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Der vorliegende dritte Opferschutzbericht der Beauftragten für den Opferschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) dient u. a. als aktueller Tätigkeitsbericht der Beauftragten und des Teams im Berichtszeitraum von April 2020 bis März 2021. Die Zusammensetzung des Teams ist bis auf den Ein- und Austritt von Praktikantinnen und Praktikanten nach wie vor unverändert. Im Berichtsjahr (2021) wird das Team um die Stelle einer Dipl. Sozialarbeiterin vergrößert werden. Der Aufgabereich des Teams umfasst (seit Erscheinen des ersten Opferschutzberichts im März 2019 weiterhin unverändert): (1) die Fortführung der Ansprechstelle für Opfer von Straf- und Gewalttaten, (2) Netzwerkarbeit und (3) die Mitarbeit an der Weiterentwicklung des justiziellen Opferschutzes. Seit Einrichtung der Ansprechstelle im Jahr 2017 bestand mit 1843 Betroffenen, seit dem letzten Bericht mit 576 Betroffenen Kontakt. Infolge der Corona-Pandemie konnte die Netzwerkarbeit nur eingeschränkt ausgeübt werden. 2020 mussten die meisten Präsenzveranstaltungen abgesagt werden. Erst im Herbst desselben Jahres konnten Veranstaltungen in kleinerem Rahmen wieder stattfinden. Um das Defizit auszugleichen wurden u. a. Informationspapiere mit opferschutzrechtlichen Bezügen verfasst und z. B. an Fachberatungsstellen landesweit versandt. Im aktuellen Berichtszeitraum lag der Schwerpunkt des justiziellen Opferschutzes auf dem Themenbereich der psychosozialen Prozessbegleitung und dem Pilotprojekt „Pilotprojekt Koordinatorinnen und Koordinatoren für den Opferschutz im Strafverfahren bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften“.
Im Rahmen eines zweijährigen Projektes wurde eine Betreuungsstruktur der hessischen Bewährungshilfe evaluiert. Das Sicherheitsmanagement (SIMA) II betreut wegen Gewaltdelikten verurteilte Personen mit erhöhtem Rückfallrisiko sowie Führungsaufsichtsprobanden/-innen mit negativer Sozialprognose. Die Betreuungsintensität der Probanden/-innen des SIMA II wird auf Basis initialer Risikoeinschätzungen bestimmt. Mit dieser Priorisierung orientiert sich der Fachbereich am international führenden Rehabilitationsmodell im Bereich der Behandlung straffälliger Personen – dem Risk-Need-Responsivity (RNR)-Modell. Ziel des Projektes war es, die Qualität der Risikoeinschätzungen (Projektteil 1) und die rückfallpräventive Wirksamkeit der risikoorientierten Betreuung (Projektteil 2) zu überprüfen. Darüber hinaus sollten anhand von Interviews die Perspektive der Bewährungshelfer/-innen des SIMA II und ggf. Optimierungspotentiale untersucht werden (Projektteil 3). Im Ergebnis erweisen sich beide im Fachbereich eingesetzten Risikoeinschätzungsinstrumente als reliabel und valide, lassen jedoch gleichzeitig Raum für Optimierung. Analysen von Auszügen aus dem Bundeszentralregister zeigen eine Reduktion allgemeiner sowie einschlägiger Rückfälligkeit der SIMA II-Klientel im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die vor Einführung des neuen Fachbereichs in der hessischen Bewährungshilfe betreut worden war. Auch die befragten Mitarbeiter/-innen des SIMA II beurteilen die spezialisierte, risikoorientierte und wissenschaftliche Ausrichtung des SIMA II mehrheitlich positiv, weisen jedoch gleichzeitig auf Verbesserungsmöglichkeiten hin. Insgesamt sprechen die Ergebnisse der Evaluation für die kriminalpräventive Wirksamkeit der Betreuung im SIMA II sowie für den Nutzen des Risikoprinzips im Kontext von Bewährungshilfe.
Die Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafen : Dauer und Gründe der Beendigung im Jahr 2020
(2021)
In der seit über fünfzehn Jahren laufenden Erhebungsreihe der KrimZ zur Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe setzt das Berichtsjahr 2020 die Folge der Jahre fort, in denen vergleichsweise viele Vollzugsaufenthalte beendet und Gefangene aufgrund einer nachträglichen Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung entlassen wurden. Bei den Entlassenen handelt es sich häufig um Personen, die den Strafvollzug nach besonders langen Verbüßungszeiten in entsprechend höherem Lebensalter verlassen haben.
Von den 119 Personen, deren lebenslange Freiheitsstrafe im Jahr 2020 beendet wurde, wurden 68 nach Aussetzung des Strafrestes gem. § 57a StGB in Freiheit entlassen. Die Hälfte dieser Entlassenen hatte mehr als 17,9 Jahre im Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe verbracht. 17 Gefangene wurden ins Ausland ausgeliefert, ausgewiesen oder zur Vollstreckung der Strafe überstellt. 26 Personen verstarben während der Strafverbüßung.
Die Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafen : Dauer und Gründe der Beendigung im Jahr 2019
(2021)
In der seit über fünfzehn Jahren laufenden Erhebungsreihe der KrimZ zur Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe setzt das Berichtsjahr 2019 die Folge der Jahre fort, in denen vergleichsweise viele Vollzugsaufenthalte beendet und Gefangene aufgrund einer nachträglichen Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung entlassen wurden. Bei den Entlassenen handelt es sich häufig um Personen, die den Strafvollzug nach besonders langen Verbüßungszeiten in entsprechend höherem Lebensalter verlassen haben.
Von den 118 Personen, deren lebenslange Freiheitsstrafe im Jahr 2019 beendet wurde, wurden 78 nach Aussetzung des Strafrestes gem. § 57a StGB in Freiheit entlassen bzw. begnadigt. Die Hälfte dieser Entlassenen hatte mehr als 16,6 Jahre im Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe verbracht. 24 Gefangene wurden ins Ausland ausgeliefert, ausgewiesen oder zur Vollstreckung der Strafe überstellt. 12 Personen verstarben während der Strafverbüßung.
In Anlehnung an entsprechende Vorschläge aus dem angloamerikanischen Raum (Hanson et al., 2017) wurden zur Risikoeinschätzung von Sexualstraftätern fünf kombinierte Static-99/Stable-2007 Risiko-/Bedürfnislevel-Kategorien gebildet, die - nach Erfassung des Ausgangsrisikos durch statische Risikofaktoren nach Static-99 - mithilfe der dynamischen Risikofaktoren des Stable-2007 die Vorhersagekraft der einzelnen Verfahren verbessern sollten. Die prädiktive Validität der kombinierten Anwendung wurde an einer Stichprobe von N = 705 wegen sexuell motivierter Delikte verurteilten Straftätern ermittelt, die zwischen dem 1.1.2002 und dem 31.7.2017 an der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter in Wien zur Erstellung von Vollzugsgutachten untersucht worden sind. Im Ergebnis wiesen die kombinierten Risikokategorien eine bessere Vorhersageleistung hinsichtlich des Rückfalls bei Sexualdelikten auf als der Static-99 Gesamtwert, der Stable-2007 Gesamtwert, die Static-99-Kategorien und die Stable-2007 Kategorien allein. Die Erhöhung um eine Risikokategorie ging etwa mit einer Verdoppelung der Rückfallrate für neuerliche Sexualdelikte einher. Die Anwendung der Static-99/Stable-2007 Risiko-/Bedürfnis-Kategorien für den deutschsprachigen Bereich wird empfohlen. Diese stellen hiernach gegenüber der alleinigen Anwendung von Static-99-Risikokategorien eine Verbesserung dar, die sich nicht nur auf eine Erhöhung der prädiktiven Validität bezieht, sondern auch auf eine bessere Fundierung der Prognose durch Einbeziehung individueller klinischer Merkmale und kriminogener Bedürfnisse durch den Stable-2007.
Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (50. StrÄndG) wurde vorrangig § 177 StGB grundlegend geändert. In der zuvor geführten Diskussion war eine zentrale Frage diejenige nach bestehenden Strafbarkeitslücken, also straffreien, aber als strafwürdig erachteten Sachverhalten, gewesen. Eine solche Schutzlücke wurde primär darin gesehen, dass keine Strafbarkeit nach § 177 StGB a. F. eintrat, wenn es zwar zu sexuellen Handlungen gegen den Willen Betroffener kam, dies aber ohne Nötigung durch eine andere Person geschah.
Das Gesetzgebungsverfahren enthielt nicht nur etliche kriminalpolitisch interessante Volten. Es zeigte auch auf, dass sich die eine oder andere bloße Annahme über die Zeit zu vermeintlicher Gewissheit verfestigte, ohne dass dieser empirisch-kriminologische Befunde zugrunde lagen. Das galt etwa hinsichtlich der Gründe für Einstellungen gemäß § 170 II StPO in Ermittlungsverfahren, in denen Tatverdächtigen die Begehung einer Straftat nach § 177 StGB a. F. vorgeworfen wurde.
Mit der vorliegenden Studie wurde diese Thematik deshalb aufgriffen. Da sich die dafür erhaltenen 343 Einstellungsverfügungen jedoch als zu ertragreich erwiesen, um sie lediglich unter der führenden Fragestellung zu analysieren, wurden nicht nur diese Abschlussentscheidungen als solche, sondern auch die in ihnen enthaltenen Angaben etwa zum Tatgeschehen und zu den vorgenommenen Ermittlungshandlungen erfasst.
Seit 2011 wird die Jugendstrafvollzugsanstalt (JSA) Regis-Breitingen vom Kriminologischen Dienst Sachsen evaluativ begleitet. Vorgestellt werden Veränderungen der letzten zehn Jahre hinsichtlich (1) der Klientel der Jugendstrafgefangenen (JSG), (2) der Bediensteten und (3) der COVID-19-Pandemie. Der demographische Wandel unter den JSG führte zu sinkenden Inhaftiertenzahlen, was die Zuständigkeit der JSA auf junge Verurteilte nach Erwachsenenstrafrecht und Personen in Untersuchungshaft ausweitete. Zudem steigt der Anteil der JSG mit Migrationshintergrund an. Weiter lässt sich feststellen, dass mehr JSG Drogenproblematiken haben, Heim- oder Psychiatrieerfahrungen gemacht haben und mehr Disziplinarmaßnahmen während der Haftzeit erhalten. Hinsichtlich der Bediensteten wird ein Personalabbau in fast allen Bereich (z. B. Allgemeiner Vollzugsdienst, Psychologischer Dienst) konstatiert. Die COVID-19-Pandemie führte einerseits zu Aussetzungen von Strafantritten, andererseits wurden u. a. Besuche, externe Beratungs- und Behandlungsangebote, Arbeit- und Ausbildungsmaßnahmen und stationsübergreifende Angebote eingeschränkt.
Die Täter-Opfer-Ausgleich-Statistik beruht auf freiwilligen Angaben von ca. 15 % der Einrichtungen in Deutschland (2019: n = 71, 2020: n = 68), die einen Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) anbieten und dabei insgesamt über 60 % aller Ausgleichsfälle bearbeiten. Die TOA-Statistik wird prozessual produziert, indem die verantwortlichen Mediatoren und Mediatorinnen die Software zur Verwaltung und Dokumentation der Ausgleichsfälle zugleich auch für die bundesweite TOA-Statistik verwenden. Präsentiert werden Daten zu (1) Allgemeinen Fallmerkmalen, (2) den Geschädigten, (3) den Beschuldigten, (4) zur Ausgleichsbereitschaft der Beteiligten, (5) zu den Auswertungen zu den Ausgleichsverfahren und (6) zum Erfolg bzw. Nicht-Erfolg der Ausgleichsgespräche. Zudem wird die Erledigung der Fälle im Strafverfahren besprochen. Abschließend wird in einem Exkurs der TOA unter Pandemiebedingungen untersucht. Hierfür werden bundesweit n = 74 Mediatoren und Mediatorinnen online befragt und zusätzlich halbstandardisierte Interviews (N = 9) geführt. Es zeigt sich, dass das Angebot des TOAs auch während der Kontaktbeschränkungen ganz oder teilweise aufrechterhalten werden konnte.
Islamistische Radikalisierung erkennen und vermeiden : Präventionsmöglichkeiten im Justizvollzug
(2021)
Das von 2018 bis 2020 an der Kriminologischen Zentralstelle durchgeführte Projekt "Islamistische Radikalisierung erkennen und vermeiden - Prävention im Justizvollzug" und das daraus resultierende "Praxishandbuch Extremismus und Justizvollzug - Islamistischer Radikalisierung begegnen" werden vorgestellt. Das Praxishandbuch unterstützt die Mitarbeitenden des Allgemeinen Vollzugsdienstes darin, im Rahmen der Ressourcen der eigenen Justizvollzugsanstalt einen speziell auf den Einzelfall ausgerichteten individuellen Handlungsplan zur deradikalisierenden Intervention zu erstellen. Das Vorgehen erstreckt sich über vier Schritte: (1) Konkretisierung des Anfangsverdachts, (2) Bildung eines Interventionsteams und Durchführung einer Bestands- und Bedarfsanalyse der Anstalt, (3) Auswahl von Deradikalisierungsmaßnahmen, (4) Berücksichtigung von Qualitätsmerkmalen. Deradikalisierungsmaßnahmen können dabei bei den Inhaftierten (Mikroebene), bei den Bediensteten (Mesoebene) und auf Anstaltsebene (Makroebene) ansetzen. Auf Mikroebene nehmen neben Einzelmaßnahmen vor allem ein strukturierter Vollzugsalltag mit ausreichender Freizeitgestaltung sowie die originäre Resozialisierungsarbeit eine wichtige Rolle ein. Auf Mesoebene rücken insbesondere die Wissensvermittlung, das Kompetenztraining und die Anerkennung der geleisteten Arbeit in den Fokus und auf Makroebene ein positives Anstaltsklima. Abschließend wird konstatiert, dass der multifaktoriell bedingte Phänomenbereich Extremismus einen komplexen Präventionsansatz erfordert.
Theorien und Erklärungsmodelle von Radikalisierungsprozessen im Kontext des Rechtsextremismus
(2021)
Es werden Theorien und Erklärungsmodelle von Radikalisierungsprozessen im Bereich des Rechtsextremismus vorgestellt. Die rechtsextremistische Ideologie wird dabei in drei thematische Schwerpunkte differenziert: (1) Kulturnationalismus, (2) Ethnonationalismus, (3) rassistischer Nationalismus. Der Radikalisierungsprozess stellt ein komplexes und multimodal bedingtes Phänomen dar, welches sowohl die Verstärkung bereits vorhandener Einstellungen als auch die steigende Bereitschaft für extreme Verhaltensweisen umfasst. Auslösende Faktoren für die An- bzw. Übernahme von rechtsextremistischen Einstellungen stellen das soziale Umfeld, empfundene oder erlebte Ungerechtigkeit und Unsicherheit, spezielle (Lebens-)Ereignisse und kognitive Geschlossenheit in einer ideologischen Gruppe dar. Zudem werden Faktoren, die eine Einstellungsradikalisierung begünstigen (z. B. Diskriminierungserfahrungen, mobilisierendes soziales Netzwerk) und Faktoren, die eine Verhaltensradikalisierung fördern (z. B. Verlust eines geliebten Menschen, Gruppenkonflikte, Idealisierung des Märtyrertums), vorgestellt. Es wird empfohlen, Radikalisierungsprozesse hinsichtlich ihrer jeweiligen Bezugsideologie zu differenzieren, um konkretere Erkenntnisse für zukünftige Forschungsarbeiten, aber auch für die Konzeption von Präventionsprogrammen und der Verbesserung des sicherheitsbehördlichen Bedrohungsmanagements zu generieren.