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Die Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafen : Dauer und Gründe der Beendigung im Jahr 2014
(2016)
In der seit über zehn Jahren laufenden Erhebungsreihe der KrimZ zur Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe setzt das Berichtsjahr 2014 die Folge der Jahre fort, in denen besonders viele Vollzugsaufenthalte beendet und Gefangene aufgrund einer nachträglichen Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung entlassen wurden. Bei den Entlassenen handelte es sich häufig um Personen, die den Strafvollzug nach besonders langen Verbüßungszeiten in entsprechend höherem Lebensalter verließen.
Der 2013 in Kraft getretene § 16a JGG ermöglicht die Verhängung von Jugendarrest bei Jugendlichen und bei Heranwachsenden, auf die nach § 105 JGG Jugendstrafrecht angewendet wird, in Kombination mit verschiedenen Varianten der Bewährungsstrafe. Zentrales Anliegen der von Beginn 2014 bis Mai 2016 durchgeführten Studie war es, zu untersuchen, wie das neue Sanktionsinstrument von den Gerichten angewendet wird (Analyse der verfügbaren amtlichen Daten und Analyse von Jugendstrafakten aus 27 zufällig ausgewählten Landgerichtsbezirken aus zwölf Bundesländern). Weiter wurde die Einstellung von Praktikern (Jugendrichter, Jugendstaatsanwälte, Bewährungshelfer, Arrestvollzugsleiter und Jugendgerichtshelfer) zur Anwendung und Praxis des § 16a-Arrestes mittels schriftlicher Befragung erfasst. Ehemalige Arrestanten wurden zu ihrem eigenen Erleben des Arrestvollzugs befragt. Anhand von Auskünften aus dem Bundeszentralregister wurde die Rückfallwahrscheinlichkeit bei den verschiedenen Gruppen von Bewährungsprobanden erhoben. Aus den Ergebnissen werden u.a. folgende Befunde abgeleitet: Der Arrest nach § 16a JGG wird insgesamt eher zurückhaltend, dabei regional sehr unterschiedlich genutzt; der Arrest nach § 16a JGG wird dort intensiv genutzt, wo der Einsatz freiheitsentziehender Sanktionen insgesamt hoch ist; zu einem § 16a-Arrest Verurteilte unterscheiden sich kaum von den ausschließlich zu einer Jugendstrafe mit Bewährung Verurteilten; der Aspekt der Unrechtsverdeutlichung als Zwecksetzung für den Arrest nach § 16a JGG spielt in der Praxis der Entscheidungen und in der Wahrnehmung der Befragten eine nicht unwesentliche Rolle. Für den untersuchten Zeitraum zeigt die Verhängung eines § 16a-Arrestes zusätzlich zu einer Jugendstrafe mit Bewährung keine Auswirkungen auf Ausmaß, Geschwindigkeit, Häufigkeit oder Schwere des Rückfalls.
Suizidalität und Suizidgefahr bei Inhaftierung werden seit Anfang 2011 in der Jugendstrafanstalt Regis-Breitlingen im Rahmen der Zugangsdiagnostik über einen "Fragebogen zur Beurteilung der Suizidgefahr" (FBS) erfasst. Ausgewertet wurden n=1188 Testbögen von Jugendstrafgefangenen, die zwischen dem 01.01.2011 und 31.3.2016 in die Jugendstrafanstalt gekommen sind. Im Ergebnis zeigen die meisten Jugendstrafgefangenen keine erhöhte Suizidalität. Bei mehr als jedem zwanzigsten jedoch wurde eine starke oder besonders starke Suizidalität getestet. Als Risikofaktoren für erhöhte FBS-Werte konnten niedriger Selbstwert, Suchtproblematik, mangelnde soziale Beziehungen und psychische Beeinträchtigung identifiziert werden. Im (Jugend-)Strafvollzug werden Kennzeichnungen und standardisierte Hinweise verwendet, wenn auf bestimmte (Jugend-)Strafgefangene im Vollzug besonders geachtet werden soll. So bezeichnet die Kennzeichnung "GM" das Vorhandensein von Risikofaktoren, "S" kennzeichnet eine bestehende akute Suizidgefahr. Untersucht wurden Kennzeichnungen und Hinweise zu denjenigen Jugendstrafgefangen, die am 6.6.2016 inhaftiert waren oder die Jugendstrafanstalt zwischen dem 6.6.2014 und dem 6.6.2016 verlassen haben (n=599). Während "GM"-Kennzeichnungen mit erhöhten FBS-Werten aus der Zugangstestung korrelierten, zeigen Jugendstrafgefangene, die im Laufe ihrer Haft akute Suizidalität entwickeln, im FBS kaum erhöhte und keine starken Suizidalitätswerte. Akute Suizidalität in Haft kann daher durch FBS-Testung nicht vorhergesagt werden. Die Ergebnisse der FBS-Testung weisen jedoch auf Auffälligkeiten der jugendlichen Strafgefangen hin und können als Grundlage für Gesprächsangebote sowie für niederschwelligere Präventionsmaßnahmen genommen werden.
Literatur- und Forschungsdokumentation in der
Kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden (KrimZ) seit der Gründung der
KrimZ vor 30 Jahren werden beschrieben. In Zusammenarbeit mit dem
juristischen Fachinformationssystem JURIS wurde die Kriminologische
Literaturdatenbank (KrimLit) entwickelt, in welcher die in Kooperation
erschlossenen Daten seit Anfang 2016 über die Webseite der KrimZ frei
verfügbar sind. Sie enthält neben dem Bücherbestand der Bibliothek
durch Abstracts erschlossene Aufsatznachweise aus Fachzeitschriften.
Die Richtlinien für die Aufsatzdokumentation werden beschrieben.
Veranschaulicht durch Abbildungen wird eine Anleitung zur Recherche in
KrimLit mittels Schlagwörtern gegeben.
Anhand einer Online-Befragung wurde die Prävalenz sexueller und physischer Viktimisierung in der Studienzeit differenziert nach den Kategorien feste Beziehung, Date und One-Night-Stand an einer Stichprobe 167 männlicher und weiblicher Studierender der Universität Mainz (Befragungszeitraum: Juli 2014). Die Gewalterfahrungen wurden in zwei Schweregraden erfasst. Von den Befragten berichteten 41,1 % minderschwere und 8,9 % schwere Gewalterfahrungen. Während die Prävalenz sexueller Viktimisierung für Studentinnen signifikant höher war, gab für beide Schweregrade ein höherer Prozentsatz männlicher Teilnehmer an, körperliche Gewalt erfahren zu haben. Minderschwere Gewalterfahrungen kamen generell am häufigsten in festen Beziehungen, schwere sexuelle Gewalterfahrungen am häufigsten bei Dates vor. Der Zusammenhang zwischen Viktimisierungserfahrungen in verschiedenen Beziehungstypen war moderat bis hoch. Am stärksten war die Assoziation sexueller Viktimisierung zwischen Dates und One-Night-Stands. Obwohl durch den geringen Stichprobenumfang nur bedingt von generalisierbaren Ergebnissen ausgegangen werden kann, ähneln die Prävalenzen denen anderer Studien. Die Ergebnisse legen demnach u. a. nahe, Dates als Risikosituationen sexueller Viktimisierung zu untersuchen.
Berichtet wird über die erste Kreuzvalidierung des "Ontario Domestic Assault Risk Assessment" (ODARA) in Deutschland. Als Datenbasis dienen Akten der Staatsanwaltschaft Landau zu den 2009 registrierten Fällen, in denen Beschuldigte aufgrund eines häuslichen Gewaltdelikts gegenüber dem Partner bzw. der Partnerin polizeilich in Erscheinung getreten sind (n = 283). Die Prognoseleistung des ODARA wurde über einen Nachbeobachtungszeitraum von fünf Jahren (bis 2014) überprüft. Je nach Subgruppe, Rückfallkriterium und Instrumentenversion erzielt der ODARA eine Vorhersageleistung, die sich nicht signifikant von einer Zufallsprognose unterscheidet, bis hin zu als moderat einzustufenden Effektstärken. Weitere Analysen zeigen, dass nur wenige Items tatsächlich mit häuslicher Gewaltrückfälligkeit zusammenhängen, woraus mögliche Verbesserungen des Instruments abgeleitet werden.
Spektakuläre Einzelfälle zu Unrecht Verurteilter sorgten in den vergangenen Jahren für großes Aufsehen. Hinter diesen oft tragischen Einzelfällen steht die Problematik des Justizirrtums bzw. von Fehlurteilen. Untersucht wird, wie der Staat mit diesen justiziellen Fehlentscheidungen umgeht. Nach einem Überblick über Begrifflichkeiten und empirische Anhaltspunkte zu diesem Phänomen werden mögliche Gründe für Fehlurteile und das dahinter stehende strafprozessuale System dargestellt. Auf die Folgen einer ungerechtfertigten und mit Freiheitsentzug verbundenen Verurteilung für die Betroffenen wird hingewiesen. Auch wenn finanzielle Entschädigungen nach dem StrEG vorgesehen sind, so sind diese doch nach hier vertretener Ansicht angesichts der Höhe des materiellen und immateriellen Schadens nicht ausreichend. Auf positive Ansätze in anderen Ländern hinsichtlich psychologischer Unterstützung und Eingliederungshilfen für zu Unrecht Verurteilter wird hingewiesen.
Bei der Erstellung von kriminalprognostischen Einschätzungen steht den Sachverständigen heute eine Vielzahl erfahrungswissenschaftlich fundierter Methoden zur Verfügung. In der Praxis ist ein Vorgehen mithilfe von Erfahrung und Intuition nach wie vor weit verbreitet, obwohl diese Vorgehensweise eine vergleichsweise schlechte Vorhersagegenauigkeit aufweist. Der Rückschaufehler als mitverantwortlicher Mechanismus für diese "Kompetenzillusion" wird dargestellt. Es wird ein Überblick über potenzielle Fehlerquellen und Verzerrungsmechanismen im kriminalprognostischen Begutachtungsprozess gegeben, die Grenzen und Defizite der menschlichen Urteilsbildung bestimmen. Auf wirksame Lösungsansätze zur Verbesserung der Begutachtungspraxis wird hingewiesen.
Es wird ein Gutachten des Kriminologen Rudolf Egg vorgestellt, welches für den parlamentarischen Untersuchungsausschuss IV des Landtags Nordrhein-Westfalens im Hinblick auf die Geschehnisse in der Kölner Silvesternacht 2015/2016 erstattet wurde. Ziel des Gutachtens ist es, insbesondere die damals verübten Straftaten zu typisieren sowie einer allfälligen Organisationsstruktur der Täter nachzugehen. Hierfür wurden 1022 anonymisierte Strafanzeigen ausgewertet. Im Rahmen der Analyse der Strafanzeigen kommen nicht nur die verübten Delikte und deren statistische Verteilung zur Sprache, sondern unter anderem auch Ort sowie Zeit der Tatbegehung. Es wird gezeigt, dass die Opfer nur wenig zu einer hinreichenden Täterbeschreibung beitragen konnten. Vereinzelt wurden in den Strafanzeigen die Tätigkeit der Polizei sowie die Anzahl der anwesenden Beamten bzw. Beamtinnen thematisiert. Eine Absprache zur Tatbegehung unter allen Tätern wird allein schon ob ihrer Vielzahl als kaum wahrscheinlich eingeschätzt. Es wird vermutet, dass die massive Begehung von Eigentums- sowie Sexualdelikten in dem Gefühl der Täter, sie könnten in der Menschenmasse anonym agieren und man befinde sich in einem rechtsfreien Raum, ihre Grundlage hatte. Es wird darauf hingewiesen, dass für eine hinreichende Betrachtung der Vorfälle die Auswertung weiterer Datenquellen erforderlich ist, vor allem um darauf basierend präventive Maßnahmen zu ergreifen.