Vorgestellt wird der 2020 veröffentlichte achte Bericht des Justizvollzugsbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2019. Die Anzahl der Eingaben bzw. vorgebrachter Anliegen ist im Vergleich zum Vorjahr um 6,6 % gesunken (2018: 364; 2019: 340). Die von Bediensteten ausgehenden Anliegen sind hingegen geringfügig gestiegen (2018: 5; 2019: 13). Diese betreffen vor allem das Beförderungs- und Beurteilungswesen, thematisieren aber auch Mängel an der medizinischen Versorgung von Gefangenen. Auch die Eingaben der Gefangenen beanstanden die medizinische Versorgung. Hierbei rückt die JVA Hagen in den Fokus, für die aktuell kein Anstaltsarzt zur Verfügung steht. Ähnlich wie im Vorjahr sind Anliegen bezüglich nicht gewährter vollzugsöffnender Maßnahmen in den Eingaben stark vertreten. Eine Verbesserung wird hingegen bei der Aushändigung schriftlicher Bescheide für negative Entscheidungen konstatiert. Ein Großteil der von ausländischen Gefangenen vorgebrachten Anliegen bezieht sich auf Alltagsfragen, medizinische und psychologische Anliegen sowie Kontakte zur Familie. Weitere Themengebiete wie Radikalisierungsprävention im Strafvollzug, Jugendarrest, Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen sowie Vollzug und Öffentlichkeit werden erörtert.
Theorien und Erklärungsmodelle von Radikalisierungsprozessen im Kontext des Rechtsextremismus
(2021)
Es werden Theorien und Erklärungsmodelle von Radikalisierungsprozessen im Bereich des Rechtsextremismus vorgestellt. Die rechtsextremistische Ideologie wird dabei in drei thematische Schwerpunkte differenziert: (1) Kulturnationalismus, (2) Ethnonationalismus, (3) rassistischer Nationalismus. Der Radikalisierungsprozess stellt ein komplexes und multimodal bedingtes Phänomen dar, welches sowohl die Verstärkung bereits vorhandener Einstellungen als auch die steigende Bereitschaft für extreme Verhaltensweisen umfasst. Auslösende Faktoren für die An- bzw. Übernahme von rechtsextremistischen Einstellungen stellen das soziale Umfeld, empfundene oder erlebte Ungerechtigkeit und Unsicherheit, spezielle (Lebens-)Ereignisse und kognitive Geschlossenheit in einer ideologischen Gruppe dar. Zudem werden Faktoren, die eine Einstellungsradikalisierung begünstigen (z. B. Diskriminierungserfahrungen, mobilisierendes soziales Netzwerk) und Faktoren, die eine Verhaltensradikalisierung fördern (z. B. Verlust eines geliebten Menschen, Gruppenkonflikte, Idealisierung des Märtyrertums), vorgestellt. Es wird empfohlen, Radikalisierungsprozesse hinsichtlich ihrer jeweiligen Bezugsideologie zu differenzieren, um konkretere Erkenntnisse für zukünftige Forschungsarbeiten, aber auch für die Konzeption von Präventionsprogrammen und der Verbesserung des sicherheitsbehördlichen Bedrohungsmanagements zu generieren.
Islamistische Radikalisierung erkennen und vermeiden : Präventionsmöglichkeiten im Justizvollzug
(2021)
Das von 2018 bis 2020 an der Kriminologischen Zentralstelle durchgeführte Projekt "Islamistische Radikalisierung erkennen und vermeiden - Prävention im Justizvollzug" und das daraus resultierende "Praxishandbuch Extremismus und Justizvollzug - Islamistischer Radikalisierung begegnen" werden vorgestellt. Das Praxishandbuch unterstützt die Mitarbeitenden des Allgemeinen Vollzugsdienstes darin, im Rahmen der Ressourcen der eigenen Justizvollzugsanstalt einen speziell auf den Einzelfall ausgerichteten individuellen Handlungsplan zur deradikalisierenden Intervention zu erstellen. Das Vorgehen erstreckt sich über vier Schritte: (1) Konkretisierung des Anfangsverdachts, (2) Bildung eines Interventionsteams und Durchführung einer Bestands- und Bedarfsanalyse der Anstalt, (3) Auswahl von Deradikalisierungsmaßnahmen, (4) Berücksichtigung von Qualitätsmerkmalen. Deradikalisierungsmaßnahmen können dabei bei den Inhaftierten (Mikroebene), bei den Bediensteten (Mesoebene) und auf Anstaltsebene (Makroebene) ansetzen. Auf Mikroebene nehmen neben Einzelmaßnahmen vor allem ein strukturierter Vollzugsalltag mit ausreichender Freizeitgestaltung sowie die originäre Resozialisierungsarbeit eine wichtige Rolle ein. Auf Mesoebene rücken insbesondere die Wissensvermittlung, das Kompetenztraining und die Anerkennung der geleisteten Arbeit in den Fokus und auf Makroebene ein positives Anstaltsklima. Abschließend wird konstatiert, dass der multifaktoriell bedingte Phänomenbereich Extremismus einen komplexen Präventionsansatz erfordert.
MOTRA-Monitor 2022
(2023)
Im vorliegenden dritten MOTRA-Monitor-Bericht werden die Module des Forschungsverbundes erörtert und empirische Befunde für das Jahr 2022 vorgestellt. Das Monitoring umfasst Internetmonitoring, Einstellungsmonitoring, Protestmonitoring, PMK-Monitoring und Kommunales Monitoring. Ziel ist u. a. die Erfassung bzw. Untersuchung von individuellen und kollektiven Radikalisierungsprozessen. Aus dem Internetmonitoring geht hervor, dass die Prävalenz Covid-19-spezifischer Verschwörungsnarrative gesunken ist, dafür bei anderen radikalisierenden Diskursen, insbesondere bei mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine assoziierten Konfliktthemen, ein Anstieg zu verzeichnen ist. Das Einstellungsmonitoring konstatiert u. a., dass etwa 4 % der erwachsenen Wohnbevölkerung klar rechtsextreme Einstellungen teilen und ca. 8 % der in Deutschland lebenden Muslime bzw. Musliminnen islamistische Einstellungen aufweisen. Die Ergebnisse des Protestmonitorings zeigen, dass im Gegensatz zum Vorjahr Covid-19-Demonstrationen nicht mehr die Protestlandschaft dominieren, sondern vermehrt Themen wie Klimaschutz und Solidarität mit der Ukraine Gegenstand von Demonstrationen sind. Aus dem PMK-Monitoring geht hervor, dass 2022 mit ca. 59.000 Taten ein Anstieg von 7 % zum Vorjahr und ein Allzeithoch in der PKS zu verzeichnen ist. Das Kommunale Monitoring erfasst Anfeidungen von Amtsträgerinnen bzw. Amtsträgern. Im Zuge der Covid-19-Pandemie (Stand 2021) wurde mit 47 % die höchste Betroffenheitsrate gemessen. Zum Stichtag der Herbstbefragung 2022 waren 39 % der Amtsträgerinnen bzw. Amtsträger betroffen.
MOTRA-Monitor 2021
(2022)
Es wird ein Überblick über die einzelnen MOTRA-Module gegeben und erste empirische Ergebnisse für das Monitoring 2021 berichtet. Es wird konstatiert, dass das Jahr 2021 unter dem Einfluss der Corona-Pandemie und die damit einhergehende Radikalisierung des Corona-Protestgeschehens steht. Das Monitoring des Forschungsverbundes erstreckt sich dabei über Internetmonitoring, Einstellungsmonitoring, Protestmonitoring, kommunales Monitoring und PMK-Monitoring, ergänzend wird eine bundesweite Expertenbefragung zum aktuellen Radikalisierungsgeschehen durchgeführt. Am Beispiel des Gaza-Krieges 2021 werden Ereignisse, die außerhalb Deutschlands stattfinden, und deren Auswirkungen auf das Radikalisierungsgeschehen in Deutschland mit dem im MOTRA-Verbund zur Verfügung stehenden Instrumentarium analysiert. Zudem wird ein Technologie-Monitoring durchgeführt, das die Relevanz von Technologien im Problemfeld Radikalisierung und Extremismus beobachtet. In einer Auswertung von Strafverfahrensakten wird ein Fokus auf die Anwendungspraxis und die Wirkungsweisen des Terrorismusstrafrechts gelegt und die biografischen Verläufe terroristischer Akteure und Akteurinnen analysiert. Es wird zusammengefasst, dass sich 2021 im Kontext der Coronapandemie ein ideologisch diffuses politisch motiviertes Radikalisierungsgeschehen entfaltet hat, wobei rechtsaffine, populistische bzw. verschwörungstheoretische sowie systemkritisch-demokratiedistante Weltanschauungen dominieren.
Berichtet wird über zwei Teilbereiche eines 2016/2017 durchgeführten Forschungsprojektes der Kriminologischen Zentralstelle zu politischem bzw. religiösem Extremismus und Justizvollzug. Als Teil einer Analyse wissenschaftlicher Fachliteratur werden zu Fachbeiträgen Abstracts angefertigt, die in die Datenbank KrimLit eingespeist werden sollen. Zudem wird eine synoptische Übersicht der gewonnenen Erkenntnisse erstellt. In einem weiteren Projektteil werden in einer quantitativen Erhebung alle deutschen Jugendstrafanstalten schriftlich zu bisherigen konkreten Erfahrungen zum Thema befragt. Der islamistische Extremismus bildet einen Schwerpunkt des Projekts. Auf erste Forschungserkenntnisse wird hingewiesen.
Berichtet wird über Ergebnisse einer schriftlichen Befragung von Jugendstrafanstalten zum Vorkommen von und dem Umgang mit Extremismus für das Jahr 2015, an der n=32 der insgesamt 36 deutschen Anstalten aus 15 Bundesländern teilgenommen haben. Es zeigt sich, dass es in 24 der teilnehmenden Anstalten zu verschiedenen Anlässen konkrete Fälle von Extremismus gab, die zahlenmäßig je Anstalt im niedrigen einstelligen Bereich liegen. 29 Einrichtungen geben an, über Maßnahmen zur Feststellung von Extremismus zu verfügen (Beobachtung, Gespräche, Checklisten, Risikoprognoseinstrumente oder Zuständigkeit einzelner Bediensteter). 30 Anstalten bestätigen die Teilnahme von Personal an spezifischen Weiterbildungsveranstaltungen, die Hälfte verfügt über spezielle Beratungsangebote oder psychosoziale Maßnahmen für extremistische Inhaftierte, ansonsten wird auf die Wirksamkeit bereits bestehender, nicht spezifischer Angebote verwiesen. Es wird angenommen, dass der explizit auf politischen und religiösen Extremismus bezogene Fragebogen von vielen Anstalten nur mit Blick auf islamistischen Extremismus ausgefüllt wurde. Auf Unterschiede in den Vollzugsanstalten für männliche und für weibliche Strafgefangene wird hingewiesen.
Bislang existieren insbesondere in Deutschland nur wenige empirische Forschungsarbeiten zu religiöser Radikalisierung in Haft. Anknüpfend an Erkenntnisse internationaler qualitativer Forschung werden eigene Überlegungen dargestellt und Implikationen für die intramurale Präventionsarbeit abgeleitet. Unter soziologischen Gesichtspunkten wird zunächst die Institution Gefängnis analysiert, wobei bereits strukturelle Unterschiede verschiedener Haftformen einer einheitlichen Betrachtungsweise und einfachen Übertragbarkeit von Forschungsergebnissen entgegenstehen. Da Radikalisierungsprozesse eine Interaktion von Individuum und Umwelt umfassen, muss auch Präventionsarbeit Aspekte des Haftkontextes berücksichtigen. Hierzu gehören u.a. psychische Anpassungsprozesse, die eine Inhaftierung als einschneidendes Lebensereignis erfordert, sowie das jeweilige Gefängnisklima. Weiterhin werden Interaktionsfreiheit als Resozialisierungsmöglichkeit einerseits und Gefahr der Anwerbung andererseits sowie die Bedeutung religiöser und sozialer Verbundenheit diskutiert. Ein Ausblick auf weitere Fragen bspw. zu methodischen oder theoretischen Ansätzen der Gefängnisforschung sowie grundsätzlichen Spannungsfeldern des Freiheitsentzugs wird gegeben.
MOTRA-Monitor 2020
(2021)
Im ersten, künftig im Jahresrhythmus erscheinenden Bericht über die Tätigkeit des Forschungsverbundes MOTRA wird über die Anfangsphase berichtet, vom Dezember 2019 bis Anfang 2021. Der Forschungsverbund besteht aus universitären, behördlichen und zivilgesellschaftlichen Forschungseinrichtungen, die sich auf Initiative der Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus im Bundeskriminalamt (FTE) unter direkter kooperativer Mitwirkung des Lehrstuhls für Kriminologie an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg (UHH) zusammengeschlossen haben. Das Akronym MOTRA steht dabei für „Monitoring und Transferplattform Radikalisierung". Die Forschungsvorhaben und wissenschaftlichen Analysen nehmen aus verschiedenen Perspektiven (Prävention, Repression, Bekämpfung) unterschiedliche Formen gewaltaffiner Radikalisierungen und politischer Extremismen in den Blick. Mit dem Aufbau eines Monitoringsystems soll das Radikalisierungsgeschehen in Deutschland fortlaufend, über regelmäßig wiederholte methodisch gleichartige Untersuchungen, in seinen verschiedenen Facetten beobachtet und analysiert werden. Gleichzeitig soll mit der Etablierung einer Austauschplattform zur Gestaltung eines direkteren, wechselseitigen Wissenstransfers zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik beigetragen werden. Angestrebt wird eine vergleichende phänomen- sowie ideologieübergreifende
Analyse im Zeitverlauf. Dargestellt werden Zielsetzungen und Forschungsdesigns einzelner (Teil-)Module von MOTRA sowie Ergebnisse eines ersten Monitorings bereits existierender empirischer Forschungsaktivitäten zu Radikalisierungsfragen.
Extremism and the prison system. A handbook for practitioners : Countering islamist radicalisation
(2020)
The German prison system is currently confronted with the
challenge of having to deal with persons classified as radicalised
Islamists who have either returned from the territory of the socalled
“Islamic State” or have otherwise been convicted in the
context of Islamist-motivated offences. There is also a recurring
debate as to whether or how the specific conditions in prisons
contribute to radicalisation. At the same time, many correctional
facilities lack concepts on how to manage persons posing a
threat to public security, sympathisers, and “at-risk” individuals.
Extremism and the Prison System. A Handbook for Practitioners –
Countering Islamist Radicalisation aims to contribute to an improved
understanding of prevention measures, to analyse the impact of
individual interventions, and to embed them in a holistic approach.
Its objective is to explore possible forms of de-radicalisation work
in prisons and the extent to which detention centres and the
conditions prevailing there are to be evaluated as (de-)radicalisation
factors. In addition to the theoretical part, the handbook includes
an interactive component. It provides a guideline for practitioners
on the assessment of initial suspicions, the preparation of individual
action plans, and the selection of appropriate interventions.