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Die Täter-Opfer-Ausgleich-Statistik beruht auf freiwilligen Angaben von ca. 15 % der Einrichtungen in Deutschland (2019: n = 71, 2020: n = 68), die einen Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) anbieten und dabei insgesamt über 60 % aller Ausgleichsfälle bearbeiten. Die TOA-Statistik wird prozessual produziert, indem die verantwortlichen Mediatoren und Mediatorinnen die Software zur Verwaltung und Dokumentation der Ausgleichsfälle zugleich auch für die bundesweite TOA-Statistik verwenden. Präsentiert werden Daten zu (1) Allgemeinen Fallmerkmalen, (2) den Geschädigten, (3) den Beschuldigten, (4) zur Ausgleichsbereitschaft der Beteiligten, (5) zu den Auswertungen zu den Ausgleichsverfahren und (6) zum Erfolg bzw. Nicht-Erfolg der Ausgleichsgespräche. Zudem wird die Erledigung der Fälle im Strafverfahren besprochen. Abschließend wird in einem Exkurs der TOA unter Pandemiebedingungen untersucht. Hierfür werden bundesweit n = 74 Mediatoren und Mediatorinnen online befragt und zusätzlich halbstandardisierte Interviews (N = 9) geführt. Es zeigt sich, dass das Angebot des TOAs auch während der Kontaktbeschränkungen ganz oder teilweise aufrechterhalten werden konnte.
Seit 2011 wird die Jugendstrafvollzugsanstalt (JSA) Regis-Breitingen vom Kriminologischen Dienst Sachsen evaluativ begleitet. Vorgestellt werden Veränderungen der letzten zehn Jahre hinsichtlich (1) der Klientel der Jugendstrafgefangenen (JSG), (2) der Bediensteten und (3) der COVID-19-Pandemie. Der demographische Wandel unter den JSG führte zu sinkenden Inhaftiertenzahlen, was die Zuständigkeit der JSA auf junge Verurteilte nach Erwachsenenstrafrecht und Personen in Untersuchungshaft ausweitete. Zudem steigt der Anteil der JSG mit Migrationshintergrund an. Weiter lässt sich feststellen, dass mehr JSG Drogenproblematiken haben, Heim- oder Psychiatrieerfahrungen gemacht haben und mehr Disziplinarmaßnahmen während der Haftzeit erhalten. Hinsichtlich der Bediensteten wird ein Personalabbau in fast allen Bereich (z. B. Allgemeiner Vollzugsdienst, Psychologischer Dienst) konstatiert. Die COVID-19-Pandemie führte einerseits zu Aussetzungen von Strafantritten, andererseits wurden u. a. Besuche, externe Beratungs- und Behandlungsangebote, Arbeit- und Ausbildungsmaßnahmen und stationsübergreifende Angebote eingeschränkt.
Die Umsetzung der vom Arbeitskreis Sozialtherapeutischer Anstalten im Justizvollzug (AK SothA) 2016 formulierten Mindestanforderungen an die sozialtherapeutischen Einrichtungen im Justizvollzug (SothEn) wird anhand einer Abfrage bei den 71 aktiven SothEn im Rahmen der von der Kriminologischen Zentralstelle durchgeführten jährlichen Stichtagserhebung erfasst. Der jährliche Fragebogen wird hierfür um einen Zusatzbogen ergänzt und von den jeweiligen zuständigen Personen in den SothEn ausgefüllt. Erfasst werden folgende Themenschwerpunkte: (1) Aufnahme der Gefangenen, (2) besondere Anforderungen an Sozialtherapeutische Abteilungen, (3) organisatorische und strukturelle Mindestanforderungen, (4) räumliche und (5) personelle Mindestanforderungen, (6) Mindestanforderungen an Dokumentation und Evaluation. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere im Bereich der besonderen Anforderungen an sozialtherapeutische Abteilungen (z. B. Arbeitsbereich, Finanzmittel, Verwaltungskräfte) Defizite bestehen. Zudem fällt auf, dass mehr als zwei Drittel der SothEn nicht als Praktikumsstätte dienen und die Behandlungsdokumentation in ca. der Hälfte der SothEn nicht oder selten wissenschaftlich ausgewertet wird. Es wird konstatiert, dass viele der Mindestanforderungen in den SothEn umgesetzt werden, es jedoch weiterhin Optimierungsbedarf gibt. Insbesondere die Trennung der SothEn vom Regelvollzug wird als bedeutsam eingestuft und als zukünftige Umsetzungsmaßnahme empfohlen.
Im deutschen Strafrecht haben kriminalprognostische Beurteilungen eine große Bedeutung und stellen einen wesentlichen Bestandteil der Aufgabenbereiche im Justiz- und Maßregelvollzug dar. In der Forschungsliteratur werden unterschiedliche methodische Zugänge zur Erstellung von Kriminalprognosen diskutiert, die sich in klinisch-intuitive, statistisch-aktuarische, klinisch-strukturierte sowie klinisch-idiographische Methoden gliedern lassen. Bisherige Studienergebnisse verdeutlichen die Vorzüge standardisierter Kriminalprognosen gegenüber der intuitiven unstrukturierten Urteilsbildung und verweisen auf die signifikant höhere Vorhersageleistung durch standardisierte Kriminalprognoseinstrumente. Der Einsatz aktuarischer sowie klinisch-strukturierter Prognoseinstrumente wird anhand 605 Prognosegutachten aus dem Zeitraum zwischen 1999 und 2016 in Abhängigkeit von Merkmalen des Gutachtens (Erstellungszeitpunkt, Institutionen, Profession Sachverständige/-r) sowie probandenbezogener Merkmale (Anlassdelinquenz, Diagnose, Inhaftierung bzw. Unterbringung) analysiert. Es zeigt sich trotz eines zunehmenden Einsatzes aktuarischer und klinisch-strukturierter Prognoseinstrumente im Zeitverlauf eine heterogene Anwendung in der kriminalprognostischen Begutachtungspraxis. Die Ergebnisse sprechen einerseits für eine zunehmende Standardisierung von Kriminalprognosen, andererseits für weiteren Handlungsbedarf im Hinblick auf die Qualitätssicherung klinischer Urteilsbildung in der Kriminalprognostik.
Schuldfähigkeitsgutachten dienen als Grundlage für die Beurteilung der Voraussetzungen einer freiheitsentziehenden Maßregel. Die Forschungsliteratur verweist auf eine heterogene Gutachtenqualität in der Praxis. Seit der Veröffentlichung von Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten einer interdisziplinären Arbeitsgruppe im Jahr 2007 liegen bislang nur wenige empirische Belege darüber vor, ob und in welcher Form diese auch in der Praxis umgesetzt werden. Analysiert wurde die Umsetzung der Mindestanforderungen und Gefährlichkeitsprognose in N = 230 Schuldfähigkeitsgutachten in Abhängigkeit des Erstellungszeitpunktes (vor bzw. nach der Publikation der Mindestanforderungen). Für eine Teilstichprobe (n = 136) lagen Auskünfte über die Verfahrensausgänge vor und konnten hinsichtlich der Berücksichtigung der sachverständigen Befunde im Urteil untersucht werden. Es zeigt sich eine zunehmende Umsetzung der Mindestanforderungen in der gutachterlichen Praxis im Zeitverlauf. Die Gefährlichkeitsprognose zur Frage der Unterbringung im Maßregelvollzug sowie die Berücksichtigung gutachterlicher Befunde im Urteil stellen sich hingegen nach wie vor äußerst heterogen dar. Die Ergebnisse sprechen einerseits für einen (Teil-)Erfolg, andererseits verdeutlichen sie weiteren Handlungsbedarf im Hinblick auf die Qualitätssicherung bei der Erstellung von Schuldfähigkeitsgutachten.
Der vorliegende dritte Opferschutzbericht der Beauftragten für den Opferschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) dient u. a. als aktueller Tätigkeitsbericht der Beauftragten und des Teams im Berichtszeitraum von April 2020 bis März 2021. Die Zusammensetzung des Teams ist bis auf den Ein- und Austritt von Praktikantinnen und Praktikanten nach wie vor unverändert. Im Berichtsjahr (2021) wird das Team um die Stelle einer Dipl. Sozialarbeiterin vergrößert werden. Der Aufgabereich des Teams umfasst (seit Erscheinen des ersten Opferschutzberichts im März 2019 weiterhin unverändert): (1) die Fortführung der Ansprechstelle für Opfer von Straf- und Gewalttaten, (2) Netzwerkarbeit und (3) die Mitarbeit an der Weiterentwicklung des justiziellen Opferschutzes. Seit Einrichtung der Ansprechstelle im Jahr 2017 bestand mit 1843 Betroffenen, seit dem letzten Bericht mit 576 Betroffenen Kontakt. Infolge der Corona-Pandemie konnte die Netzwerkarbeit nur eingeschränkt ausgeübt werden. 2020 mussten die meisten Präsenzveranstaltungen abgesagt werden. Erst im Herbst desselben Jahres konnten Veranstaltungen in kleinerem Rahmen wieder stattfinden. Um das Defizit auszugleichen wurden u. a. Informationspapiere mit opferschutzrechtlichen Bezügen verfasst und z. B. an Fachberatungsstellen landesweit versandt. Im aktuellen Berichtszeitraum lag der Schwerpunkt des justiziellen Opferschutzes auf dem Themenbereich der psychosozialen Prozessbegleitung und dem Pilotprojekt „Pilotprojekt Koordinatorinnen und Koordinatoren für den Opferschutz im Strafverfahren bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften“.
Die Stichtagserhebung der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) fragt jedes Jahr zum Stichtag am 31. März die Gegebenheiten in allen sozialtherapeutischen Einrichtungen des Justizvollzuges deutschlandweit ab. Inzwischen liegen Daten aus 23 Erhebungsjahren vor und geben Aufschluss über die Entwicklungen in der Versorgungslage (Anzahl der Einrichtungen bzw. Haftplätze), zu demographischen Variablen der Gefangenen (Alter, Staatsbürgerschaft, Dauer der Haftstrafe, schwerste Straftat, Vorstrafen), über institutionelle Vorgänge (Aufnahmen, Abgänge, Nachbetreuung) sowie hinsichtlich von Daten zum Personal (Anzahl der Personalstellen und Frauenanteil). Die Auswertungen verdeutlichen die Entwicklungstrends in der Sozialtherapie zwischen 1997 und 2019 und legen nahe, dass nach einem starken Ausbau der sozialtherapeutischen Einrichtungen ab 1969 mit nunmehr 71 Einrichtungen eine Sättigungsgrenze erreicht zu sein scheint. Die inhaftierten Personen werden zunehmend älter, sodass 2019 die über 50-Jährigen die größte Altersgruppe stellen. Schon seit 2003 liegt der Anteil derjenigen, die aufgrund eines Sexualdelikts inhaftiert sind, bei ca. 50 %, was gegenüber anderen Deliktgruppen eine deutliche Mehrheit darstellt. Ein Großteil der Gefangenen hat keine Haftlockerungen, wobei hier eine zunehmend restriktivere Praxis zu erkennen ist. Die Personalausstattung hat sich über die letzten 23 Jahre insofern verändert, als dass mehr Fachdienste und tendenziell weniger Stellen im allgemeinen Vollzugsdienst (AVD) eingerichtet wurden.
Das Selbstregulationsmodell sexueller Rückfälligkeit („self-regulation model of the relapse process“, SRM) stellt eine Theorie zur Ätiologie sexueller Delinquenz und Rückfälligkeit dar, bei der sexuell motivierte Straftaten und Täter unterschiedlichen Rückfallpfaden und Entscheidungswegen zugeordnet werden, von denen aus wiederum auf individuelle Motive, Defizite und Ressourcen geschlossen werden kann. In der vorliegenden Studie wurde eine Stichprobe von N = 68 Männern, die mindestens eine sexuell motivierte Straftat gegen Kinder begangen haben, in Bezug auf die SRM-Typologisierung beurteilt und hinsichtlich verschiedener klinischer, demografischer und kriminologischer Merkmale verglichen. Unter Verwendung des SRM konnten 25 % (n = 17) dem annähernd-expliziten, 25 % (n = 17) dem vermeidend-passiven, 22,1 % (n = 15) dem annähernd-automatischen und 13,2 % (n = 9) dem vermeidend-aktiven Rückfallpfad zugeordnet werden. Männer mit Annäherungszielen wiesen im Vergleich zu denen mit Vermeidungszielen höhere Werte im Static-99 und ein entsprechend höheres Rückfallrisiko auf. Außerdem wurde bei Männern mit Annäherungszielen häufiger die Diagnose einer Pädophilie gestellt. Die Ergebnisse liefern erste Hinweise dafür, dass das SRM ein nützliches theoretisches Modell sein kann, um Gemeinsamkeiten zwischen Männern, die aufgrund eines Kindesmissbrauchsdelikt verurteilt wurden, aufzudecken.
Die Etablierung des Internets als sozialer Raum stellt die größte Umwälzung menschlicher Kommunikations- und Interaktionsformen der letzten Jahrzehnte dar. Bekannte Delinquenzformen wurden an die digitale Welt angepasst, entstanden sind aber auch neue, strafrechtlich relevante Äußerungsformen in der digitalen Kommunikation. Im Überblick werden kriminologische und forensische Erkenntnisse aus dem deutschsprachigen Raum zu Formen der Cyberkriminalität dargestellt, die im Kontext von Partnerschaft, Sexualität und Peerbeziehungen auftreten: Neben dem Cyberstalking und Cybergrooming wird auf Cyberbullying (oder -mobbing) sowie das (Love- oder Romance‑)Scamming eingegangen und es werden zentrale Forschungsergebnisse referiert. Die Darstellung dieser cyberkriminellen Ausdrucksformen verdeutlicht den stetigen Zuwachs an Bedeutung, den dieser Delinquenzbereich in den letzten Jahren verzeichnet, und unterstreicht gleichzeitig die Notwendigkeit einer spezifischen Cyberkriminologie dieser und anderer digitalen Delinquenzformen.
Ziel der Studie ist es zu überprüfen, ob Viktimisierungserfahrungen von sexuellem Missbrauch in der Kindheit (unter 16 Jahren) und frühe, nicht missbräuchliche sexuelle Erfahrungen und Verhaltensweisen (z. B. Masturbationsverhalten) mit der Entstehung pädosexueller Neigungen bei Männern zusammenhängen. Zu diesem Zweck werden biografische Daten von N = 223 aus Österreich stammenden Sexualstraftätern untersucht, die aufgrund sexueller Übergriffe gegen Kinder zwischen 2000 und 2008 zu einer Haftstrafe verurteilt wurden. Es wird konstatiert, dass eigene Viktimisierungserfahrungen mit der Entstehung pädosexueller Neigungen im späteren Lebensverlauf korrelieren. Nach hier vertretener Ansicht kann dies in einigen Fällen damit erklärt werden, dass im Zuge der Verarbeitung eigener Opfererfahrungen sich Sex mit Kindern zu einer für das Individuum akzeptablen Fantasie entwickelt. Bezüglich eigener Viktimisierungserfahrungen ist die Rate bei Männern, die von einer ausschließlich pädophilen Paraphilie betroffen sind, dreimal höher als bei Männern ohne pädophile Paraphilie. Darüber hinaus geht aus der Untersuchung hervor, dass die wöchentliche Masturbationsrate während der Pubertät und nicht missbräuchliches Sexualverhalten Indikatoren für pädosexuelle Paraphilien und für Rückfälligkeit darstellen. Männer, bei denen eine ausschließlich pädophile Paraphilie vorliegt, zeigen die höchste Rate an frühen sexuellen Erfahrungen und Verhaltensweisen. Abschließend werden Limitationen der Studie diskutiert.
Vorgestellt wird der 2020 veröffentlichte achte Bericht des Justizvollzugsbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2019. Die Anzahl der Eingaben bzw. vorgebrachter Anliegen ist im Vergleich zum Vorjahr um 6,6 % gesunken (2018: 364; 2019: 340). Die von Bediensteten ausgehenden Anliegen sind hingegen geringfügig gestiegen (2018: 5; 2019: 13). Diese betreffen vor allem das Beförderungs- und Beurteilungswesen, thematisieren aber auch Mängel an der medizinischen Versorgung von Gefangenen. Auch die Eingaben der Gefangenen beanstanden die medizinische Versorgung. Hierbei rückt die JVA Hagen in den Fokus, für die aktuell kein Anstaltsarzt zur Verfügung steht. Ähnlich wie im Vorjahr sind Anliegen bezüglich nicht gewährter vollzugsöffnender Maßnahmen in den Eingaben stark vertreten. Eine Verbesserung wird hingegen bei der Aushändigung schriftlicher Bescheide für negative Entscheidungen konstatiert. Ein Großteil der von ausländischen Gefangenen vorgebrachten Anliegen bezieht sich auf Alltagsfragen, medizinische und psychologische Anliegen sowie Kontakte zur Familie. Weitere Themengebiete wie Radikalisierungsprävention im Strafvollzug, Jugendarrest, Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen sowie Vollzug und Öffentlichkeit werden erörtert.
Gegenstand des vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in Auftrag gegebenen Gutachtens ist eine Sekundäranalyse von empirischen Untersuchungen ab 1990 zur Anwendungspraxis, Ausgestaltung und insbesondere zum Erfolg von jugendkriminalrechtlichen Maßnahmen. Um die Befunde der Sekundäranalyse einordnen und bewerten zu können, wurde das Gutachten um eine umfassende Darstellung und Analyse von Jugendkriminalität im Hell- und Dunkelfeld erweitert. Eine Längs- und Querschnittsanalyse der jugendstrafrechtlichen Sanktionierungspraxis anhand der Strafrechtspflegestatistiken weist auf Probleme der Deskription und Interpretation jugendstrafrechtlicher Sanktionierungspraxis hin. Die Sekundäranalyse umfasst Untersuchungen zu Sanktionswirkungen von jugendkriminalrechtlichen Maßnahmen, erweitert um die Darstellung zentraler Ergebnisse US-amerikanischer Metaanalysen. Die Ergebnisse werden kriminalpolitisch eingeordnet. Abschließend werden auf Basis der im Gutachten erarbeiteten Erkenntnisse Handlungsempfehlungen gegeben.
Das Gutachten gliedert sich in neun Kapitel. Neben dem Gesamtdokument stehen zur übersichtlicheren Handhabung einzelne thematische Teile des Gutachtens separat zum Download zur Verfügung:
1. Gesamtdokument: Gutachten_JGG_Heinz_gesamt.pdf
2. Zusammenfassung: Gutachten_JGG_Heinz_Zusammenfassung.pdf
3. Grundlagen: Gutachten_JGG_Heinz_Kap_I-III_Grdlagen.pdf
4. Jugendkriminalität – Hell- und Dunkelfeld: Gutachten_JGG_Heinz_Kap_IV_JgdKrim.pdf
5. Jugendstrafrechtliche Sanktionsforschung – Möglichkeiten und Grenzen: Gutachten_JGG_Heinz_Kap_V_Selektionsprobleme.pdf
6. Jugendkriminalrechtliche Sanktionierungspraxis: Gutachten_JGG_Heinz_Kap_VI_SankPraxis.pdf
7. Sekundäranalyse von Untersuchungen zum „Erfolg“ jugendkriminalrechtlicher Maßnahmen einschl. US-amerikanischer Evaluationen zu Sanktionswirkungen bei jungen Straftätern): Gutachten_JGG_Heinz_Kap_VII_VIII_Erfolgsmessung.pdf
8. Handlungsempfehlungen: Gutachten_JGG_Heinz_Kap_IX_Handlungsempfehlungen.pdf
9. Literaturverzeichnis: Gutachten_JGG_Heinz_Anlage_Litverz.pdf
Im 24. Jahr der Erhebungsreihe zur Situation in den sozialtherapeutischen Einrichtungen zeigt sich eine weitere Stabilisierung der strukturellen Gegebenheiten. In diesem Berichtsjahr eröffnete eine weitere sozialtherapeutische Einrichtung, so dass 72 Einrichtungen geringfügig mehr Haftplätze zur Verfügung stellen konnten als im Vorjahr. Dennoch wird weiterhin die Tendenz einer Versorgungssättigung gesehen, denn die Zahl der Gefangenen in sozialtherapeutischen Einrichtungen blieb auf konstantem Niveau. Dies hatte eine sinkende Belegungsquote zur Folge, ein Trend, der sich seit einigen Jahren fortsetzt. Auch in diesem Jahr wuchs der Anteil der Gefangenen, die älter als 50 Jahre alt sind, wobei ebenso der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden leicht angestiegen war. Sexualstraftäter/innen stellten wieder knapp die Hälfte der Inhaftierten in der Sozialtherapie. Der Anteil der Gefangenen, die keine Zulassung zu vollzugsöffnenden Maßnahmen innehatten oder höchstens zu Ausführungen zugelassen waren, betrug in diesem Jahr knapp 81%, was einem neuen Höchststand entspricht. Die Fachdienstausstattung blieb auf gleichbleibend günstigem Niveau mit lediglich 5,7 Haftplätzen auf einer Fachdienststelle. Weitere Ergebnisse und Entwicklungen werden im Bericht dargestellt.
Extremism and the prison system. A handbook for practitioners : Countering islamist radicalisation
(2020)
The German prison system is currently confronted with the
challenge of having to deal with persons classified as radicalised
Islamists who have either returned from the territory of the socalled
“Islamic State” or have otherwise been convicted in the
context of Islamist-motivated offences. There is also a recurring
debate as to whether or how the specific conditions in prisons
contribute to radicalisation. At the same time, many correctional
facilities lack concepts on how to manage persons posing a
threat to public security, sympathisers, and “at-risk” individuals.
Extremism and the Prison System. A Handbook for Practitioners –
Countering Islamist Radicalisation aims to contribute to an improved
understanding of prevention measures, to analyse the impact of
individual interventions, and to embed them in a holistic approach.
Its objective is to explore possible forms of de-radicalisation work
in prisons and the extent to which detention centres and the
conditions prevailing there are to be evaluated as (de-)radicalisation
factors. In addition to the theoretical part, the handbook includes
an interactive component. It provides a guideline for practitioners
on the assessment of initial suspicions, the preparation of individual
action plans, and the selection of appropriate interventions.
Die Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafen : Dauer und Gründe der Beendigung im Jahr 2018
(2020)
In der seit über fünfzehn Jahren laufenden Erhebungsreihe der KrimZ zur Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe setzt das Berichtsjahr 2018 die Folge der Jahre fort, in denen vergleichsweise viele Vollzugsaufenthalte beendet und Gefangene aufgrund einer nachträglichen Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung entlassen wurden. Bei den Entlassenen handelt es sich häufig um Personen, die den Strafvollzug nach besonders langen Verbüßungszeiten in entsprechend höherem Lebensalter verlassen haben.
Von den 107 Personen, deren lebenslange Freiheitsstrafe im Jahr 2018 beendet wurde, wurden 76 nach Aussetzung des Strafrestes gem. § 57a StGB in Freiheit entlassen. Dies entspricht einem Anteil von 4,2 % der am Stichtag 31. März 2018 einsitzenden Gefangenen mit lebenslangen Freiheitsstrafen. Die Hälfte dieser Entlassenen hatte mehr als 17 Jahre im Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe verbracht. 13 Gefangene wurden ins Ausland ausgeliefert, ausgewiesen oder zur Vollstreckung der Strafe überstellt. 14 Personen verstarben während der Strafverbüßung.
Vorgestellt werden der am 7. Januar 2020 veröffentlichte Evaluationsbericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen (NRW) über das nordrhein-westfälische Strafvollzugsgesetz sowie die zentralen Forschungsergebnisse des vom Kriminologischen Dienst NRW durchgeführten Forschungsprojektes EVALiS (Evaluation im Strafvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen). Gegenstand der Untersuchung sind: (1) Belegungsentwicklung im Strafvollzug, (2) Motivierungsgebot und Behandlungsauftrag im Strafvollzug, (3) Behandlungsmaßnahmen im Strafvollzug, und (4) weitere Behandlungsmaßnahmen und Übergangsmanagement. Es wird konstatiert, dass seit der Jahrtausendwende bis zum Jahr 2015 ein Rückgang in der Vollzugsbelegung zu verzeichnen ist, von 2015 bis 2018 wird hingegen ein leichter Anstieg registriert. Darüber hinaus wird u. a. dargelegt, dass mit einer wachsenden Zahl weiblicher Gefangener zu rechnen sein wird und weniger junge, aber mehr ältere Strafgefangene untergebracht werden müssen. Nach aktueller Datenlage besteht kein Bedarf zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes hinsichtlich der Umsetzung des Motivationsgebotes, damit einhergehend steht aber auch die Forderung nach beispielsweise personellen und finanziellen Ressourcen. Bezüglich des Behandlungsangebots der Vollzugsanstalten wird konstatiert, dass therapeutischen und deliktorientierten Angeboten nur ein geringer Wert zukommt und diese in einzelnen Justizvollzugsanstalten gänzlich fehlen. Für die Angebote zum Übergangsmanagement werden im Bereich „Arbeit und Ausbildung“ gute Ergebnisse ermittelt, während für die Bereiche „Sucht“ und „Schulden“ noch Erweiterungsbedarf festgestellt wird.
Der deutsche Justizvollzug steht aktuell vor der Herausforderung, mit als islamistisch radikalisiert eingestuften Personen umgehen zu müssen, die aus dem Gebiet des sog. "Islamischen Staates" zurückkehren oder sonst im Zusammenhang mit islamistisch motivierten Straftaten verurteilt wurden. Zudem wird immer wieder diskutiert, ob bzw. wie die spezifischen Bedingungen im Gefängnis zu Radikalisierung beitragen. Gleichzeitig liegen bei weitem nicht in allen Haftanstalten Konzepte vor, wie mit Gefährdern, Sympathisanten und Gefährdeten umzugehen ist. Das 'Praxishandbuch Extremismus und Justizvollzug - islamistischer Radikalisierung begegnen' zielt darauf ab, zu einem verbesserten Verständnis von Präventionsmaßnahmen beizutragen, die Wirkung einzelner Interventionen zu analysieren und in einen ganzheitlichen Ansatz einzubetten. Es soll sich der Frage genähert werden, wie Deradikalisierungsarbeit im Gefängnis konkret aussehen kann und inwieweit Haftanstalten und die dort vorherrschenden Bedingungen als (De-)Radikalisierungsfaktoren zu bewerten sind. Zusätzlich zum theoretischen Teil beinhaltet das Handbuch eine interaktive Komponente. Praktikerinnen und Praktiker werden vom Überprüfen des Anfangsverdachts, über das Erstellen eines individuellen Handlungsplans, bis hin zur Auswahl geeigneter Maßnahmen angeleitet.
Zur Frage, warum Frauen weniger kriminell sind als Männer, reicht es nicht aus, einfach nur Ursachen für unterschiedliche Kriminalitätsbelastungen im Allgemeinen zu finden, sondern die spezifischen Tatstrukturen und Hintergründe von Taten durch Frauen müssen betrachtet werden. Um Kriminalität von Frauen zu verstehen, werden verschiedene, häufig durch Frauen begangene Delikte kursorisch dargestellt. Im Detail handelt es sich um Gewaltdelikte (Kindesmisshandlungen und -tötungen sowie Gewalt in Paarbeziehungen und der Altenpflege), Stalking, Vermögensdelikte und Falschaussagen. Die Darstellung zeigt Tatstrukturen, Motivlagen und Risikofaktoren auf, die kriminelle Aktivitäten von Frauen fördern. Festgestellt wird, dass sich die Begehungsweisen der Taten zwischen Frauen und Männern sowohl hinsichtlich der Deliktschwere als auch der Motivlage unterscheiden. Häufig werden die Taten in Situationen begangen, die sich einer formellen Kontrolle entziehen und im Dunkelfeld verbleiben. So begehen Frauen überproportional häufig Straftaten im sozialen Nahraum und insbesondere in Sorgeverhältnissen.
Jedes Land steht vor der Herausforderung, wie es seine Bevölkerung vor höchstgefährlichen Straftätern schützen und gleichzeitig die Würde der Straftäter/-innen wahren kann. Deutschland stellt sich dieser Herausforderung mit einem zweispurigen Strafrechtssystem: Neben Freiheitsstrafen existiert die Maßregel der Sicherungsverwahrung, welche im Anschluss an die zeitige Freiheitsstrafe vollstreckt wird und zeitlich unbegrenzt andauern kann.
Die vorliegende Arbeit untersucht den politischen Aushandlungsprozess, der im Deutschen Bundestag über fünf Legislaturperioden hinweg unter wechselnden Regierungskoalitionen intensiv und teilweise hitzig geführt worden ist. Im Diskurs zur Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung werden Grundwerte verhandelt, die die Freiheit von uns allen tangieren. Was ist uns die individuelle Freiheit wert? Welche Bedeutung soll der Sicherheit der Allgemeinheit zugemessen werden? Wie sehr können und wollen wir uns auf prognostizierte Gefährlichkeitswerte verlassen?
Der Entscheidungsdiskurs zur Maßregel der Sicherungsverwahrung wird dabei aus sicherheitskultureller Sicht analysiert. Die dem Diskurs zugrunde liegenden Wissensordnungen bzw. Wertesysteme der politischen Parteien werden mit Hilfe der artikulierten Überzeugungen rekonstruiert. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die im Zeitverlauf differierenden Konstellationen Regierungs- vs. Oppositionspartei gelegt.
Die Täter-Opfer-Ausgleich-Statistik beruht auf freiwilligen Angaben von denjenigen Einrichtungen (2017: n = 76, 2018: n = 72), die die meisten Fälle (ca. 70 %) von Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) in Deutschland durchführen. Die TOA-Statistik wird prozessual produziert, indem die verantwortlichen Mediatoren/-innen die Software zur Bundesweiten TOA-Statistik zur Verwaltung der Ausgleichsfälle benutzen. Auf diese Weise werden simultan zum Dokumentationsprozess die Daten für die Statistik erhoben. Präsentiert werden Daten zu (1) Allgemeinen Fallmerkmalen, (2) den Geschädigten, (3) den Beschuldigten, (4) zur Ausgleichsbereitschaft der Beteiligten, (5) zu den Auswertungen zu den Ausgleichsverfahren und (6) zum Erfolg bzw. Nicht-Erfolg der Ausgleichsgespräche. Zudem wird die Erledigung der Fälle im Strafverfahren besprochen und abschließend die Deliktstruktur in der TOA-Statistik und der Polizeilichen Kriminalstatistik vergleichend untersucht.
Sozialtherapeutische Einrichtungen des Justizvollzugs dienen der Behandlung von (Sexual-) Straftätern, um deren Rückfallrisiko nachhaltig zu reduzieren. Das weltweit bekannteste Rehabilitationsmodell, nach dem intramurale Behandlung strukturiert werden sollte, um möglichst positive Behandlungseffekte zu erzielen, ist das Risk-Need-Responsivity-Modell (RNR-Modell). Psychologische Diagnostik nimmt in der Umsetzung dieser RNR-Prinzipien eine Schlüsselposition ein, um im Rahmen der Eingangs-, Verlaufs- und Abschlussdiagnostik den Therapieprozess anzuleiten. Ziel der vorliegenden Studie ist eine empirische Darstellung der intramuralen psychodiagnostischen Praxis anhand einer Vollerhebung aller 71 sozialtherapeutischen Einrichtungen im Jahr 2016. Von 71 Einrichtungen führen 62 eine Eingangs-, 50 eine Verlaufs- und 36 eine Abschlussdiagnostik durch. Dabei erfolgt die Eingangsdiagnostik in der Regel standardisiert, während Verlaufs- und Abschlussdiagnostik seltener einem standardisierten Schema folgen. Besonders häufig wurden Risikoprognoseverfahren zur Einschätzung des Rückfallrisikos eingesetzt, wobei insgesamt eine starke Anlehnung an das RNR-Modell zu konstatieren ist.
Um Maßnahmen der Qualifizierung und Beschäftigung von Strafgefangenen zielgerichtet einsetzen zu können, müssen zunächst die Voraussetzungen der Inhaftierten festgestellt und hieraus Bedarfe abgeleitet werden. Um die Bedarfe an Qualifizierungsmaßnahmen im sächsischen Vollzug zu bestimmen, wurde Februar bis August 2018 eine Erhebung in acht Justizvollzugsanstalten durchgeführt. In Vollzugsplankonferenzen wurde mit 1053 Inhaftierten ein Erhebungsbogen zu Schul- und Berufsabschlüssen der Inhaftierten sowie Maßnahmen in der aktuellen Haftsituation erhoben. Weiter wurden Gründe für Nichtbeschäftigung und den Abbruch von Maßnahmen erfasst. Abgefragt wurden darüberhinaus Einschätzungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Arbeitsmarkt- und Ausbildungstauglichkeit sowie der Inhaftierten zur erlebten Sinnhaftigkeit der Maßnahmen. Die vorgestellten Ergebnisse zeigen einige Bedingungen und Merkmale von Inhaftierten auf, die bei der Planung eines Angebotes von Qualifizierungs- und Arbeitsmaßnahmen im Justizvollzug relevant sind. Auf Grundlage der erhobenen Daten wird u.a. empfohlen, für die meisten Maßnahmen im Vollzug keine höhere Schulbildung als einen Hauptschulabschluss vorauszusetzen. Auch sollte ein Großteil der Angebote modular oder von kurzer Dauer sein, damit auch Inhaftierte mit kurzer Haftdauer davon profitieren können. Zusätzlich besteht ein erheblicher Bedarf an Maßnahmen für Inhaftierte, die nicht arbeitsmarkt-oder ausbildungstauglich sind.
Der vorliegende Siebte Opferschutzbericht der Landesregierung geht - wie schon die bisherigen Berichte - auf den Beschluss des Landtages Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2007 zurück (zu LT-Drs. 15/1107), mit dem der Landtag die besondere Schutzbedürftigkeit der Opfer von Straftaten betont und zugleich die Landesregierung aufgefordert hatte, im Abstand von zwei Jahren einen Bericht über die zur Verbesserung des Opferschutzes ergriffenen Maßnahmen vorzulegen. In Fortschreibung der ersten sechs Berichte werden im vorliegenden siebten Opferschutzbericht im Wesentlichen die seit dem Vorbericht im Jahr 2018 eingetretenen Änderungen und Entwicklungen dargestellt. Der Aufbau des Berichtes orientiert sich an den Vorgaben des Landtags und geht auf folgende Punkte ein: (1) Veränderungen hinsichtlich der Rechtslage zur Rechtsstellung des Opfers seit dem letzten Opferschutzbericht, (2) Entwicklung der Opferzahlen in den Jahren 2010 bis 2019, einschließlich einer statistischen Erfassung und Auswertung der Opferspezifik, (3) Projekte und Maßnahmen bzw. Weiterentwicklung bestehender Programme sowohl in den Bereichen des vorsorgenden als auch des nachsorgenden Opferschutzes sowie ergänzend (4) zur ressortübergreifenden und interdisziplinären Vernetzung im Bereich des Opferschutzes.
Untersucht wird die Arbeitszufriedenheit von Beschäftigten in Einrichtungen des Maßregelvollzugs. Die "Person-Job-Fit"-Theorie, die sich auf die Passung zwischen den Eigenschaften einer Person und den Bedingungen und Anforderungen einer bestimmten Arbeit bezieht, bildet die theoretische Grundlage der Studie. Anhand eines Online-Fragebogens, den deutschlandweit 347 im Maßregelvollzug Beschäftigte bearbeiteten, wurden verschiedene Variablen (allgemeine Merkmale wie z. B. Geschlecht, Alter oder Berufsgruppe; Persönlichkeitseigenschaften; Stationsklima) hinsichtlich ihres Zusammenhangs mit der Arbeitszufriedenheit und dem Person-Job-Fit untersucht. Weiter wurde geprüft, welchen relativen Beitrag die einzelnen Variablen für die Aufklärung von Arbeitszufriedenheit und Person-Job-Fit leisten. Im Ergebnis zeigen sich auf personaler Ebene positive Zusammenhänge von Arbeitszufriedenheit bzw. Person-Job-Fit mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften wie Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit oder niedrige Ausprägung von Neurotizismus. Auch hinsichtlich der untersuchten Altersgruppen, Berufsgruppen und Geschlecht konnten signifikante Unterschiede festgestellt werden, z. B. zeigen Frauen eine höhere Arbeitszufriedenheit als Männer und unter den Berufsgruppen ist die Arbeitszufriedenheit im Pflege- und Erziehungsdienst am geringsten. Auf Limitationen der Studie wird hingewiesen.
Bislang existieren insbesondere in Deutschland nur wenige empirische Forschungsarbeiten zu religiöser Radikalisierung in Haft. Anknüpfend an Erkenntnisse internationaler qualitativer Forschung werden eigene Überlegungen dargestellt und Implikationen für die intramurale Präventionsarbeit abgeleitet. Unter soziologischen Gesichtspunkten wird zunächst die Institution Gefängnis analysiert, wobei bereits strukturelle Unterschiede verschiedener Haftformen einer einheitlichen Betrachtungsweise und einfachen Übertragbarkeit von Forschungsergebnissen entgegenstehen. Da Radikalisierungsprozesse eine Interaktion von Individuum und Umwelt umfassen, muss auch Präventionsarbeit Aspekte des Haftkontextes berücksichtigen. Hierzu gehören u.a. psychische Anpassungsprozesse, die eine Inhaftierung als einschneidendes Lebensereignis erfordert, sowie das jeweilige Gefängnisklima. Weiterhin werden Interaktionsfreiheit als Resozialisierungsmöglichkeit einerseits und Gefahr der Anwerbung andererseits sowie die Bedeutung religiöser und sozialer Verbundenheit diskutiert. Ein Ausblick auf weitere Fragen bspw. zu methodischen oder theoretischen Ansätzen der Gefängnisforschung sowie grundsätzlichen Spannungsfeldern des Freiheitsentzugs wird gegeben.
Tätigkeitsbericht 2019
(2020)
Der vorliegende Bericht dokumentiert das 34. Jahr der Tätigkeit der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) seit der Aufnahme ihrer Arbeit im Jahre 1986. Wie in jedem Jahr werden Entwicklung, Organisation und Aufgabenstellung der KrimZ zusammenfassend dargestellt sowie die im Berichtsjahr durchgeführten Projekte und Aktivitäten in knapper Form erläutert. Für internationale Kooperationspartner und Kontaktpersonen wurde am Ende des Berichts eine Zusammenfassung in englischer Sprache angefügt.
Im Rahmen einer Totalerhebung wurden die im Zeitraum 01.01.2000 bis zum 31.12.2019 in deutschen Justizvollzugsanstalten begangenen Suizide erhoben. Insgesamt liegen für den Erhebungszeitraum knapp 1550 dokumentierte Suizide vor. Die bis 2018 vom Kriminologischen Dienst Niedersachsen durchgeführte Erhebung wurde für 2019 durch den Kriminologischen Dienst Sachsen fortgeführt. Im Fokus der vorliegenden Untersuchung stehen weibliche Suizidentinnen. Das Suizidrisiko von Frauen wird nach den Ergebnissen durch eine Inhaftierung stärker erhöht als das der Männer. Im Vergleich der Merkmale männlicher und weiblicher Strafgefangener wie Alter, Delikt, Vorinhaftierung, Drogenproblematik sowie Haftart und Zeitraum in Haft wurden geschlechtsspezifische Unterschiede herausgearbeitet. Diese geben wichtige Hinweise für die Suizidprävention bei inhaftierten Frauen. Die Risikofaktoren zeigen, wie und wann Behandlungsteams mit vermehrter Aufmerksamkeit schauen und reagieren müssen. Sie sind Indikatoren für größere Probleme bei der Bewältigung von schwierigen Lebensanforderungen, die zu einer späteren Suizidalität führen können.
Es wird vergleichend betrachtet, welche Merkmale Jugendstrafgefangene (JSG), die innerhalb von 3 Jahren nach Haftentlassung wieder im sächsischen Justizvollzug inhaftiert wurden (WI), von den JSG unterscheiden, die im gleichen Zeitraum nicht wieder inhaftiert wurden (NWI). Die Auswertungen basieren auf Daten über JSG, die seit dem 01.01.2011 in der Jugendstrafanstalt Regis-Breitingen inhaftiert waren. Einbezogen wurden nur JSG, die bis Ende 2016 aus der Bezugshaft entlassen wurden. Anhand allgemeiner Merkmale wie Alter, Staatsangehörigkeit und Bildungsabschluss werden die Gruppen WI und NWI vergleichend betrachtet. Analysiert werden zudem die Delikte der JSG nach Deliktart und Deliktschwere. Die Ergebnisse zeigen u.a., dass JSG ohne Schulabschluss und ohne berufliche Qualifikation mit höherer Wahrscheinlichkeit erneut inhaftiert werden als solche, die einen Schul- oder beruflichen Abschluss vorweisen können. Ein Großteil der WI wird in den ersten 2 Jahren nach der Entlassung rückfällig, überwiegend im ersten Jahr. Bei Diebstahls-, Betrugs- und Körperverletzungsdelikten werden über die Hälfte der JSG einschlägig rückfällig. Ausgewertet wurden darüber hinaus die in den Zugangsbögen erfassten subjektiven Einschätzungen der JSG zu den Gründen für eine erneute Inhaftierung. Am häufigsten genannt wurden: Verletzung der Bewährungsauflagen, Drogen und Einfluss des Freundeskreises. Probleme bereiten den JSG insbesondere das Einhalten von Auflagen wie das Wahrnehmen von Terminen oder das Leisten von Arbeitsstunden. Auf Implikationen der Ergebnisse für die Praxis wird hingewiesen.
Die Vorhersage von Rückfall bei Jugendstrafgefangenen: Vergleich dreier statistischer Verfahren
(2020)
In der vorliegenden Zusammenfassung der Masterarbeit der Erstautorin werden drei mögliche statistische Verfahren zur Vorhersage von Rückfall anhand verschiedener Prädiktoren bei jugendlichen Strafgefangenen analysiert: (1) Logistische Regression (LR), (2) "Random Forest" (RF) und (3) "Boosted Classification Trees" (BCT). Grundlage der Analyse sind die Daten männlicher Jugendstrafgefangener, die mehr als ein halbes Jahr in der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen eine Haftstrafe verbüßten und zwischen den Jahren 2013 und 2016 entlassen wurden. Die drei genannten statistischen Methoden wurden an einem Datenpool mit Daten über 643 Jugendstrafgefangene und 138 Variablen angewandt. Die Ergebnisse werden diskutiert. Festgestellt wird, dass Vor- und Nachteile der Methoden zur Bestimmung des Rückfallrisikos abhängig von der Zieldefinition der Rückfalluntersuchung sind. Zur Bestimmung der Vorhersagekraft einzelner Variablen wird auf LR verwiesen. Für die Vorhersagegenauigkeit werden Vorteile bei RF und besonders BCT gesehen.
In der vorliegenden Zusammenfassung der Bachelorarbeit der Erstautorin Franziska Oette wird am Beispiel der Anti-Gewalt- bzw. Anti-Aggressivitätsmaßnahmen (AGAA-Maßnahmen) der Frage nachgegangen, ob durch die Einführung der Modularen Behandlung in der sächsischen Jugendstrafvollzugsanstalt (JSA) Regis-Breitingen im Jahr 2015 eine höhere Quote der Teilnahme an den Behandlungsmaßnahmen erreicht werden konnte. Gefragt wurde, ob ein Jugendstrafgefangener (JSG), bei dem ein Bedarf festgestellt wird, die entsprechende Behandlung bekommt. Weiterhin wurde untersucht, ob die Behandlung dem eingeschätzten Rückfallrisiko angepasst wird und ob die Umstellung auf die Modulare Behandlung geeignet ist, die Behandlungsmotivation der JSG zu erhöhen. Die Untersuchung beruht auf Falldaten von JSG, die im Rahmen eines bundesländerübergreifenden Evaluationsprojekts seit 2011 in der JSA Regis-Breitingen erhoben wurden, sowie auf Daten aus dem Dokumentationssystem für die 2015 eingeführte Modulare Behandlung. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass der Bedarf der JSG tendenziell passend zum Rückfallrisiko erhoben wird und dass diese Passung seit Einführung der Modularen Behandlung verbessert wurde. Ein Einfluss der Umstellung auf die Abbrecherquote oder die Behandlungsmotivation der JSG konnte anhand der vorliegenden Daten (geringe Fallzahlen) nicht nachgewiesen werden.
Im ersten Teil einer Analyse der 2015 in der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen eingeführten Modularen Behandlung wird ein Überblick über die Implementierung der modularisierten Interventionsangebote gegeben. Jugendstrafgefangenen, insbesondere denen mit kürzerer Haftdauer, soll mit den Modulen eine individualisierte Behandlung ermöglicht werden. Die Module umfassen Themen wie 'Starter', 'Grundfertigkeiten der allgemeinen Lebensbewältigung', 'Lebensperspektiven' sowie verschiedene Angebote aus dem Bereich 'Gewalt/Aggressivität'. Im Ergebnis wird festgestellt, dass mit der Einführung der Modularen Behandlung die Angebote an Gruppenmaßnahmen differenzierter angeboten werden können. Die benötigten Ressourcen werden durch eine statistische Auswertung der individuellen Bedarfsfeststellungen deutlich gemacht. Für die meisten Jugendstrafgefangenen werden mehrere Bedarfe dokumentiert und die meisten Jugendstrafgefangenen nehmen an einer bis mehreren Gruppenmaßnahmen teil. Nach Einschätzung der Leiter der Gruppenmaßnahmen wirken die Maßnahmen auf die Teilnehmer positiv bis sehr positiv.
Das am 10.03.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen hat das Ziel, den Opfern von Stalking eine bessere Strafverfolgung zu ermöglichen, indem der bislang geltende Tatbestand der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers nicht mehr erforderlich ist. Mit dem neuen Gesetz ist es ausreichend, wenn das Täterverhalten dazu geeignet ist, die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend zu beeinträchtigen. Zur Evaluation der geänderten Gesetzgebung werden drei Jahre nach Einführung der Gesetzesänderung die Justizverwaltungen der Länder sowie acht Opferschutzverbände postalisch befragt, wobei n = 15 Landesjustizverwaltungen und n = 5 Opferschutzverbände geantwortet haben. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Gerichte und Staatsanwaltschaften mehrheitlich aufgrund der gesetzgeberischen Änderungen eine erleichterte Beweisführung bei der Anwendung des § 238 StGB und die Möglichkeit eines frühzeitigen strafrechtlichen Einschreitens feststellen. Die weiterhin bestehende Problematik der unbestimmten Rechtsbegriffe (z. B. schwerwiegend, beharrlich) wird hervorgehoben. Zudem wird auf erhebliche praktische Probleme bei der strafrechtlichen Verfolgung von Stalking hingewiesen (z. B. fehlende Dokumentation von Seiten der Opfer, Verschleierung der Tathandlungen im Internet von Seiten der Täter/-innen, Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen). Einstellungsgründe bei Verfahrenserledigung werden diskutiert. Die Opferschutzverbände kritisieren Ermittlungsbehörden dahingehend, dass sie die betroffenen Personen nicht ernst nehmen. Zudem wird die hohe Einstellungszahl bei Ermittlungsverfahren, die lange Ermittlungsdauer und die Strafhöhe moniert. Weitere Verbesserungsvorschläge werden abschließend diskutiert.
In einer retrospektiven Studie wird die Anwendbarkeit verschiedener Rückfallprognoseinstrumente zur Vorhersage intramuralen Fehlverhaltens und Lockerungsmissbrauchs in der Sozialtherapie untersucht. Hierzu werden Akten von n = 129 zwischen 2013 und 2018 aus der Sozialtherapeutischen Anstalt Ludwigshafen entlassenen männlichen Straftätern analysiert. Betrachtet werden die statistisch-aktuarischen Vorhersagetools Static-99, SVG-5 und OGRS 3 sowie zwei anstaltsinterne Checklisten. Lockerungen werden in der Untersuchungsstichprobe größtenteils gewährt (84,5 %), wobei in ca. 12 % der Fälle ein Lockerungsmissbrauch festgestellt wird. Anhand von Disziplinarmaßnahmen operationalisiertes Fehlverhalten zeigt knapp die Hälfte der untersuchten Straftäter. Valide Vorhersagen von Lockerungsmissbräuchen erzielt neben SVG-5 insbesondere OGRS 3 (AUC = 0.77). Eine moderate bis hohe Prognosegüte für intramurales Fehlverhalten besitzen alle untersuchten Instrumente sowie eine Anstaltscheckliste zur Fluchtgefahr, wobei OGRS 3 auch hier die besten Werte zeigt. Weiterhin werden Korrelationen auf Einzelitem-Ebene betrachtet. Abschließend werden Grenzen der Verfahren diskutiert und weitere Forschung angeregt.
Im Jahre 2006 bzw. 2007 wurden erstmals "Mindestanforderungen für Prognosegutachten" veröffentlicht, die wesentlich zur Qualitätssicherung in der forensischen Sachverständigentätigkeit beigetragen haben. Ende 2019 wurde nach einem mehr als dreijährigen Arbeits- und Diskussionsprozess eine aktualisierte Version, nunmehr unter dem Titel "Empfehlungen für Prognosegutachten", veröffentlicht, wobei - anders als in der Erstfassung - erfahrungswissenschaftliche und juristische Empfehlungen in separaten Aufsätzen bearbeitet und vorgestellt wurden. Im vorliegenden Beitrag werden der Arbeitsprozess zur Aktualisierung skizziert sowie wesentliche Neuerungen in beiden Bereichen - Erfahrungs- und Rechtswissenschaften - vorgestellt.
Im Jahr 2006 wurden von einer Arbeitsgruppe (nicht verbindliche) Mindestanforderungen für Prognosegutachten formuliert, die bereits im Gutachtenauftrag Berücksichtigung finden sollen. Insbesondere sollen die Sachverständigen sich an folgenden vier prognostischen Fragestellungen orientieren: (1) der Wahrscheinlichkeit erneuter Straftaten, (2) der Art, Häufigkeit und des Schweregrades erneuter Straftaten, (3) möglicher risikoreduzierender Maßnahmen und (4) möglicher risikoerhöhender Umstände. In einer empirischen Studie werden N = 787 Prognosegutachten von Gewalt- und Sexualstraftätern, die zwischen 1999 und 2016 erstellt worden sind, hinsichtlich der richterlichen Auftragsstellung und deren Beantwortung analysiert. Einen Teil der Stichprobe bilden n = 412 externe Prognosegutachten der JVA Freiburg und n = 375 Prognosegutachten der Abteilung für Forensische Psychiatrie der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Es wurden n = 407 (Freiburg: 253, München: 154) vor 2006 erstellt und n = 380 (Freiburg: 159, München: 221) nach 2006. Es zeigt sich, dass ab 2006 die Münchner Abteilung eine statistisch signifikant häufigere Beantwortung der Fragestellungen (1), (2) und (4) verzeichnet, wohingegen keine Veränderung bei den externen Prognosegutachten der JVA Freiburg festzustellen ist. Es wird argumentiert, dass in universitären Einrichtungen eher wissenschaftliche Empfehlungen aufgegriffen werden als in der allgemeinen Gutachterpraxis. Zudem wird die Bedeutung der Bezugnahme auf die prognostischen Fragestellungen bereits im richterlichen Gutachtenauftrag betont, da statistisch gezeigt werden kann, dass diese zu einer konkreteren Beantwortung durch die Sachverständigen führt.
Der vorliegende zweite Opferschutzbericht der Beauftragten für den Opferschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) dient u. a. als aktueller Tätigkeitsbericht der Beauftragten und des Teams seit Erscheinen des ersten Jahresberichts am 31.März 2019. Die Zusammensetzung des Teams ist bis auf den Ein- und Austritt von Praktikantinnen und Praktikanten nach wie vor unverändert. Der Aufgabereich des Teams umfasst (ebenfalls unverändert): (1) die Fortführung der Ansprechstelle für Opfer von Straf- und Gewalttaten, (2) Netzwerkarbeit und (3) die Mitarbeit an der Weiterentwicklung des justiziellen Opferschutzes. Seit Einrichtung der Ansprechstelle im Jahr 2017 bestand mit 1404 Betroffenen, seit dem letzten Bericht mit 576 Betroffenen Kontakt. Aktuelle Entwicklungen der Netzwerkarbeit zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass seit dem letzten Berichtsjahr zwei große allgemeine Netzwerktreffen und zwei weitere Treffen zum Thema „Häusliche Gewalt“ organisiert wurden. Es wurden insgesamt 450 Gäste begrüßt. In Bezug auf die im letzten Berichtsjahr festgestellten Schwachstellen im justiziellen Opferschutz können in einigen Fällen positive Entwicklungen konstatiert werden. So werden z. B. von der Landeskoordinationsstelle zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Männer Unterstützungsangebote für von Gewalt betroffene Männer vorbereitet. Auch bezüglich der anonymen Spurensicherung sind Erfolge zu verzeichnen. Mit dem am 01.März 2020 in Kraft getretenen Masernschutzgesetz sind die Kosten für eine anonyme Spurensicherung unter Wahrung der Anonymität der Betroffenen von der Krankenkasse zu tragen.
Die 2016 in Kraft getretene Novellierung des § 63 StGB hat zu einem Anstieg von kriminalprognostischen Gutachten geführt, so dass sich die Wartezeiten bzgl. der Erstellung von Gutachten verlängert haben. Dies wird auch auf die geringe Anzahl an Sachverständigen zurückgeführt, die aktuell für die Erstellung von Gutachten beauftragt werden. Es wird konstatiert, dass in einigen Regionen in Deutschland derzeit vorrangig oder sogar ausschließlich Fachärzte bzw. Fachärztinnen für Psychiatrie oder Ärzte bzw. Ärztinnen ohne Fachausbildung und teilweise ohne forensische Sachkunde und Erfahrung als Sachverständige bestellt werden. Es wird darauf hingewiesen, dass dem Mangel an Sachverständigen durch die Bestellung approbierter Psychologischer Psychotherapeuten bzw. Psychotherapeutinnen und Fachpsychologen bzw. Fachpsychologinnen für Rechtspsychologie begegnet werden kann. Die Ausbildung von Psychiatern bzw. Psychiaterinnen und Psychologen bzw. Psychologinnen im Bereich der forensischen Begutachtung wird vergleichend gegenübergestellt und rechtliche Aspekte der Gutachtenbeauftragung erörtert.
Im Rahmen des Projektes AMBOSafe ("Angriffe auf Mitarbeiter/-innen und Bedienstete von Organisationen mit Sicherheitsaufgaben") wurden konfliktreiche Einsatzsituationen von Polizei- und Rettungskräften untersucht. Vorgestellt werden Ergebnisse, die durch Befragungen von N = 1.763 Polizeibedienstete erhoben wurden. Zusätzlich haben N = 538 Polizeikräfte bis zu 16 Wochen ihren Arbeitsalltag standardisiert dokumentiert sowie Ereignisprotokolle für besondere Vorkommnisse verfasst. Neben der Häufigkeit und der Art der Angriffe werden die angreifende(n) Person(en) beschrieben und eruiert, ob die problematische Einsatzlage von den betroffenen Polizeikräften bereits im Vorfeld erkannt wurde, oder sich für diese überraschend ereignet hat. In diesem Zusammenhang werden auch persönliche Stressfaktoren der Einsatzkräfte als mögliche Risikofaktoren für eine Viktimisierung im Dienst diskutiert und potentielle Strategien zur Entschärfung von konfliktreichen Einsatzsituationen besprochen. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen der Einsatzkräfte gefördert werden sollte, z. B. in Form von gemeinsamen Einsatznachbesprechungen und gemeinsamen Fortbildungen. Im Rahmen des Projekts AMBOSafe wurden bereits berufsgruppenübergreifende Übungen (z. B. Einsatzszenario "Häusliche Gewalt") realisiert, die von den verschiedenen Berufsgruppen als positiv eingeschätzt wurden.
Vorgestellt wird der am 17. Juni 2019 veröffentlichte siebte Tätigkeitsbericht des Justizvollzugsbeauftragten des Landes NRW für das Jahr 2018. Die Anzahl der Eingaben bzw. vorgebrachter Anliegen ist 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 11 % gestiegen (insgesamt 328 für das Jahr 2017, 364 für das Jahr 2018). Bei den Eingaben der Gefangenen fällt vor allem die Unzufriedenheit hinsichtlich der medizinischen Versorgung auf. Die unterbliebene Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen und die untersagte Verlegung in eine Einrichtung des offenen Vollzugs stellen ebenfalls häufige Beschwerdegründe dar. Weiterhin wird konstatiert, dass aufgrund fehlender Fachkräfte und geeigneter Behandlungsmaßnahmen die adäquate Vorbereitung auf den offenen Vollzug nicht gewährleistet werden kann. Ungefähr 30 % der Gefangenenanliegen wurde von ausländischen Gefangenen vorgebracht. Diese beziehen sich u. a. auf Alltagsfragen, medizinische und psychische Versorgung sowie Kontakt zu Familie und Freunden. 2018 wurden sechs Eingaben vonseiten der Bediensteten registriert. Diese betreffen primär das Beförderungs- und Beurteilungswesen. Weitere Themengebiete wie der offene Vollzug und der Jugendarrest werden erörtert. Abschließend wird die Planung für das Jahr 2019 kurz umrissen. Diese umfasst u. a. die Wiederaufnahme der Tätigkeit der Arbeitsgruppe „Umgang mit psychisch-auffälligen Gefangenen“.
Untersucht wird der Zusammenhang zwischen einem Heimaufenthalt in der Kindheit und dem aktuellen Rückfallrisiko für erneute Sexualstraftaten sowie ob der Zusammenhang durch potenziell traumatisierende Kindheitserfahrungen (sexueller Missbrauch, körperliche Misshandlung, emotionale Vernachlässigung) vermittelt wird. Die Stichprobe setzt sich aus N = 159 männlichen Sexualstraftätern zusammen, die zwischen 2010 und 2018 in der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg inhaftiert waren. Die verwendeten Daten basieren auf Akteninformationen (u. a. Urteil, Bundeszentralregisterauszüge, Gutachten) und semistrukturierten Interviews. Die Gruppe mit einem Heimaufenthalt in der Kindheit wies einen niedrigeren sozioökonomischen Status, mehr familiäre Risikofaktoren sowie eine frühere und stärker delinquente Entwicklung auf. Zudem erzielte sie ein höheres Rückfallrisiko. Für das stabil-dynamische, nicht jedoch für das statische Rückfallrisiko wurde dieser Zusammenhang durch den kumulativen Effekt der Anzahl unterschiedlicher potenziell traumatisierender Kindheitserfahrungen vermittelt. Dies deutet darauf hin, dass ein erheblicher Anteil von inhaftierten Sexualstraftätern, die negativen Kindheitserfahrungen ausgesetzt und im Kinderheim untergebracht waren, ein höheres Rückfallrisiko aufweisen und im Erwachsenenalter einer besonderen Betreuung und Kontrolle bedürfen.
Die Praxis der Strafrechtspflege in Deutschland wird mit Hilfe von Statistiken für die Staatsanwaltschaft, der Strafverfolgung und der Strafgerichte aus dem Jahr 2017 und für die Polizei sowie für den Bereich des Strafvollzugs aus dem Jahr 2018 anhand folgender Kriterien beschrieben: (1) Straftaten (angezeigte und aufgeklärte Fälle) und Tatverdächtige, (2) Strafverfolgung, (3) Strafzumessung und Strafsanktionen (u. a. Freiheitsstrafe, Geldstrafe, Maßregeln, Täter-Opfer-Ausgleich), (4) Bewährungshilfe und Führungsaufsicht, (5) Justizvollzug und Maßregelvollzug (u. a. Belegung und Dauer), (6) Wiederverurteilungen und (7) Europäischer Vergleich. Festgestellt wird, dass die Gesamtzahlen der Straftaten und Straftäter seit zwei Jahrzehnten tendenziell abnehmen. Es wird darauf hingewiesen, dass dieser Trend in den Jahren 2015 bis 2017 unterbrochen wurde. Wird die Strafhärte – gemessen an der Gefangenenrate – betrachtet, kann Deutschland im europäischen Vergleich als weniger punitiv eingeordnet werden.
Die Sicherungsverwahrung, die eine unbefristete Freiheitsentziehung nach voller Verbüßung einer Freiheits- oder Jugendstrafe ermöglicht, wurde im Jahr 2013 reformiert. Seither ist ihr Vollzug nach dem Gesetz freiheitsorientiert und therapiegerichtet zu gestalten. Der vorliegende Forschungsbericht zum Vollzug der Sicherungsverwahrung und der vorgelagerten Strafe enthält grundlegende Informationen zur Praxis des Vollzugs in den ersten Jahren seit dieser Reform. Die von der KrimZ durchgeführte empirische Untersuchung beruht auf jährlichen Erhebungen über Strukturmerkmale der zuständigen Anstalten und Einrichtungen des Justizvollzugs und über im Vollzug eingesetzte Maßnahmen.
Die Kriminologische Zentralstelle führt seit 1997 im Auftrag ihrer Mitglieder eine jährliche Stichtagserhebung in sozialtherapeutischen Anstalten und Abteilungen des Justizvollzuges durch. In diesem Jahr liegt bereits die dreiundzwanzigste derartige Grunddatenerhebung in Folge vor. Ziel dieser Umfrage ist die Erfassung zentraler Eckdaten der Sozialtherapie im Strafvollzug, um deren Stand und Entwicklung dokumentieren zu können. An der diesjährigen Befragung nahmen alle 71 am Stichtag existierenden sozialtherapeutischen Einrichtungen Deutschlands teil. Neben den vorhandenen Haftplätzen und der Belegung wurden diverse Angaben zu den Gefangenen, spezielle institutionelle Vorgänge sowie Angaben zum Personal der Einrichtungen erfasst. Wie bereits in den Vorjahren wurden bei vielen Fragebereichen auch Zeitreihen ermittelt.
Im vorliegenden Berichtsjahr ergeben sich eine weitere Stabilisierung der strukturellen Gegebenheiten sowie die Fortsetzung einiger Trends. Die Zahl der Haftplätze reduziert sich abermals, was nahelegt, dass eine allgemeine Sättigungsgrenze der Versorgung erreicht wird. Auch die Zahl der Gefangenen, die versorgt werden, hat sich zum Stichtag 2019 reduziert. Der Trend der Alterung der Gefangenen wird auch dieses Jahr weiter fortgesetzt, so dass ein Drittel der nach Allgemeinem Strafrecht verurteilten Männer 50 Jahre oder älter sind. Sexualstraftäter stellten auch in diesem Jahr gut die Hälfte der Inhaftierten in der Sozialtherapie. Die Fachdienstausstattung bleibt auf gleichbleibend günstigem Niveau mit lediglich 5,8 Haftplätzen auf einer Fachdienststelle.
Ziele der Regensburger Aufarbeitungsstudie waren die Dokumentation und analytische Aufbereitung der Gewalt in den Einrichtungen der Regensburger Domspatzen zwischen 1945 und 1995 aus soziologischer und kriminologischer Perspektive. Methodisch wurden hierzu verschiedene Quellen auf Basis eines qualitativen Forschungsansatzes kombiniert. Eine zentrale Grundlage waren ausführliche Erhebungen zu Biografien, Erfahrungen und Wahrnehmungen von 26 ehemaligen Schülern, die alle Jahrzehnte des Untersuchungszeitraums repräsentierten. Untersucht werden die berichteten Erfahrungen und Formen erlittener Gewalt und ihrer Folgen. Auf strukturelle Ursachen der Gewalt wird eingegangen und das Gewaltverhalten von Funktionsträgern analysiert. Anschließend werden Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Gewalt und zur Prävention gegeben.
Nach § 67a II StGB kann eine zu Sicherungsverwahrung verurteilte Person in den Vollzug einer anderen Maßregel überwiesen werden, sofern das Gericht der Auffassung ist, dass ihre Resozialisierung dort besser gefördert werden kann. Seit der Reform der Sicherungsverwahrung ist dies sowohl aus dem Vollzug der vorgelagerten Freiheitsstrafe als auch nach Antritt der Sicherungsverwahrung möglich.
Der vorliegende Forschungsbericht liefert grundlegende personen- und verfahrensbezogene Informationen dazu, in welchen Fällen § 67a II StGB zur Anwendung kommt. Die Datenbasis lieferte eine bundesweite Abfrage der Einrichtungen des forensisch-psychiatrischen Maßregelvollzugs zu einschlägigen Unterbringungen nach dem 01.01.2014 und eine daran anschließende Aktenanalyse.
Soziale Beziehungen
(2019)
Untersucht werden die sozialen Beziehungen von Jugendstrafgefangenen (JSG) vor, während und nach ihrer Inhaftierung. Basierend auf Daten aus Zugangsfragebögen von 81,5 % aller Jugendstrafgefangenen (n = 1440), die im Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2018 in die Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen zugegangen sind, wurden die sozialen Beziehungen der Jugendstrafgefangenen vor ihrer Inhaftierung erfragt. Erhoben wurden u.a. die familiären Verhältnisse der JSG, die für sie einflussreichsten Bezugspersonen, der innerfamiliäre Umgang mit Fehlverhalten der Jugendlichen sowie der Umgang mit delinquenten Freunden. Aus Abgangsfragebögen von Jugendstrafgefangenen (n = 1079), vor ihrer Entlassung oder Verlegung in eine andere Anstalt, wurden Veränderungen des Verhältnisses der JSG zu Personen ihres sozialen Umfeldes während der Haft erhoben. Außerdem wurde gefragt, wie die Jugendlichen selbst und der Sozialdienst das Verhältnis zu diesen Personen nach Entlassung einschätzt. Auch wenn die Antworten sehr heterogen ausfielen, zeigt sich, dass sich die sozialen Beziehungen in der Wahrnehmung der JSG eher verschlechtert haben. Häufig zeigt sich der Wunsch, während der Haft mehr Unterstützung durch das soziale Umfeld zu erfahren. Nach Schätzung des Sozialdienstes, der nur eine Teilgruppe der Jugendlichen betraf, stehen nur für die Hälfte der Jugendlichen förderliche soziale Beziehungen für die Zeit nach der Haft als Ressource zur Verfügung. Aus den Ergebnissen ergeben sich Hinweise für fördernde und unterstützende Maßnahmen im Jugendstrafvollzug vor allem hinsichtlich der Beziehungsgestaltung.
Tätigkeitsbericht 2018
(2019)
Der vorliegende Bericht dokumentiert das 33. Jahr der Tätigkeit der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) seit der Aufnahme ihrer Arbeit im Jahre 1986. Wie in jedem Jahr werden Entwicklung, Organisation und Aufgabenstellung der KrimZ zusammenfassend dargestellt sowie die im Berichtsjahr durchgeführten Projekte und Aktivitäten in knapper Form erläutert. Für internationale Kooperationspartner und Kontaktpersonen wurde am Ende des Berichts eine Zusammenfassung in englischer Sprache angefügt.
In der seit 2002 laufenden Erhebungsreihe der KrimZ zur Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe setzen die Berichtsjahre 2016 und 2017 die Folge der Jahre fort, in denen vergleichsweise viele Vollzugsaufenthalte beendet und Gefangene aufgrund einer nachträglichen Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung entlassen wurden. Bei den Entlassenen handelt es sich erneut häufig um Personen, die den Strafvollzug nach besonders langen Verbüßungszeiten in entsprechend höherem Lebensalter verlassen haben.
Kritisch betrachtet werden zwei Gesetzentwürfe, die die Strafbarkeit von Cybergrooming (§ 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB) im vorbereitenden Stadium eines sexuellen Missbrauchs von Kindern erweitern wollen: (1) Gesetzentwurf der Bundesregierung (BR-Drs. 365/19 vom 9.8.2019), der u.a. vorschlägt, durch eine Neufassung des § 176 Abs. 6 StGB den Versuch des Cybergrooming gegenüber objektiv untauglichen betroffenen Personen oder Tatobjekten unter Strafe zu stellen, sowie (2) Gesetzesantrag des Landes Hessen (BR-Drs. 518/18 vom 16.10.2018), der nach Beratungen im Rechtsausschuss des Bundesrates eine Erweiterung des objektiven Tatbestands des § 176 Abs. 5 Nr. 3 und 4 StGB vorsieht und Kinder solchen Personen gleichstellt, die lediglich der Täter für ein Kind hält. Eine isolierte Neufassung des § 176 Abs. 6 StGB wird abgelehnt. Bedenken werden formuliert zu der von der Hessischen Landesregierung vorgeschlagenen Gleichstellung von Kindern mit Personen, die lediglich für Kinder gehalten werden können. Die in den Entwürfen vorgeschlagenen punktuellen Änderungen des Sexualstrafrechts erscheinen in der Gesamtwürdigung nicht widerspruchsfrei. Plädiert wird für eine breiter angelegte Reform des Sexualstrafrechts, die bereits durch eine vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzte Reformkommission vorbereitet wurde.
Das Bekanntwerden von Missbrauchsvorfällen in pädagogischen Institutionen, auch der katholischen Kirche, löste 2010 eine bundesweite öffentliche Debatte über die Gefahren sexualisierter Gewalt und körperlicher Misshandlungen im institutionellen Kontext aus. Vor diesem Hintergrund befasst sich der vorliegende Beitrag mit der psychologischen Betrachtung von Belastungserleben und dem Prozess der sekundären Viktimisierung bei Fällen des Missbrauchs im institutionellen Kontext. In einer November 2015 bis Januar 2016 durchgeführten Befragung von N = 21 betroffenen ehemaligen Internatsschülern der Regensburger Domspatzen wurden die Schwere der traumatischen Kindheitserfahrung, der Zusammenhang mit akuten psychischen Belastungen von Betroffenen und der Einfluss des Umgangs der katholischen Kirche mit der Thematik erhoben. Die Erlebnisse der Vergangenheit sowie das aktuelle Erleben der Studienteilnehmer, insbesondere im Hinblick auf den Umgang der Kirche mit den Missbrauchsvorwürfen, wurden anhand standardisierter und psychometrisch geprüfter Verfahren erfasst und die Ergebnisse mit denen anderer Stichproben verglichen und umfassend diskutiert.