Forensische Psychologie, Psychiatrie. Kriminalprognose
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Das Leugnen der Tatvorwürfe bei Sexualstraftätern gilt
vielfach als Behandlungshindernis und als Indikator für ein erhöhtes
Rückfallrisiko. Dieser Zusammenhang wird jedoch zunehmend in Frage gestellt. Die vorgestellte Untersuchung sollte folgende Fragen klären, (1) wie häufig das Leugnen bei verschiedenen Gruppen von Sexualstraftätern ist, (2) ob es Merkmale gibt, die dem Leugnen zeitlich vorhergehen oder mit ihm korrelieren, (3) welche Auswirkungen das Leugnen auf den Vollzugsverlauf hat (Behandlungsteilnahme, prognostische Beurteilung, Vollzugslockerungen, vorzeitige Entlassung) und (4) ob es einen Zusammenhang zwischen der Rückfälligkeit nach der Entlassung mit dem Leugnen der Sexualstraftat gibt. Es wurden die Daten von 1381 Sexualstraftätern analysiert, die zwischen 2004 und 2012 aus dem bayerischen Justizvollzug entlassen worden sind. Im Ergebnis nehmen Leugner selten an Behandlungsmaßnahmen teil, erhalten seltener Vollzugslockerungen und werden seltener vorzeitig entlassen. Der Anteil der Leugner war größer bei Zuwanderern, Verheirateten und älteren Tätern. Von 833 bis Ende 2008 Entlassenen lagen Daten zur Rückfälligkeit vor: Es ergaben sich keinerlei Zusammenhänge zwischen dem Leugnen und verschiedenen Rückfallkriterien. Diskutiert werden die Implikationen dieser Ergebnisse für die Vollzugspraxis, insbesondere der Bedarf an Behandlungsmaßnahmen, die auch für leugnende Täter geeignet sind.
Einführend werden gesetzliche Regelungen und psychologische
Kriterien erläutert, die eine Behandlung in der Sozialtherapie
indizieren. Anschließend wird analysiert, welche Merkmale in der Praxis
tatsächlich entscheidend sind und welche Personengruppe infolgedessen
häufig von der Behandlung auszuschließen ist. Anschließend werden
Ergebnisse der bayerischen Sexualtätererhebung dargestellt, bei der es
sich um eine annähernde Vollerhebung der zwischen 2004 und 2013
entlassenen Sexualstraftäter handelt und bei der zwischen Behandelten
(n = 712) und Unbehandelten (n = 760) differenziert wird. Es zeigt
sich, dass häufiger Gefangene behandelt werden, die die Tat nicht
abstreiten und keinen Migrationshintergrund aufweisen, ferner solche
Täter, die ausschließlich wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurden und
eine Berufsausbildung aufweisen. Gründe für eine Nichtbehandlung sind
zumeist fehlende Motivation und mangelhafte Sprachkenntnisse. Auch
innerhalb der Gruppe der behandelten Täter bestehen Unterschiede
zwischen Abbrechern und Vollteilnehmern. Ursachen hierfür und
Konsequenzen werden abschließend diskutiert.
Es werden Aufbau, Normierung und Testgütekriterien der deutschsprachigen Adaptation der Psychopathy Checklist-Revised (PCL-R) berichtet und diskutiert. Das Verfahren besteht aus 20 Items, die mittels einer dreistufigen Ratingskala bearbeitet werden. Im Vergleich zur Originalversion sind einige Items an das deutsche Rechtssystem angepasst und werden durch theoretische Erläuterungen sowie empirische Erkenntnisse ergänzt. Hinweise und Empfehlungen zur diagnostischen Anwendung des Verfahrens werden im Manual gegeben. Die untersuchte Normstichprobe besteht aus n = 118 erwachsenen, männlichen Untergebrachten bzw. Strafgefangenen. Bei der Reliabilitätsschätzung werden schwankende, teils niedrige Werte festgestellt. Nach hier vertretener Ansicht bestehen neben mangelnder Messgenauigkeit einzelner Items weitere methodische Mängel des Instruments. Dazu gehören u. a. eine geringe Repräsentativität der Normstichprobe, rechtliche Verwertungsverbote genutzter Information und unzureichende Interpretationshilfen.
Es werden Inhalte sowie Ergebnisse einer Evaluation des Modellprojekts "Therapie mit Langstrafigen zu Beginn der Haftzeit" der Sozialtherapeutischen Abteilung für Gewaltstraftäter in der JVA München-Stadelheim berichtet. Das Programm besteht aus achtmonatiger modularer Gruppentherapie, Einzelgesprächen sowie ergänzenden Freizeitangeboten. Es werden zu drei Messzeitpunkten (t1 n = 17, t2 n = 15, t3 n = 12) Merkmale zu Therapie- und Behandlungsbereitschaft sowie gewaltbezogenen Einstellungen und subkulturellen Verhaltensweisen der Teilnehmer im Selbstbericht erhoben. Festgestellt werden u.a. Verbesserungen der Therapiemotivation, emotionalen Stabilität und Bewertung der Haftumgebung zwischen erstem und zweitem Messzeitpunkt. Ferner zeigt sich ein Rückgang der positiven Bewertung von Gewalt, Gewaltbereitschaft und subkulturellen Haltungen. Keine Veränderungen ergeben Skalen, die sich auf die Deliktverarbeitung beziehen. Grenzen der Untersuchung und Möglichkeiten sowie Einschränkungen der Maßnahme werden diskutiert.
Die Studie vergleicht zwei Methoden zur Evaluation der Wirksamkeit von Sexualstraftäterbehandlung in deutschen Gefängnissen: das Exakte Matching-Verfahren (EM) anhand des Static-99-Risikoscores sowie das Propensity-Score-Matching (PSM). In einer Stichprobe von 693 erwachsenen Sexualstraftätern, von denen 365 eine Behandlung erhielten, zeigen sich ähnliche Ergebnisse für beide Methoden. Es gibt keine signifikanten Unterschiede in der sexuellen Rückfallquote zwischen Behandlungs- und Kontrollgruppe. Für allgemeine und schwere Rückfälle deuten die Ergebnisse tendenziell auf einen günstigen Behandlungseffekt hin, der jedoch nur teilweise statistisch signifikant ist. Die Bedeutung dieser Befunde wird für die Praxis und Politik der Sexualstraftäterbehandlung diskutiert, unter anderem wird die Notwendigkeit von Replikationsstudien, der Berücksichtigung differenzierter Rückfallindikatoren und einer Verbesserung der Datenerhebung in der alltäglichen, routinemäßigen Praxis, um zu belastbaren Schlussfolgerungen über die Wirksamkeit von Sexualstraftäterbehandlung in Haft zu gelangen, hervorgehoben. Außerdem wird für eine Verbesserung der Datenerhebung zu klinisch relevanten Risikofaktoren und eine stärkere Einbeziehung von Behandlungsangeboten plädiert. Weiter beschreibt die Studie die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Evaluationsdesigns.
Kriminaltherapeutische Straftäterbehandlung : theoretische Modelle und praktische Umsetzungen
(2016)
Ausgehend von der Annahme, dass Probleme, die zu einer Straftat geführt haben, durch eine rückfallpräventive Behandlung kompensiert werden können, werden theoretische Modelle der Straftäterbehandlung sowie deren praktische Relevanz diskutiert. Das "Risk-Need-Responsivity-Modell" stellt Straffälligkeit als eine Kombination aus individueller Lerngeschichte, biologischen Dispositionen und psychologischen Merkmalen dar. Zentral ist der Schutz der Gesellschaft durch Verminderung der Probleme des Täters, wohingegen im "Good-Lives-Modell" die Hilfe zur Selbstentfaltung im Vordergrund steht. Kriminaltherapie, mit dem primären Ziel des Schutzes der Allgemeinheit durch Rückfallprävention und Resozialisierung, unterscheidet sich nach hier vertretener Auffassung von einer forensischen Psychotherapie, bei welcher die Kriminalprävention vor allem durch Linderung von für die Straftat relevanten Krankheitssymptomen erfolgt. Die Forderung nach Deliktorientierung in der Kriminaltherapie wird noch diskutiert.
Standardisierte Risikobeurteilungsinstrumente bestimmen auf Basis empirischer sowie theoretischer Kenntnisse individuelle Rückfallwahrscheinlichkeiten und bilden somit ein Kernelement risikoorientierter Kriminalprävention. Es werden Konstruktionsprinzip, Funktionsweise und Gütekriterien aktuarischer Kriminalprognoseverfahren dargestellt. Daran anknüpfend werden Vorteile eines standardisierten Risk Assessments skizziert und verbreitete Argumente gegen deren Einsatz diskutiert. Positiv hervorgehoben werden u. a. eine hohe Trefferquote sowie eine Reduktion subjektiver Urteilsfehler infolge intuitiver, klinischer Einschätzungen. Dem Kritikpunkt einer repressiven Haltung risikoorientierten Handelns wird bspw. der Schutzbedarf der Allgemeinbevölkerung gegenübergestellt und auf Teilhabeförderung durch intensivierte Betreuung verwiesen. Die Verwendung standardisierter Risikobeurteilungsinstrumente wird abschließend befürwortet, gegebenenfalls kombiniert mit einer individuellen Begutachtung.
Straftäterbehandlung
(2015)
Der Begriff "Behandlung" im Umgang mit straffälligem Verhalten wird vor dem Hintergrund eines juristischen und eines psycho-pathologischen Modells erläutert. Im engeren Sinne beinhaltet "Behandlung" therapeutische Interventionen, im weiteren Sinne sämtliche Maßnahmen, die zur Resozialisierung beitragen sollen. Verschiedene Behandlungsformen werden vorgestellt und auf empirische Erkenntnisse hierzu hingewiesen. Es folgt eine vergleichende Darstellung des Risk-Need-Responsivity-Modells (RNR) und des Good Lives Modells (GLM). Die Bedeutung der Deliktbearbeitung wird hinsichtlich ihrer diagnostischen und therapeutischen Funktion erläutert. Fragen der Behandlungsforschung betreffen die Formulierung von Behandlungszielen und methodische Aspekte. Für eine evidenzbasierte Straftäterbehandlung ist nach hier vertretener Ansicht die weitere Erforschung von Wirkfaktoren und Wirkmechanismen erforderlich.
Die vorgestellte Studie untersucht die Rückfallrate von männlichen Personen mit hohem Rückfallrisiko, die wegen eines Sexualdelikts verurteilt wurden. Aus der anfänglichen Stichprobe, bestehend aus N = 231 Person, werden n = 133 Probanden in der Untersuchung berücksichtigt. Die Untersuchungsteilnehmer wurden zum 31. Dezember 2019 entlassen und werden bzw. wurden in der Forensisch Therapeutischen Ambulanz der Charité in Berlin ambulant behandelt. Von den 133 Probanden erhalten 54 (40,6 %) sowohl eine psychotherapeutische als auch eine testosteronsenkende Medikation (Gruppe +TLM), 79 (59,4 %) werden lediglich psychotherapeutisch behandelt (Gruppe -TLM). Der Beobachtungszeitraum beträgt fünf Jahre. Die Rückfälligkeit wird als general recidivism (Neuverurteilung allgemein), serious recidivism (Neuverurteilung mit anschließender Haftstrafe von mindestens zwei Jahren), sexual recidivism (Neuverurteilung infolge von Sexualdelikten) und violent recidivism (Neuverurteilunge infolge von Gewalt- und Sexualdelikten) erhoben. Es wird konstatiert, dass die Rückfallrate bezüglich general recidivism bei +TLM mit 27,8 % signifikant niedriger ist als bei -TLM mit 51,9 %. Bei serious recidivism liegen keine signifikanten Unterschiede vor. Signifikante Unterschiede liegen weiterhin in der Kategorie violent recidivism vor (1,9 % bei + TLM und 15,2 % bei -TLM), während die Unterschiede bei sexual recidivism nicht signifikant sind. Weitere Ergebnisse werden vorgestellt und Limitationen der Studie diskutiert.
Mittels eines systematischen Literaturreviews wird der aktuelle Forschungs- und Entwicklungsstand von Instrumenten der Risiko- und Gefahrenbewertung für gewalttätige Extremisten und Extremistinnen vorgestellt. Insgesamt wurden n = 22 wissenschaftliche Untersuchungen aus einer anfänglichen Stichprobe von N = 2.295.414 Fachaufsätzen in das Review aufgenommen. Untersucht werden: (1) das Violent Extremism Risk Assessment, Version 2–Revised (VERA-2R), (2) das Terrorist Radicalization Assessment Protocol (TRAP-18), (3) die Extremism Risk Guidelines 22+ (ERG 22+), (4) die Multi-Level Guidelines Version 2 (MLG), (5) die Islamic Radicalization (IR-46), (6) das Structured Assessment of Violent Extremism (SAVE), (7) das Radicalization Awareness Network Center of Excellence Returnee 45 (RAN CoE Returnee 45), (8) die regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos—islamistischer Terrorismus (RADAR-iTE) und (9) die Investigative Search for Graph-Trajectories (INSiGHT). Es wird festgestellt, dass alle Instrumente für den Einsatz in Sicherheitsbehörden, der Bewährungshilfe und dem Strafvollzug entwickelt wurden. Bei den meisten Instrumenten, die für ein spezifisches Extremismus-Phänomen konzipierten wurden, liegt der Fokus auf islamistische Bedrohungslagen. Kritisiert wird, dass in den untersuchten Publikationen Information zu den psychometrischen Eigenschaften der Instrumente entweder nur unzureichend vorliegen oder gänzlich fehlen. Weitere Ergebnisse werden vorgestellt sowie Limitationen der Studie diskutiert.