Strafrecht. Strafverfolgung. Sanktionen
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Zusammengefasst dargestellt werden Ergebnisse eines Projektes, das am Institut für Kriminologie der Universität Tübingen im Auftrag des Bundesamtes für Justiz unter dem Namen „Bundesweite Evaluation der Führungsaufsicht unter besonderer Berücksichtigung der Reformen 2007 und 2011“ durchgeführt wurde. Für die empirische Untersuchung wurden auf Basis einer ausführlichen rechtswissenschaftlichen Analyse zunächst die vorliegenden statistischen Daten zur Führungsaufsicht ausgewertet, daneben erfolgte im Jahr 2012 eine bundesweit angelegte Aktenanalyse von Führungsaufsichtsfällen (N = 606 Verfahrensakten mit laufenden oder beendeten Führungsaufsichten). Ergänzend wurde eine Befragung von verschiedenen Akteuren der Führungsaufsicht (Führungsaufsichtsstellen, Bewährungshilfe, Strafvollstreckungsgerichte, forensische Ambulanzen, Maßregeleinrichtungen nach § 63 StGB und § 64 StGB) sowie Einzelinterviews und Expertendiskussionen mit insgesamt 52 Führungsaufsichtsakteuren durchgeführt. Die Ergebnisse werden diskutiert und rechtspolitisch eingeordnet.
Evaluiert wird die Umsetzung der Weisung der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) in der Praxis anhand einer Aktenanalyse von Fällen der Führungsaufsicht mit angeordneter EAÜ aus dem Jahr 2014 (N = 74). Darüber hinaus wurden statistische Daten der Gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder in die Analyse einbezogen. Die Erfahrungen und Einstellungen von Akteuren der Führungsaufsicht (Bewährungshilfe, Führungsaufsichtsstellen, polizeiliche Risikoprogramme, Richter*innen) wurden sowohl mittels Experteninterviews als auch in einer Fragebogenerhebung eruiert. Zusätzlich wurden vier Einzelinterviews mit betroffenen Personen der EAÜ geführt. Empfohlen wird die Beibehaltung der aktuellen Praxis bei der EAÜ als Ultima Ratio bei der Gefahr der Begehung schwerster Katalogstraftaten. Vorgeschlagen wird ein Sachverständigengutachten vor Erteilung einer EAÜ-Weisung und die Verkürzung der zweijährlichen Überprüfungsfrist. Es wird für eine bessere Koordination bei länderübergreifenden Fällen plädiert.
Die Konkretisierung des Bandenbegriffs im Strafrecht wird insbesondere in Hinblick auf das Urteil des BGH vom 22.03.2001 (GSSt 1/00, BGHSt 46, 321) diskutiert. Einleitend werden wesentliche Aspekte des Urteils und die Neuorientierung, die hinsichtlich der Definition des Bandenbegriffes folgt, dargestellt. Anschließend wird die Reichweite des Bandenbegriffs in der neueren Gesetzgebung erörtert und einschlägige Normen des StGB vorgestellt. Weiterhin wird die Frage diskutiert, wie viele Mitglieder einer Bande angehören müssen. Dabei wird die Argumentation, dass das Vorliegen einer Bande schon bei zwei Mitgliedern angenommen werden kann, kritisch unter Heranziehung der Auffassung des BGH besprochen. Zudem wird das Problem erörtert, anhand welcher Kriterien beurteilt werden kann, worin eine Bandenabrede besteht. Hierbei wird zunächst ein Überblick über die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien gegeben und im Anschluss erläutert, dass weitere objektive Kriterien zur Bestimmung der Bandenabrede erforderlich sind. Weiterhin wird besprochen, wie eine Bande nach den rechtlichen Vorschriften organisiert sein muss, um die Merkmale des Bandenbegriffs zu erfüllen. In diesem Zusammenhang wird die Frage aufgeworfen, ob die Bande grundsätzlich als kriminelle Vereinigung angesehen werden kann und ob Merkmale der organisierten Kriminalität herangezogen werden können.
Es wird eine Übersicht zur Rechtsprechung des BVerfG zu verschiedenen Aspekten der Sicherungsverwahrung gegeben, wobei das Urteil vom 04.05.2011 (2 BvR 2365/10 u.a.; NJW 2011, 1931) zur Verfassungswidrigkeit der geltenden Rechtslage im Fokus steht. Dabei werden vor allem die Entscheidungsgründe sowie die Ausführungen des Gerichts zu den Anforderungen an eine verfassungskonforme Regelung dargestellt und kommentiert. Zudem wird die Rolle des Kammerurteils des EGMR vom 13.01.2011 (6587/04; EuGRZ 2010, 25) erörtert, in welchem ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) durch die hier in Rede stehende Maßregel angenommen wurde. Anschließend werden die Prinzipien eines Gesamtkonzepts für die Sicherungsverwahrung, die Kritik an der gegenwärtigen Normierung sowie die nachträgliche Entfristung der Maßregel diskutiert. Weiter werden die verletzten Grundrechte und das Verhältnis von innerstaatlichem Recht und EMRK dargestellt. Erläutert werden insbesondere die Maßgaben des BVerfG für eine rückwirkende Anordnung oder Verlängerung der Sicherungsverwahrung, wobei speziell der Nachweis einer andauernden psychischen Störung betrachtet wird. Abschließend wird die Sanktionsentscheidung im Erkenntnisverfahren dargestellt.
Einleitend werden der Stand der empirischen Forschung zur
lebenslangen Freiheitsstrafe (insbesondere Dauer der Verbüßung und
Gründe der Beendigung) sowie die hier begegnenden methodischen
Schwierigkeiten mitgeteilt. Ergebnisse mehrerer bundesweiter jährlicher
Abfragen der Kriminologischen Zentralstelle bei den
Landesjustizverwaltungen, die die Vollzugsaufenthalte retrospektiv
beurteilen, werden skizziert. Vergleichend werden die Ergebnisse einer am 31. März
2011 durchgeführten Stichtagserhebung über 193 Gefangene mit
lebenslangen Freiheitsstrafen im Bundesland Hessen analysiert. Insgesamt fällt die mittlere Aufenthaltsdauer derjenigen Strafgefangenen, die sich noch im Vollzug befinden, deutlich geringer aus, als diejenige ehemaliger Gefangener, deren Vollzugsdauer nach der Beendigung des Vollzugsaufenthalts festgestellt wird. Prognoseverfahren zur Schätzung der erwarteten Vollzugsdauer werden erläutert.
Gegenstand der Anmerkung sind zwei Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen der Resozialisierung von Strafgefangenen und dem Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten befassen. In beiden Verfahren geht es um Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungsgerichte, die eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung und Vollzugslockerungen ablehnen. In den Anwendungen wird auf Folgen der Neufassung der Prognoseklausel in StGB § 57 Abs 1 Nr 2 sowie den inhaltlichen Zusammenhang von Lockerungen des Vollzugs und Strafrestaussetzung hingewiesen. Es wird die Auffassung vertreten, dass die konstatierte Verschärfung der Prognoseanforderungen für eine Maßregelaussetzung relativiert werden müsse, da der Gesetzgeber durch Änderungen des Strafrechts die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verhältnismäßigkeit lang dauernder Freiheitsentziehungen nicht außer Kraft setzen könne.
Einleitend wird die Frage aufgeworfen, ob auch nach neuem Recht der Vorwurf Berechtigung hat, wonach die Sicherungsverwahrung eine nicht zu rechtfertigende Zusatzstrafe nach Ablauf einer Freiheitsstrafe darstellt. Für die Beantwortung wird zunächst die Sicherungsverwahrung nach altem Recht unter den Aspekten Ausgestaltung und Gegenüberstellung zur lebenslangen Freiheitsstrafe beschrieben. In diesem Zusammenhang werden neben der Entwicklung der gerichtlichen Anordnungen und der Vollzugsbelegung die Dauer des jeweiligen Aufenthalts im Vollzug bis zur Entlassung und die der Verurteilung zugrunde liegenden Straftatbestände erörtert. Anschließend wird die aufgrund geänderter Rechtsprechung durchgeführte Reform erläutert. Zum einen wird festgestellt, dass die präventive Freiheitsentziehung auf unbestimmte Zeit weiterhin das Ziel der Sicherungsverwahrung ist. Zum anderen wird der Vorwurf des Etikettenschwindels nicht mehr als haltbar angesehen, da die Sicherungsverwahrung als Behandlungsvollzug durchzuführen ist.
Für den Umgang mit sog. "gefährlichen Straftätern" sieht das zweispurige deutsche Kriminalrecht als Alternative zu Strafen die "Maßregeln der Besserung und Sicherung" vor. Diese umfassen als freiheitsentziehende Maßnahmen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung. In der langfristigen Entwicklung der gerichtlichen Anordnungen zur Unterbringung nach § 63 StGB und Sicherungsverwahrung (im Vergleich auch der Lebenslangen Freiheitsstrafe) zeigen sich mehr oder weniger deutliche Anstiege. Ergebnisse neuerer Studien zur Legalbewährung nach Sicherungsverwahrung oder Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus weisen jedoch auf eher niedrige Rückfallraten hin. Nach hier vertretener Ansicht zeigt sich anhand dieser Zahlen und Analysen, dass die Gefährlichkeit der untersuchten Personen häufig überschätzt wird.
Kritisch betrachtet werden zwei Gesetzentwürfe, die die Strafbarkeit von Cybergrooming (§ 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB) im vorbereitenden Stadium eines sexuellen Missbrauchs von Kindern erweitern wollen: (1) Gesetzentwurf der Bundesregierung (BR-Drs. 365/19 vom 9.8.2019), der u.a. vorschlägt, durch eine Neufassung des § 176 Abs. 6 StGB den Versuch des Cybergrooming gegenüber objektiv untauglichen betroffenen Personen oder Tatobjekten unter Strafe zu stellen, sowie (2) Gesetzesantrag des Landes Hessen (BR-Drs. 518/18 vom 16.10.2018), der nach Beratungen im Rechtsausschuss des Bundesrates eine Erweiterung des objektiven Tatbestands des § 176 Abs. 5 Nr. 3 und 4 StGB vorsieht und Kinder solchen Personen gleichstellt, die lediglich der Täter für ein Kind hält. Eine isolierte Neufassung des § 176 Abs. 6 StGB wird abgelehnt. Bedenken werden formuliert zu der von der Hessischen Landesregierung vorgeschlagenen Gleichstellung von Kindern mit Personen, die lediglich für Kinder gehalten werden können. Die in den Entwürfen vorgeschlagenen punktuellen Änderungen des Sexualstrafrechts erscheinen in der Gesamtwürdigung nicht widerspruchsfrei. Plädiert wird für eine breiter angelegte Reform des Sexualstrafrechts, die bereits durch eine vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzte Reformkommission vorbereitet wurde.
Die aktuelle Situation im psychiatrischen Maßregelvollzug nach § 63 StGB und die aktuell gültigen gesetzlichen Bestimmungen werden vorgestellt. Es werden die Zwecke, die der Gesetzgeber mit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verfolgt, erörtert. Zudem wird die momentane Auslastung sowie die zahlenmäßige Bedeutung der Unterbringung beschrieben und konstatiert, dass ein beträchtlicher Anstieg der Anzahl der Maßregelpatienten und -patientinnen zu verzeichnen ist. Anschließend wird auf das Zustandekommen der Unterbringungsentscheidungen in der Praxis eingegangen und es werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Betroffenen aus einer unbefristeten Unterbringung im psychiatrischen Maßregelvollzug wieder entlassen werden können. Abschließend wird die Verweildauer im psychiatrischen Maßregelvollzug und die Legalbewährung im Anschluss an die Maßnahme thematisiert und zusammengefasst, dass die Belegung im psychiatrischen Maßregelvollzug derzeit so hoch ist wie nie zuvor und dass erst langfristig mit einer Veränderung zu rechnen ist.
Der Forschungsbericht enthält eine exemplarische Evaluation des Hauses des Jugendrechts Frankfurt am Main–Höchst, das in seiner Anlaufphase bereits Gegenstand eines Vorgängerprojekts in den Jahren 2010 bis 2012 war. Dort arbeiten wie in den meisten „Häusern des Jugendrechts“ Jugendstaatsanwaltschaft, Polizei und Jugendgerichtshilfe zusammen, hinzu kommt als lokale Besonderheit die Einbeziehung des von einem freien Träger angebotenen Täter-Opfer-Ausgleichs. Die Förderung von Diversionsmaßnahmen und die Vermeidung von Haft gelten vor Ort als wichtige Ziele. Erstmals untersucht wurde, ob junge Beschuldigte, die im Haus des Jugendrechts Höchst betreut werden, nach Abschluss des Verfahrens weniger oft rückfällig werden als vergleichbare Personen aus anderen Frankfurter Stadtteilen, wo das traditionelle Jugendstrafverfahren praktiziert wurde. Dazu wurden Bundeszentralregisterdaten und die Einträge des bei den Staatsanwaltschaften in Hessen eingeführten Vorgangsverwaltungssystems MESTA untersucht. Die Legalbewährung wurde aufgrund von Auskünften aus dem Bundeszentralregister mit einem Beobachtungszeitraum von mindestens vier Jahren untersucht. Dabei blieben in der Experimentalgruppe (N = 250) aus dem Haus des Jugendrechts 70 % der Jugendlichen und Heranwachsenden ohne Folgeeintragung, während in der Kontrollgruppe (N = 130) die Fälle erneuter Eintragungen mit einem Anteil von insgesamt 59 % deutlich im Vordergrund standen. Allerdings waren die beiden Gruppen wegen deutlich unterschiedlicher Fallstrukturen und Verfahrensweisen der Staatsanwaltschaft nur eingeschränkt vergleichbar. In der ergänzenden Befragung berichteten die vier interviewten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses des Jugendrechts Höchst von einer positiven interdisziplinären Kooperation und zeigten sich vom Konzept des Hauses des Jugendrechts überzeugt. Besonders positiv seien der persönliche Kontakt untereinander und die kurzen Wege.
Der Beitrag befasst sich mit Praxis und Bewährung der in BtMG §§ 35ff. geregelten Therapieüberleitung für drogenabhängige Straftäter (Zurückstellung der Strafvollstreckung). Ausgehend von Überlegungen zum Verhältnis von Freiwilligkeit und Zwang bei Therapien, werden zunächst allgemeine Entwicklungsschritte der Drogenabhängigkeit sowie neuere Tendenzen der therapeutischen Versorgung dargestellt; ferner wird die Frage erörtert, welche Beweggründe bei der Aufnahme einer Entzugsbehandlung im Vordergrund stehen. Eine Evaluation von Therapieüberleitungen gem. BtMG § 35 zeigte für die untersuchte Stichprobe, dass etwa die Hälfte aller auf diesem Wege begonnenen Therapien erfolgreich beendet wurden. Obwohl die erneute Straffälligkeit dieser Therapiegruppe (Beobachtungszeitraum: 3 Jahre) mit über 50% relativ hoch ist, zeigten sich bezüglich Schwere und Häufigkeit neuer Straftaten doch signifikant bessere Ergebnisse im Vergleich zu Therapieabbrechern und Nicht-Antritten. Abschließend werden einige zentrale drogenpolitische Konsequenzen vorgestellt. BtMG § 35 sollte danach nicht als Königsweg angesehen, aber bei geeigneten Fällen rechtzeitig zur Anwendung gebracht werden.
Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (50. StrÄndG) wurde vorrangig § 177 StGB grundlegend geändert. In der zuvor geführten Diskussion war eine zentrale Frage diejenige nach bestehenden Strafbarkeitslücken gewesen; also nach straffreien, aber als strafwürdig erachteten Sachverhalten. Eine solche Schutzlücke wurde primär darin gesehen, dass keine Strafbarkeit nach § 177 StGB a. F. eintrat, wenn es zwar zu sexuellen Handlungen gegen den Willen Betroffener kam, dies aber nicht mit einer Nötigung verbunden war. Das Gesetzgebungsverfahren zeigte auf, dass sich die eine oder andere bloße Annahme, insbesondere hinsichtlich der Gründe für nicht erfolgte Verurteilungen in Strafverfahren, in denen Beschuldigten die Begehung einer Straftat nach § 177 StGB a. F. vorgeworfen wurde, über die Zeit zu vermeintlicher Gewissheit verfestigte, ohne dass dieser empirisch-kriminologische Befunde zugrunde lagen.
In der vorliegenden Studie werden 80 freisprechende Urteile, die vor dem 31.12.2015 ergangen waren und damit sicher einen Tatvorwurf nach § 177 StGB a. F. zum Gegenstand hatten, im Hinblick auf ihre Gründe für diese gerichtlichen Entscheidungen analysiert. Zudem wurden weitere in den Urteilen enthaltene Angaben, etwa zum Tatgeschehen und zur Hauptverhandlung, erfasst. Unter den ausgewerteten Freisprüchen fanden sich fünf (6 %), bei denen es sich um sogenannte Schutzlückenfälle gehandelt haben könnte, wobei dieses Ergebnis nicht impliziert, dass es unter Anwendung des aktuellen § 177 StGB zwingend zu einer Verurteilung gekommen wäre.
Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (50. StrÄndG) wurde vorrangig § 177 StGB grundlegend geändert. In der zuvor geführten Diskussion war eine zentrale Frage diejenige nach bestehenden Strafbarkeitslücken, also straffreien, aber als strafwürdig erachteten Sachverhalten, gewesen. Eine solche Schutzlücke wurde primär darin gesehen, dass keine Strafbarkeit nach § 177 StGB a. F. eintrat, wenn es zwar zu sexuellen Handlungen gegen den Willen Betroffener kam, dies aber ohne Nötigung durch eine andere Person geschah.
Das Gesetzgebungsverfahren enthielt nicht nur etliche kriminalpolitisch interessante Volten. Es zeigte auch auf, dass sich die eine oder andere bloße Annahme über die Zeit zu vermeintlicher Gewissheit verfestigte, ohne dass dieser empirisch-kriminologische Befunde zugrunde lagen. Das galt etwa hinsichtlich der Gründe für Einstellungen gemäß § 170 II StPO in Ermittlungsverfahren, in denen Tatverdächtigen die Begehung einer Straftat nach § 177 StGB a. F. vorgeworfen wurde.
Mit der vorliegenden Studie wurde diese Thematik deshalb aufgriffen. Da sich die dafür erhaltenen 343 Einstellungsverfügungen jedoch als zu ertragreich erwiesen, um sie lediglich unter der führenden Fragestellung zu analysieren, wurden nicht nur diese Abschlussentscheidungen als solche, sondern auch die in ihnen enthaltenen Angaben etwa zum Tatgeschehen und zu den vorgenommenen Ermittlungshandlungen erfasst.
Ergebnisse einer empirischen Untersuchung der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden zur Praxis der Gemeinnützigen Arbeit werden berichtet. Ziel dieser Untersuchung war es, Aufschluss über Erledigungsformen und Vollstreckungsmodalitäten bei uneinbringlichen Geldstrafen sowie über mit der Durchführung der Gemeinnützigen Arbeit verbundene Probleme und Praktiken zu erhalten. Als Datengrundlage dienten Befragungen von Rechtspflegern und anderen Beteiligten an der Vermittlung der Gemeinnützigen Arbeit sowie 400 Akten von abgeschlossenen Verfahren. Folgende Ergebnisse werden ermittelt: (1) Die Gemeinnützige Arbeit machte nur 8,5% der Fälle einer Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen gegenüber 77% Zahlungen und 14% Verbüßungen von Ersatzfreiheitsstrafen aus, (2) bei 5% der Verfahren mit der Gemeinnützigen Arbeit wurde die Geldstrafe vollständig durch Arbeit getilgt, (3) bei der Ausgestaltung der Gemeinnützigen Arbeit sind die drei Organisationsformen (Gerichtshilfe-, Vereins-, Rechtspflegermodell) entstanden. Insgesamt wird der Gemeinnützigen Arbeit ein Schattendasein bescheinigt. Eine Einführung als eigenständige Sanktion wird angesichts einer fehlenden Infrastruktur kritisch beurteilt.
Einleitend wird der Gesetzentwurf des Bundesrates vom März 1998 zu den StGB § 40a und StPO § 459a zur Verankerung der gemeinnützigen Arbeit als Hauptstrafe im Strafrecht vorgestellt. Bezweifelt wird, dass StGB § 40a Abs 1 Satz 2 mit dem Verbot der Zwangsarbeit aus GG Art 12 Abs 3 vereinbar ist. Auch der nicht festgelegte Umrechnungsmaßstab von gemeinnütziger Arbeit und Geldstrafe, die Folgen des Scheiterns der Arbeitssanktion, die Länge einer drohenden Ersatzfreiheitsstrafe, die fehlende Regelung der Durchführung der Arbeiten und die zeitliche Obergrenze werden kritisiert. Zu den genannten Bereichen werden Alternativen aufgezeigt. Abschließend wird festgestellt, dass dies keine taugliche Regelung der gemeinnützigen Arbeit als Hauptstrafe darstellt.
Der zunehmenden Bedeutung der gemeinnützigen Arbeit im Strafrecht stehen Defizite in ihrer Ausgestaltung gegenüber. So bedürfen schon die Klärung der aktuell zulässigen Formen dieser Sanktion sowie die Beschreibung wichtiger Rahmenbedingungen (Höchstdauer, Verhältnis zu anderen Sanktionen) eingehender Analysen. Für den Bereich der Durchführung der gemeinnützigen Arbeit wird nach straftheoretischer Erörterung die Übernahme von Vorgaben aus der Arbeitspsychologie vorgeschlagen, mit denen eine einheitliche Durchführung erreicht werden kann.
Einem generellen Trend in (West-)Europa folgend hat die Gemeinnützige Arbeit (GA) in der Bundesrepublik Deutschland während der letzten Jahre eine zunehmende Bedeutung gewonnen. Ihr Hauptanwendungsgebiet im Erwachsenenstrafrecht liegt bei den uneinbringlichen Geldstrafen als Alternative zur Ersatzfreiheitsstrafe. Das Instrument des Artikels 293 EGStGB wurde von den Bundesländern unterschiedlich genutzt, insbesondere die Vermittlung der Gemeinnützigen Arbeit wurde organisatorisch verschieden geregelt. In dieser Situation setzt die bundesweite Untersuchung der Kriminologischen Zentralstelle ein. Sie ermittelt, welchen Stellenwert die Gemeinnützige Arbeit im Rahmen der Vollstreckung uneinbringlicher Geldstrafen besitzt und wie sich die Praxis ihrer Vermittlung und Durchführung gestaltet. Zunächst werden der kriminalpolitische Rahmen und aktuelle Rechtsgrundlagen dargestellt und Fragestellungen und Anlage der Untersuchung beschrieben. Nach einem Überblick über die uneinbringlichen Geldstrafen und ihre verschiedenen Erledigungsformen werden die praktisch bedeutsamsten Schritte von der Anbahnung der Gemeinnützigen Arbeit über ihre Ableistung bis hin zur Beendigung analysiert. Auf Unterschiede zwischen den einzelnen Staatsanwaltschaften im Umgang mit GA wird eingegangen. Anschließend werden die Geldstrafenschuldner anhand ihrer sozialen und strafrechtlichen Merkmale beschrieben. Eine zusammenfassende Bewertung der Untersuchungsergebnisse schließt den Band ab.
Die gemeinnützige Arbeit als strafrechtliche Sanktion gewinnt in der kriminalpolitischen Diskussion und in der Praxis der Strafrechtspflege zunehmend an Bedeutung. Im Gegensatz dazu bestehen erhebliche Erkenntnislücken über die Einordnung der gemeinnützigen Arbeit in das Sanktionensystem, über die Anforderungen an die konkrete Ableistung sowie über die straftheoretische Begründung dieser Sanktion. Die vorliegende Untersuchung nimmt diese Fragen auf und entwickelt Lösungsansätze für die verschiedenen Formen der Arbeitssanktion sowohl im allgemeinen Strafrecht als auch im Jugendstrafrecht. Auch für den bisher kaum diskutierten Bereich der Ableistung der Arbeit werden - unter Einbeziehung arbeitspsychologischer Ansätze - strafrechtliche Strukturvorgaben entwickelt. Behandelt werden u.a. folgende Themenbereiche: Zulässigkeit einzelner Formen der Arbeitssanktionen; Geschichte der Arbeit ohne Freiheitsentziehung als strafrechtliche Sanktion; Rahmenbedingungen der Arbeitssanktion (zeitliche Grenzen, Voraussetzungen für einen Widerruf, Art und Grenzen der Ersatzsanktionen etc.); Verhältnis der gemeinnützigen Arbeit zu anderen Sanktionen, insbesondere zur Geldzahlungsauflage; Probleme des Gemeinnützigkeitsbegriffs bei der Arbeitssanktion; straftheoretische Vorgaben bei den Arbeitsauflagen.
Gegenstand der empirischen Untersuchung sind die Schleswig-Holsteinischen Richtlinien zur Förderung der Diversion bei jugendlichen und heranwachsenden Beschuldigten und ihre Umsetzung in die Praxis. Die Untersuchung setzt zunächst an 1015 Fällen an, die in Diversionserfassungsbögen des ersten Halbjahres 2000 bei den einzelnen Staatsanwaltschaften Schleswig-Holsteins hinterlegt waren. Um ein umfassendes Bild über die Wirkungen und Handhabung der Richtlinien in der Praxis zu gewinnen, wurde eine vergleichende Aktenanalyse durchgeführt. Hierbei wurden n = 320 Fälle aus dem ersten Halbjahr 2000 aus ganz Schleswig-Holstein, bei denen gemäß der Diversionsrichtlinien verfahren wurde, mit n = 160 vergleichenbaren Fällen aus dem ersten Halbjahr 1998, unmittelbar vor Einführung der Richtlinie, verglichen. Zusätzlich wurden Befragungen mittels Interviewbögen bei Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden durchgeführt. Nach einem Überblick über die Diversion werden die schleswig-holsteinischen Richtlinien zunächst vorgestellt und eingeordnet. Die Auswertungen und Analysen der Diversionserfassungsbögen und Akten zeigen, dass die Beschuldigten in der Regel Ersttäter sind, im Durchschnitt 15,5 Jahre alt und Bagatelldelikte verübten. Die Tatmotivation ist überwiegend als "jugendtypisch" einzuordnen. Die Diversion dient bei diesen Beschuldigten der Verdeutlichung von Regeln und Normen, eine besondere erzieherische Einflussnahme erscheint nicht nötig. Diskutiert werden rechtsstaatliche Bedenken gegenüber dem schleswig-holsteinischen Diversionskonzept. Auf positive Entwicklungen im Zuge der Einführung der Richtlinien wird hingewiesen. In einem Resümee werden Hinweise für die Weiterentwicklung schneller und flexibler Reaktionen auf leichte Straftaten von Jugendlichen und Heranwachsenden gegeben.