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Als Mittel der kriminologischen Forschung kommt Justizakten eine besondere Bedeutung zu. Nach einer begrifflichen Abgrenzung (u.a. Sachakte vs. Fallakte, Akte vs. Register, Schriftgut) sowie einem Überblick über systematische und sporadische Verzerrungen der Datenbestände werden Aspekte des Zugangs der Datenaufbereitungsformen dargestellt. Ergänzend skizziert werden einige quantitative und qualitative Analyseverfahren, soweit sie in der Kriminologie und der sozialwissenschaftlichen Forschung im weiteren Sinne eine Rolle spielen. Institutionelle Dokumentationspflichten bei abweichendem Verhalten von Personen legitimiert, die Aktenanalyse in vielen Fällen als Mittel der Wahl anzusehen.
Spektakuläre Einzelfälle zu Unrecht Verurteilter sorgten in den vergangenen Jahren für großes Aufsehen. Hinter diesen oft tragischen Einzelfällen steht die Problematik des Justizirrtums bzw. von Fehlurteilen. Untersucht wird, wie der Staat mit diesen justiziellen Fehlentscheidungen umgeht. Nach einem Überblick über Begrifflichkeiten und empirische Anhaltspunkte zu diesem Phänomen werden mögliche Gründe für Fehlurteile und das dahinter stehende strafprozessuale System dargestellt. Auf die Folgen einer ungerechtfertigten und mit Freiheitsentzug verbundenen Verurteilung für die Betroffenen wird hingewiesen. Auch wenn finanzielle Entschädigungen nach dem StrEG vorgesehen sind, so sind diese doch nach hier vertretener Ansicht angesichts der Höhe des materiellen und immateriellen Schadens nicht ausreichend. Auf positive Ansätze in anderen Ländern hinsichtlich psychologischer Unterstützung und Eingliederungshilfen für zu Unrecht Verurteilter wird hingewiesen.
Berichtet wird über zwei Teilbereiche eines 2016/2017 durchgeführten Forschungsprojektes der Kriminologischen Zentralstelle zu politischem bzw. religiösem Extremismus und Justizvollzug. Als Teil einer Analyse wissenschaftlicher Fachliteratur werden zu Fachbeiträgen Abstracts angefertigt, die in die Datenbank KrimLit eingespeist werden sollen. Zudem wird eine synoptische Übersicht der gewonnenen Erkenntnisse erstellt. In einem weiteren Projektteil werden in einer quantitativen Erhebung alle deutschen Jugendstrafanstalten schriftlich zu bisherigen konkreten Erfahrungen zum Thema befragt. Der islamistische Extremismus bildet einen Schwerpunkt des Projekts. Auf erste Forschungserkenntnisse wird hingewiesen.
Berichtet wird über Ergebnisse einer schriftlichen Befragung von Jugendstrafanstalten zum Vorkommen von und dem Umgang mit Extremismus für das Jahr 2015, an der n=32 der insgesamt 36 deutschen Anstalten aus 15 Bundesländern teilgenommen haben. Es zeigt sich, dass es in 24 der teilnehmenden Anstalten zu verschiedenen Anlässen konkrete Fälle von Extremismus gab, die zahlenmäßig je Anstalt im niedrigen einstelligen Bereich liegen. 29 Einrichtungen geben an, über Maßnahmen zur Feststellung von Extremismus zu verfügen (Beobachtung, Gespräche, Checklisten, Risikoprognoseinstrumente oder Zuständigkeit einzelner Bediensteter). 30 Anstalten bestätigen die Teilnahme von Personal an spezifischen Weiterbildungsveranstaltungen, die Hälfte verfügt über spezielle Beratungsangebote oder psychosoziale Maßnahmen für extremistische Inhaftierte, ansonsten wird auf die Wirksamkeit bereits bestehender, nicht spezifischer Angebote verwiesen. Es wird angenommen, dass der explizit auf politischen und religiösen Extremismus bezogene Fragebogen von vielen Anstalten nur mit Blick auf islamistischen Extremismus ausgefüllt wurde. Auf Unterschiede in den Vollzugsanstalten für männliche und für weibliche Strafgefangene wird hingewiesen.
Opfer von Straftaten bilden eine heterogene Gruppe. Viele leiden unter lang anhaltenden Folgen in Form von psychischen und physischen Beeinträchtigungen. Es gilt diese mithilfe von passenden Hilfs- und Unterstützungsangeboten zu reduzieren. In diesem Kontext ist eine Datenbank (www.odabs.org) für von Sexualdelikten und Gewaltdelikten betroffene Menschen, in der die Kontaktdaten und die vorhandenen Leistungen aller bundesweiten Einrichtungen gelistet sind, erstellt worden. Sie ist anonym, frei zugänglich, kostenlos und ermöglicht eine schnelle Übersicht über die zahlreichen Beratungsangebote nach individuellem Bedarf. Die Website entstand aus einer Bestandsaufnahme der Kriminologischen Zentralstelle zu Hilfeangeboten für Opfer von Straftaten in Deutschland ("Atlas der Opferhilfen"). Die Datenbank soll Betroffene von Straftaten darin unterstützen, mit ihrer Situation umzugehen.
Berichtet wird über die im Oktober 2017 von der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) veranstaltete Fachtagung "Medien - Kriminalität - Kriminalpolitik", die sich den Wechselbeziehungen zwischen (Straf-)Justiz und Medien sowie der medialen Darstellung von Kriminalität und deren Einfluss auf Personen und/oder gesellschaftliche Diskurse und Kriminalpolitik widmete. Im Überblick wird der Gang der Tagung wiedergegeben, deren Referentinnen und Referenten die Bereiche Journalistik, Medienforschung, Strafjustiz und Polizei repräsentieren. Die Beiträge der Fachtagung sind in Band 73 der KrimZ-eigenen Schriftenreihe "Kriminologie und Praxis (KUP)" veröffentlicht.
Untersucht wurden Fälle des einfachen Diebstahls und Betrugs, die 2013 von der Amts- und Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main erledigt worden sind (n = 3110 Tatverdächtige). 73 % gehören zur Kategorie des Ladendiebstahls, wovon 70 % auf männliche und 30 % auf weibliche Personen entfallen. Etwa drei Viertel der Tatverdächtigen haben entweder keine deutsche Staatsangehörigkeit oder sind im Ausland geboren. Mitgeteilt werden u.a. Daten zum verursachten Schaden und den justiziellen Reaktionen. Nur 3 % der Anzeigen hatten strafrechtliche Folgen. In einem rechtspolitischen Fazit wird dafür plädiert, dem vernachlässigten Aspekt der Schadenswiedergutmachung wieder mehr Gewicht zu verleihen.
Eigentums- und Vermögensdelikte : ein Beispiel aus der kriminologischen Geschlechterforschung
(2017)
Es wird eine Studie vorgestellt, in der 2.053 Strafverfahren zu einfachen Eigentums- und Vermögensdelikten, die 2013 von der Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main bearbeitet worden sind, hinsichtlich der Anlassdelikte und Geschlechtsunterschiedene der tatverdächtigen Personen analysiert werden. Ausgeschlossen wurden Jugendstrafverfahren sowie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht besondere Verfahren. Erhoben wurden personenbezogene Daten der Tatverdächtigen (u. a. Vorstrafen, soziodemografische Daten) sowie Daten zu Anlasstaten, Ermittlungsverläufen und verfahrensabschließenden Entscheidungen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Verfahren hinsichtlich der Anlasstat (Betrugsdelikt vs. Diebstahlsdelikt) unterscheiden. Zudem werden bei den Tatverdächtigen Geschlechtsunterschiede festgestellt: Diese sind überwiegend männlich und verursachen eine höhere Schadenshöhe. Sowohl weibliche als auch männliche Tatverdächtige sind häufig finanziell bedürftig und zu großen Teilen erwerbslos. Bei der Fallbearbeitung zeigt sich, dass weibliche Tatverdächtige eher kooperieren und höhere Geldstrafen (in Bezug auf die verursachte Schadenssumme) akzeptieren.
Nach einem Überblick über die Entwicklung von Gewalt gegen Bedienstete der Polizei, des Rettungswesens und gegen Hilfeleistende der Feuerwehr anhand von Hellfelddaten der Polizeilichen Kriminalstatistik wird der Stand der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Gewalt gegen Rettungskräfte in Deutschland untersucht. Die Befunde aus den vorgestellten empirischen Studien werden hinsichtlich folgender Merkmale dargestellt: (1) Art und Umfang der Gewalt, (2) Situative Merkmale der Angriffssituation, (3) Merkmale der angreifenden Personen, (4) Merkmale der von Gewalt Betroffenen und Folgen des Angriffs, (5) Meldehäufigkeit und Dunkelzifferrelation, (6) Vorbereitung auf Konfliktsituationen und Nachbereitung von Gewalterfahrungen. Im Anschluss werden diskutierte Handlungsempfehlungen und Präventionsansätze dargestellt. Die Sekundäranalyse zeigt Forschungsdesiderata auf, die im Einzelnen benannt werden.
Die Etablierung des Internets als sozialer Raum stellt die größte Umwälzung menschlicher Kommunikations- und Interaktionsformen der letzten Jahrzehnte dar. Bekannte Delinquenzformen wurden an die digitale Welt angepasst, entstanden sind aber auch neue, strafrechtlich relevante Äußerungsformen in der digitalen Kommunikation. Im Überblick werden kriminologische und forensische Erkenntnisse aus dem deutschsprachigen Raum zu Formen der Cyberkriminalität dargestellt, die im Kontext von Partnerschaft, Sexualität und Peerbeziehungen auftreten: Neben dem Cyberstalking und Cybergrooming wird auf Cyberbullying (oder -mobbing) sowie das (Love- oder Romance‑)Scamming eingegangen und es werden zentrale Forschungsergebnisse referiert. Die Darstellung dieser cyberkriminellen Ausdrucksformen verdeutlicht den stetigen Zuwachs an Bedeutung, den dieser Delinquenzbereich in den letzten Jahren verzeichnet, und unterstreicht gleichzeitig die Notwendigkeit einer spezifischen Cyberkriminologie dieser und anderer digitalen Delinquenzformen.