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Islamistische Radikalisierung erkennen und vermeiden : Präventionsmöglichkeiten im Justizvollzug
(2021)
Das von 2018 bis 2020 an der Kriminologischen Zentralstelle durchgeführte Projekt "Islamistische Radikalisierung erkennen und vermeiden - Prävention im Justizvollzug" und das daraus resultierende "Praxishandbuch Extremismus und Justizvollzug - Islamistischer Radikalisierung begegnen" werden vorgestellt. Das Praxishandbuch unterstützt die Mitarbeitenden des Allgemeinen Vollzugsdienstes darin, im Rahmen der Ressourcen der eigenen Justizvollzugsanstalt einen speziell auf den Einzelfall ausgerichteten individuellen Handlungsplan zur deradikalisierenden Intervention zu erstellen. Das Vorgehen erstreckt sich über vier Schritte: (1) Konkretisierung des Anfangsverdachts, (2) Bildung eines Interventionsteams und Durchführung einer Bestands- und Bedarfsanalyse der Anstalt, (3) Auswahl von Deradikalisierungsmaßnahmen, (4) Berücksichtigung von Qualitätsmerkmalen. Deradikalisierungsmaßnahmen können dabei bei den Inhaftierten (Mikroebene), bei den Bediensteten (Mesoebene) und auf Anstaltsebene (Makroebene) ansetzen. Auf Mikroebene nehmen neben Einzelmaßnahmen vor allem ein strukturierter Vollzugsalltag mit ausreichender Freizeitgestaltung sowie die originäre Resozialisierungsarbeit eine wichtige Rolle ein. Auf Mesoebene rücken insbesondere die Wissensvermittlung, das Kompetenztraining und die Anerkennung der geleisteten Arbeit in den Fokus und auf Makroebene ein positives Anstaltsklima. Abschließend wird konstatiert, dass der multifaktoriell bedingte Phänomenbereich Extremismus einen komplexen Präventionsansatz erfordert.
Theorien und Erklärungsmodelle von Radikalisierungsprozessen im Kontext des Rechtsextremismus
(2021)
Es werden Theorien und Erklärungsmodelle von Radikalisierungsprozessen im Bereich des Rechtsextremismus vorgestellt. Die rechtsextremistische Ideologie wird dabei in drei thematische Schwerpunkte differenziert: (1) Kulturnationalismus, (2) Ethnonationalismus, (3) rassistischer Nationalismus. Der Radikalisierungsprozess stellt ein komplexes und multimodal bedingtes Phänomen dar, welches sowohl die Verstärkung bereits vorhandener Einstellungen als auch die steigende Bereitschaft für extreme Verhaltensweisen umfasst. Auslösende Faktoren für die An- bzw. Übernahme von rechtsextremistischen Einstellungen stellen das soziale Umfeld, empfundene oder erlebte Ungerechtigkeit und Unsicherheit, spezielle (Lebens-)Ereignisse und kognitive Geschlossenheit in einer ideologischen Gruppe dar. Zudem werden Faktoren, die eine Einstellungsradikalisierung begünstigen (z. B. Diskriminierungserfahrungen, mobilisierendes soziales Netzwerk) und Faktoren, die eine Verhaltensradikalisierung fördern (z. B. Verlust eines geliebten Menschen, Gruppenkonflikte, Idealisierung des Märtyrertums), vorgestellt. Es wird empfohlen, Radikalisierungsprozesse hinsichtlich ihrer jeweiligen Bezugsideologie zu differenzieren, um konkretere Erkenntnisse für zukünftige Forschungsarbeiten, aber auch für die Konzeption von Präventionsprogrammen und der Verbesserung des sicherheitsbehördlichen Bedrohungsmanagements zu generieren.
Die Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafen : Dauer und Gründe der Beendigung im Jahr 2020
(2021)
In der seit über fünfzehn Jahren laufenden Erhebungsreihe der KrimZ zur Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe setzt das Berichtsjahr 2020 die Folge der Jahre fort, in denen vergleichsweise viele Vollzugsaufenthalte beendet und Gefangene aufgrund einer nachträglichen Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung entlassen wurden. Bei den Entlassenen handelt es sich häufig um Personen, die den Strafvollzug nach besonders langen Verbüßungszeiten in entsprechend höherem Lebensalter verlassen haben.
Von den 119 Personen, deren lebenslange Freiheitsstrafe im Jahr 2020 beendet wurde, wurden 68 nach Aussetzung des Strafrestes gem. § 57a StGB in Freiheit entlassen. Die Hälfte dieser Entlassenen hatte mehr als 17,9 Jahre im Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe verbracht. 17 Gefangene wurden ins Ausland ausgeliefert, ausgewiesen oder zur Vollstreckung der Strafe überstellt. 26 Personen verstarben während der Strafverbüßung.
Migration und Kriminalität
(2021)
Im Rahmen eines zweijährigen Projektes wurde eine Betreuungsstruktur der hessischen Bewährungshilfe evaluiert. Das Sicherheitsmanagement (SIMA) II betreut wegen Gewaltdelikten verurteilte Personen mit erhöhtem Rückfallrisiko sowie Führungsaufsichtsprobanden/-innen mit negativer Sozialprognose. Die Betreuungsintensität der Probanden/-innen des SIMA II wird auf Basis initialer Risikoeinschätzungen bestimmt. Mit dieser Priorisierung orientiert sich der Fachbereich am international führenden Rehabilitationsmodell im Bereich der Behandlung straffälliger Personen – dem Risk-Need-Responsivity (RNR)-Modell. Ziel des Projektes war es, die Qualität der Risikoeinschätzungen (Projektteil 1) und die rückfallpräventive Wirksamkeit der risikoorientierten Betreuung (Projektteil 2) zu überprüfen. Darüber hinaus sollten anhand von Interviews die Perspektive der Bewährungshelfer/-innen des SIMA II und ggf. Optimierungspotentiale untersucht werden (Projektteil 3). Im Ergebnis erweisen sich beide im Fachbereich eingesetzten Risikoeinschätzungsinstrumente als reliabel und valide, lassen jedoch gleichzeitig Raum für Optimierung. Analysen von Auszügen aus dem Bundeszentralregister zeigen eine Reduktion allgemeiner sowie einschlägiger Rückfälligkeit der SIMA II-Klientel im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die vor Einführung des neuen Fachbereichs in der hessischen Bewährungshilfe betreut worden war. Auch die befragten Mitarbeiter/-innen des SIMA II beurteilen die spezialisierte, risikoorientierte und wissenschaftliche Ausrichtung des SIMA II mehrheitlich positiv, weisen jedoch gleichzeitig auf Verbesserungsmöglichkeiten hin. Insgesamt sprechen die Ergebnisse der Evaluation für die kriminalpräventive Wirksamkeit der Betreuung im SIMA II sowie für den Nutzen des Risikoprinzips im Kontext von Bewährungshilfe.
Die vorliegende Studie, die gemeinsam vom Arbeitskreis für Sozialtherapeutische Einrichtungen e. V. und der Kriminologischen Zentralstelle initiiert und ausgewertet wurde, erfasst Veränderungen und Konsequenzen in den sozialtherapeutischen Einrichtungen, die sich aus der Corona-Pandemie ergeben haben. Mithilfe eines Fragebogens werden Daten von 40 sozialtherapeutischen Einrichtungen aus 13 Bundesländern zum Stichtag 08.05.2020 erhoben. Erfasst werden folgende Daten und Arbeitsbereiche: (1) Corona-Fälle, (2) Bestehen einer Maskenpflicht, (3) Einschränkungen in Therapie und Tagesgeschäft, (4) Innovationen, (5) strukturelle Veränderungen, (6) Beziehung zwischen Inhaftierten und Behandlungsteams und (7) Gesamteinschätzung. Insgesamt geben die Befragten eine moderate bis sehr starke Veränderung durch die Corona-Situation an, beispielsweise mussten Arbeits- und Wohngruppen umorganisiert werden, Gruppentherapien wurden ganz oder teilweise eingestellt, Kontaktsportarten wurden verboten, vollzugsöffnende Maßnahmen und Besuche ausgesetzt. Teilweise erhielten die Inhaftierten die Möglichkeit, Kontakt zu Bezugspersonen außerhalb der Einrichtung per Telefon und Skype aufrecht zu halten. In einigen Einrichtungen wurden die Sozialtherapeutischen Einrichtungen ganz oder teilweise geschlossen, da die Räumlichkeiten für Quarantäne-Abteilungen benötigt wurden bzw. das Personal anderweitig eingesetzt wurde. Durch Kohortenbildung sowohl beim Personal als auch bei den Inhaftierten wurde der fachliche Austausch bzw. die Kommunikation stark eingeschränkt. Empfohlen wird eine zweite Erhebung, um nachhaltige Veränderungen und Bewältigungsstrategien zu erfassen.
Im 25. Jahr der Erhebungsreihe zur Situation in den sozialtherapeutischen Einrichtungen zeigt sich eine weitere Stabilisierung der strukturellen Gegebenheiten. In diesem Berichtsjahr wurden zwei sozialtherapeutische Einrichtungen zusammengelegt, so dass nun wieder 71 Einrichtungen vorhanden sind, die geringfügig weniger Haftplätze zur Verfügung stellen konnten als im Vorjahr. Dennoch wird weiterhin die Tendenz einer Versorgungssättigung gesehen, obwohl die Zahl der Gefangenen in sozialtherapeutischen Einrichtungen geringfügig sank. Folglich lässt sich auch eine sinkende Belegungsquote beobachten, ein Trend, der sich seit einigen Jahren fortsetzt. Auch in diesem Jahr wuchs der Anteil der Gefangenen, die älter als 50 Jahre alt sind, wobei der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden leicht abgesunken war. Sexualstraftäter stellten wieder knapp die Hälfte der Inhaftierten in der Sozialtherapie. Zum ersten Mal stellten die Sonstigen Delikte einen leicht größeren Anteil als die Eigentums- und Vermögensdelikte. Der Anteil der Gefangenen, die keine Zulassung zu vollzugsöffnenden Maßnahmen innehatten oder höchstens zu Ausführungen zugelassen waren, betrug in diesem Jahr etwas mehr als 81%, was einem neuen Höchststand entspricht. Die Fachdienstausstattung blieb auf gleichbleibend günstigem Niveau mit lediglich 5,6 Haftplätzen auf einer Fachdienststelle. Weitere Ergebnisse und Entwicklungen werden im Bericht dargestellt.
Die Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafen : Dauer und Gründe der Beendigung im Jahr 2019
(2021)
In der seit über fünfzehn Jahren laufenden Erhebungsreihe der KrimZ zur Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe setzt das Berichtsjahr 2019 die Folge der Jahre fort, in denen vergleichsweise viele Vollzugsaufenthalte beendet und Gefangene aufgrund einer nachträglichen Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung entlassen wurden. Bei den Entlassenen handelt es sich häufig um Personen, die den Strafvollzug nach besonders langen Verbüßungszeiten in entsprechend höherem Lebensalter verlassen haben.
Von den 118 Personen, deren lebenslange Freiheitsstrafe im Jahr 2019 beendet wurde, wurden 78 nach Aussetzung des Strafrestes gem. § 57a StGB in Freiheit entlassen bzw. begnadigt. Die Hälfte dieser Entlassenen hatte mehr als 16,6 Jahre im Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe verbracht. 24 Gefangene wurden ins Ausland ausgeliefert, ausgewiesen oder zur Vollstreckung der Strafe überstellt. 12 Personen verstarben während der Strafverbüßung.
Das Durchschnittsalter der in der Sicherungsverwahrung untergebrachten Personen steigt aufgrund der allgemeinen demographischen Entwicklung sowie der restriktiven Entlassungspraxis kontinuierlich an. In der von der Kriminologischen Zentralstelle durchgeführten Stichtagserhebung "Vollzug der Sicherungsverwahrung und der vorgelagerten Freiheits- und Jugendstrafe" von 2019 wurden N = 511 Sicherungsverwahrte mit einem Durchschnittsalter von 54,6 Jahren erfasst, das Alter der Gefangenen mit vorbehaltener oder angeordneter Sicherungsverwahrung (N = 454) lag bei 49,0 Jahren. Die Vollzugsanstalten und insbesondere das Anstaltspersonal werden dadurch mit unterschiedlichen altersbedingten Einschränkungen der älteren Klientel (z. B. physische und kognitive Funktionseinschränkungen, chronische Krankheiten) konfrontiert, die zum einen bauliche (Umbau-)Maßnahmen erfordern und zum anderen personelle Qualifikationen. Abschließend werden die Vor- und Nachteile einer separierten bzw. einer integrativen Unterbringung diskutiert und Verlegungs- bzw. Entlassungsmöglichkeiten für lebensältere Untergebrachte erörtert. Empfohlen wird die wissenschaftliche Erforschung der bereits bestehenden spezifischen Maßnahmen und Unterstützungsangebote für ältere Strafgefangene und Sicherungsverwahrte in den föderal organisierten Justizvollzugsanstalten.
Migration und Kriminalität
(2021)
Die Beiträge des in zweiter, korrigierter Auflage erschienenen Sammelbandes, die überwiegend auf eine Tagung der KrimZ im Herbst 2019 zurückgehen, nehmen vielfältige öffentliche Diskussionen zum Anlass einer näheren Auseinandersetzung mit dem kriminologischen Dauerthema „Migration und Kriminalität“. Der erste Teil beginnt mit einem Überblicksbeitrag von Hacı-Halil Uslucan (Essen), der die Gewaltbelastungen von Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte und Möglichkeiten der Prävention in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Kaan Atanisev, Rita Haverkamp und Fynn Kunkel (Tübingen) berichten aus einer aktuellen empirischen Untersuchung über Migration und Sicherheit in der Stadt, genauer: in ausgewählten Quartieren deutscher Großstädte. Christian Walburg (Münster) resümiert Forschungsbefunde über Zusammenhänge zwischen Migration, Integration und Kriminalität. Winnie Plha und Rebecca Friedmann (Berlin) schreiben über psychosoziale Aspekte von Radikalität und Extremismus, also von Phänomenen, die keineswegs zwingend mit Migration in Verbindung stehen müssen. Im zweiten Teil beschreiben Michael Kubink und Carolin Springub (Köln) den Strafvollzug am Beispiel von Nordrhein-Westfalen als „Integrationseinrichtung“. Christian Eifert (Gießen) bietet einige Einblicke in eine Untersuchung über Zuwanderer in den hessischen Anstalten des Jugendstrafvollzugs. Schließlich zeigt Marita Henderson (Haina) anhand der Praxis einer Klinik des psychiatrischen Maßregelvollzugs, welche Besonderheiten bei Therapie und Entlassung zu beachten sind, wenn Patientinnen und Patienten nicht deutsche Staatsangehörige sind.