Deutsches Jugendinstitut (DJI)
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Es wird konstatiert, dass aufgrund medialer
Berichterstattungen zu gravierenden Einzelfällen das Phänomen
Kinderdelinquenz wiederkehrend im gesellschaftlichen und politischen
Fokus steht. In Ermangelung aktueller Erkenntnisse aus
Dunkelfeldstudien werden Daten der polizeilichen Kriminalstatistik
(PKS) vorgestellt. Es wird argumentiert, dass delinquentes Verhalten
bei Kindern unter 14 Jahren deutlich seltener vorkommt als bei
Jugendlichen und Heranwachsenden. Weiterhin wird retrospektiv die
Prävalenz bestimmter Straftatengruppen diskutiert. Es wird konstatiert,
dass es sich beim überwiegenden Teil von Kinderdelinquenz um sogenannte
Bagatelldelikte (insbesondere Ladendiebstahl und Sachbeschädigung)
handelt. Gewaltdelikte werden überwiegend in derselben Alters- und
Geschlechtsgruppe registriert, wobei Tötungsdelikte Einzelfälle
darstellen. Eine Herabsetzung der Strafmündigkeitsgrenze ist nach
hiesiger Auffassung abzulehnen, da Interventionen im pädagogischen
Setting auf Grundlage von Beziehung und Erziehung eine höhere Wirkung
erzielen. Es wird geschlussfolgert, dass infolge der ubiquitären und
episodenhaften Prävalenz von Kinder- und Jugenddelinquenz kein
besonderer Hilfebedarf besteht, wobei die Prävention eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe, unter Einbezug von Familie, Schule und
Freizeitangeboten darstellt.
Positionen zur Präventionsorientierung in der Jugendarbeit
werden vorgestellt. Jugendarbeit soll junge Menschen in ihrer
persönlichen Entwicklung und ihrer Selbstorganisation mithilfe von
Bildungs- und Erholungsangeboten fördern. Aufgrund gesellschaftlicher
Forderungen an die Jugendarbeit steht diese nach hier vertretener
Ansicht in dem Spannungsverhältnis, (Gewalt)prävention zu leisten und
gleichzeitig die individuellen Bedürfnisse der Jugendlichen zu
erfüllen. Hingewiesen wird auf unerwünschte Zuschreibungsprozesse, die
mit einer als "entgrenzt" bezeichneten Prävention erzeugt werden. Z. B.
könnten Jugendliche, die an einem gewaltpräventiven Programm
teilnehmen, pauschal als gefährdet oder gefährdend wahrgenommen werden.
Weiterhin werden Präventionsangebote als häufig unpräzise hinsichtlich
ihrer Zielsetzungen und Wirkungen beschrieben. Gefordert wird eine
ressourcenorientierte Arbeit mit Jugendlichen sowie eine begrifflich-
praktische Differenzierung zwischen Jugendarbeit und Prävention.
Im Jahr 2020 wurde von der Fachgruppe "Angebote und Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe" im Deutschen Jugendinstitut mittels sieben leitfadengestützten Telefoninterviews mit Fachkräften sowie weiteren informellen Gesprächen und Berichten aus der Fachpraxis Einschätzungen und Erfahrungen zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Jugendhilfe im Strafverfahren bzw. Jugendgerichtshilfe (JuHiS/JGH) erhoben. Die Erhebung unterscheidet drei zeitliche Phasen: Phase 1: Mitte März bis ca. Mitte oder Ende April 2020, Phase 2: ca. Ende April bis ca. Ende Mai 2020, Phase 3: ca. Ende Mai oder Anfang Juni 2020 bis Dezember 2020. Je nach Zeitpunkt und Lage im pandemischen Geschehen variieren die Ergebnisse. Thematische Schwerpunkte der Erhebung sind: (1) Einschätzungen zu veränderten Gelegenheitsstrukturen und verändertem Fallaufkommen, (2) Beeinträchtigungen im Kontakt der JuHiS/JGH zu ihren Adressatinnen und Adressaten und ggf. ihren Eltern, (3) Beeinträchtigungen bei der Aufgabe der gesetzlich vorgesehenen frühzeitigen Prüfung eines Jugendhilfebedarfs, (4) Beeinträchtigungen im Kontext von ambulanten sozialpädagogischen Angeboten, (5) Beeinträchtigungen im Kontext des Freiheitsentzugs, (6) Beeinträchtigungen des Kontakts mit Kooperationspartnern, (7) Auswirkungen auf die Situation junger Menschen im Jugendstrafverfahren. Der Situationsbericht beschreibt eine JuHiS/JGH zwischen Krisenbewältigung und neuen Wegen und stellt exemplarisch einige Folgerungen aus den Erfahrungen der JuHiS/JGH während der Pandemie vor.
Anknüpfend an einen Vortrag der Autorinnen beim 23. Deutschen Präventionstag 2018 in Dresden werden Ergebnisse einer qualitativen Sekundäranalyse zu selbstberichteten Viktimisierungserfahrungen jugendlicher Gewaltstraftäter referiert. Datengrundlage bilden n = 55 im Rahmen zweier Projekte an der Arbeitsstelle für Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention des Deutschen Jugendinstituts e.V. geführte Interviews mit gewaltdelinquenten Jugendlichen. Durch Interviewpassagen illustriert, werden berichtete direkte und indirekte Gewalterfahrungen, familiäre Vernachlässigungen und Verluste der Jugendlichen beschrieben und die verschiedenen Konstellationen auf eine spätere Täter-Opfer-Umkehr bezogen. Um den häufig komplexen Problemlagen jugendlicher Gewaltstraftäter gerecht zu werden und mögliche Unterstützungsbedarfe zu erkennen, ist nach hier vertretener Ansicht in der kriminalpräventiven Jugendarbeit eine Sensibilisierung für Viktimisierungen erforderlich.
Es werden Teilergebnisse des Forschungsprojekts "Jugend(hilfe) im Strafverfahren - neue Gesetzeslage, veränderte Aufgaben und die Perspektive der jungen Menschen" vorgestellt. Eingangs wird dargelegt, dass die aufgrund der Richtlinie (EU) 2016/800 ab 2019 erfolgten Neuregelungen im Jugendgerichtsgesetz (JGG) das Ziel haben, jungen Menschen im Jugendstrafverfahren das Verstehen der institutionellen Prozesse zu ermöglichen sowie zu gewährleisten, dass junge Menschen durch die Fachkräfte verstanden werden. Die Bedeutung beider Komponenten als Voraussetzung für eine erzieherische Wirkung des Jugendstrafverfahrens wird betont. Mittels leitfadengestützter Interviews (N = 24) mit n = 18 männlichen und n = 6 weiblichen Befragten im Alter zwischen 15 und 24 Jahren und zwei Gruppendiskussionen wurden folgende Faktoren ermittelt, die das Verstehen des Strafverfahrens für junge Menschen erschweren: (1) Schwierigkeiten bei der Unterscheidung der Aufgaben von institutionellen Beteiligten, (2) Verwendung von Fachsprache im Verfahren, (3) soziale und kulturelle Zugangsbarrieren, (4) unzureichende Vertrautheit mit den Verfahrensabläufen, (5) Erleiden von hohen psychischen Belastungen im Jugendstrafverfahren und (6) Überforderung infolge der Informationsflut. Abschließend werden Aspekte und Auswirkungen des Nicht-Verstehens für junge Menschen dargestellt und Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Unter anderem wird dafür plädiert, dass institutionelle Beteiligte die Selbst- und Weltdeutungen von jungen Menschen in der Kommunikation mit ihnen berücksichtigen sollten.
Erläutert werden die verfassungs-, sozial- und strafrechtlichen Aspekte der freiheitsentziehenden Unterbringung (FU) in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Hierbei wird zwischen Freiheitsbeschränkungen und Freiheitsentzug abgegrenzt. Die sozialrechtlichen, landesrechtlichen, zivilrechtlichen und jugendstrafrechtlichen Rechtsgrundlagen, die eine FU als Eingriff in die persönliche Freiheit nach Art. 2 II 2 GG rechtfertigen können, werden im Einzelnen beleuchtet und die jeweiligen spezifischen Tatbestandsvoraussetzungen vorgestellt. Sie werden im Hinblick auf ihre verfassungsmäßige Verhältnismäßigkeit, das Verhältnis zum elterlichen Sorgerecht sowie das Subsidiaritätsverhältnis untereinander analysiert. In diesem Zusammenhang wird auch auf wesentliche sozialpädagogische Aspekte eingegangen. Betont wird, dass eine FU ausschließlich zum Wohle des Kindes insbesondere bei einer nicht abwendbaren erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung von Leib und Leben zulässig ist und nur, wenn der Gefahr nicht durch andere öffentliche Hilfen entgegengewirkt werden kann. Abschließend werden Notwendigkeit und mögliche (negative) Auswirkungen eines Freiheitsentzugs bei jungen Menschen diskutiert.
Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Opferhilfe für jugendliche Betroffene von Straftaten in Deutschland und Schweden werden analysiert, um positive Aspekte, Handlungsbedarfe und Empfehlungen für das jeweils andere Land herauszuarbeiten. Bei der Gegenüberstellung von Daten zur Viktimisierung von Kindern und Jugendlichen wird eine ähnliche Prävalenz festgestellt und anhand dessen die Relevanz der spezifischen Opferhilfe betont. Sodann werden die Opferhilfeangebote und Sozialhilfesysteme betrachtet sowie die jeweiligen nationalen Rechtsgrundlagen und die Bedeutung nicht-staatlicher Opferhilfevereine (Victim Support Sweden, Weißer Ring) dargestellt. Die Versorgungslage durch Opferhilfestellen wird untersucht, wobei jeweils regionale Unterschiede und ein Stadt-Land-Gefälle festgestellt werden. Als Besonderheiten des deutschen Opferrechts werden unter anderem der Täter-Opfer-Ausgleich als Mediationsmöglichkeit, die Nebenklage und die Psychosoziale Prozessbegleitung positiv hervorgehoben. Im Falle Schwedens wird die Informierung der Opfer über bestehende Hilfsangebote durch die Polizei als erste Anlaufstelle befürwortet. Abschließend wird die Ausgangslage beider Länder als positiv bewertet, im Detail jedoch Nachbesserungsbedarf konstatiert. Insbesondere wird im Hinblick auf Schweden für eine stärkere Spezialisierung der Angebote plädiert, betreffend Deutschland hingegen für niedrigschwelligen Zugang und umfangreiche Informationen.