kritisch bewertet.
Der Forschungsbericht enthält eine exemplarische Evaluation des Hauses des Jugendrechts Frankfurt am Main–Höchst, das in seiner Anlaufphase bereits Gegenstand eines Vorgängerprojekts in den Jahren 2010 bis 2012 war. Dort arbeiten wie in den meisten „Häusern des Jugendrechts“ Jugendstaatsanwaltschaft, Polizei und Jugendgerichtshilfe zusammen, hinzu kommt als lokale Besonderheit die Einbeziehung des von einem freien Träger angebotenen Täter-Opfer-Ausgleichs. Die Förderung von Diversionsmaßnahmen und die Vermeidung von Haft gelten vor Ort als wichtige Ziele. Erstmals untersucht wurde, ob junge Beschuldigte, die im Haus des Jugendrechts Höchst betreut werden, nach Abschluss des Verfahrens weniger oft rückfällig werden als vergleichbare Personen aus anderen Frankfurter Stadtteilen, wo das traditionelle Jugendstrafverfahren praktiziert wurde. Dazu wurden Bundeszentralregisterdaten und die Einträge des bei den Staatsanwaltschaften in Hessen eingeführten Vorgangsverwaltungssystems MESTA untersucht. Die Legalbewährung wurde aufgrund von Auskünften aus dem Bundeszentralregister mit einem Beobachtungszeitraum von mindestens vier Jahren untersucht. Dabei blieben in der Experimentalgruppe (N = 250) aus dem Haus des Jugendrechts 70 % der Jugendlichen und Heranwachsenden ohne Folgeeintragung, während in der Kontrollgruppe (N = 130) die Fälle erneuter Eintragungen mit einem Anteil von insgesamt 59 % deutlich im Vordergrund standen. Allerdings waren die beiden Gruppen wegen deutlich unterschiedlicher Fallstrukturen und Verfahrensweisen der Staatsanwaltschaft nur eingeschränkt vergleichbar. In der ergänzenden Befragung berichteten die vier interviewten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses des Jugendrechts Höchst von einer positiven interdisziplinären Kooperation und zeigten sich vom Konzept des Hauses des Jugendrechts überzeugt. Besonders positiv seien der persönliche Kontakt untereinander und die kurzen Wege.
Drogentherapie und Strafe
(1988)
Im März 1988 fand in Wiesbaden eine überregionale Fachtagung zum Thema "Drogentherapie und Strafe statt". Der vorliegende Band basiert auf dieser Tagung und enthält sämtliche Referate von Experten unterschiedlicher Professionen, die für diesen Zweck überarbeitet und teilweise ergänzt wurden sowie eine Zusammenfassung der Diskussion. Die Beiträge befassen sich mit praktischen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen, die im Zusammenhang mit der Bereitstellung bzw. Berücksichtigung therapeutischer Maßnahmen bei Drogenstraftätern gemacht wurden. Im Mittelpunkt stehen die Bestimmungen zur Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß §§ 35 ff. BtMG, daneben kommen auch Möglichkeiten und Formen der Behandlung und Beratung Abhängiger im Rahmen des Straf- und Maßregelvollzuges sowie der Bewährungshilfe zur Sprache. Ein Schwerpunkt ist hierbei die Frage der möglichen Kooperation, aber auch der notwendigen Abgrenzung zwischen Instanzen der Strafrechtspflege einerseits und den Vertretern und Institutionen von Therapie und Beratung andererseits.
Der Beitrag befasst sich mit Praxis und Bewährung der in BtMG §§ 35ff. geregelten Therapieüberleitung für drogenabhängige Straftäter (Zurückstellung der Strafvollstreckung). Ausgehend von Überlegungen zum Verhältnis von Freiwilligkeit und Zwang bei Therapien, werden zunächst allgemeine Entwicklungsschritte der Drogenabhängigkeit sowie neuere Tendenzen der therapeutischen Versorgung dargestellt; ferner wird die Frage erörtert, welche Beweggründe bei der Aufnahme einer Entzugsbehandlung im Vordergrund stehen. Eine Evaluation von Therapieüberleitungen gem. BtMG § 35 zeigte für die untersuchte Stichprobe, dass etwa die Hälfte aller auf diesem Wege begonnenen Therapien erfolgreich beendet wurden. Obwohl die erneute Straffälligkeit dieser Therapiegruppe (Beobachtungszeitraum: 3 Jahre) mit über 50% relativ hoch ist, zeigten sich bezüglich Schwere und Häufigkeit neuer Straftaten doch signifikant bessere Ergebnisse im Vergleich zu Therapieabbrechern und Nicht-Antritten. Abschließend werden einige zentrale drogenpolitische Konsequenzen vorgestellt. BtMG § 35 sollte danach nicht als Königsweg angesehen, aber bei geeigneten Fällen rechtzeitig zur Anwendung gebracht werden.
Gegenstand der empirischen Untersuchung sind die Schleswig-Holsteinischen Richtlinien zur Förderung der Diversion bei jugendlichen und heranwachsenden Beschuldigten und ihre Umsetzung in die Praxis. Die Untersuchung setzt zunächst an 1015 Fällen an, die in Diversionserfassungsbögen des ersten Halbjahres 2000 bei den einzelnen Staatsanwaltschaften Schleswig-Holsteins hinterlegt waren. Um ein umfassendes Bild über die Wirkungen und Handhabung der Richtlinien in der Praxis zu gewinnen, wurde eine vergleichende Aktenanalyse durchgeführt. Hierbei wurden n = 320 Fälle aus dem ersten Halbjahr 2000 aus ganz Schleswig-Holstein, bei denen gemäß der Diversionsrichtlinien verfahren wurde, mit n = 160 vergleichenbaren Fällen aus dem ersten Halbjahr 1998, unmittelbar vor Einführung der Richtlinie, verglichen. Zusätzlich wurden Befragungen mittels Interviewbögen bei Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden durchgeführt. Nach einem Überblick über die Diversion werden die schleswig-holsteinischen Richtlinien zunächst vorgestellt und eingeordnet. Die Auswertungen und Analysen der Diversionserfassungsbögen und Akten zeigen, dass die Beschuldigten in der Regel Ersttäter sind, im Durchschnitt 15,5 Jahre alt und Bagatelldelikte verübten. Die Tatmotivation ist überwiegend als "jugendtypisch" einzuordnen. Die Diversion dient bei diesen Beschuldigten der Verdeutlichung von Regeln und Normen, eine besondere erzieherische Einflussnahme erscheint nicht nötig. Diskutiert werden rechtsstaatliche Bedenken gegenüber dem schleswig-holsteinischen Diversionskonzept. Auf positive Entwicklungen im Zuge der Einführung der Richtlinien wird hingewiesen. In einem Resümee werden Hinweise für die Weiterentwicklung schneller und flexibler Reaktionen auf leichte Straftaten von Jugendlichen und Heranwachsenden gegeben.
Zehn Jahre nach Inkrafttreten des neugefaßten Betäubungsmittelgesetzes setzt sich dieser Band mit Erfahrungen bezüglich der hierdurch geschaffenen Therapieregelungen, speziell mit der sog. "Zurückstellung der Strafvollstreckung" gem. § 35 BtMG, auseinander. Er basiert auf einer Fachtagung, die im Dezember 1991 in Wiesbaden stattfand, und knüpft inhaltlich an Bd. 3 dieser Reihe an, der sich ebenfalls mit Fragen von "Drogentherapie und Strafe" befaßte. Den Anfang des Buches bilden drei Beiträge über das KrimZ-Projekt "Praxis und Bewährung der §§ 35 ff. BtMG". Die darin vorgelegten Ergebnisse ziehen ein vorläufiges Resümee dieser Studie. Im Anschluß daran folgen Berichte über die Arbeit der Frankfurter Zentralstelle für die Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität, über Charakteristika und Trends der Drogentherapie in stationären Einrichtungen sowie über den Crailsheimer Modellversuch einer Therapie im Jugendstrafvollzug. Nach diesen Erfahrungsberichten aus Deutschland folgen zwei Kapitel über Drogentherapie und Strafjustiz in Holland und in Österreich. Die Podiumsdiskussion der Tagung wird in Form einer Sammlung von Kurzbeiträgen der Diskussionsteilnehmer dokumentiert.