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Die Nachsorge entlassener Sexualstraftäter erfolgt in Hessen durch einen Verein, der bis 2015 dezentral ambulante Behandlungen vermittelte und finanzierte. Zur Evaluation dieses Modells wurden 47 beteiligte Therapeuten schriftlich befragt, wovon 35 antworteten. Sie wandten zur Therapie von Kindesmissbrauchstätern und Konsumenten von Kinderpornographie vor allem kognitiv-behaviorale und gesprächspsychotherapeutische Ansätze an, nur selten speziell für Sexualstraftäter entwickelte Therapien. Kritisiert wird, dass sich bei der Auswahl einer Therapie nur 30 % der Befragten am sog. RNR-Modell (Risk - Need - Responsivity) nach Andrews und Bonta orientierten, dessen Bedeutung für die effektive Behandlung betont wird. 63 % gaben an, zu Therapiebeginn immer eine diagnostische Abklärung durchzuführen, 51 % mittels ICD-10. Andere angewandte standardisierte testpsychologische Untersuchungen bringen nicht zwingend kriminologisch relevante Erkenntnisse. 91 % der Therapeuten formulierten Weiterbildungsbedarf, vor allem in der kriminologischen Prognose und Diagnose. Vor- und Nachteile der dezentralen Behandlungsorganisation werden diskutiert, wobei die Wichtigkeit professioneller Standards für den Behandlungserfolg betont wird. Seit 2015 ist mit der Einrichtung einer Fachambulanz auch eine flächendeckende Orientierung am RNR-Modell vorgesehen.
Ausgehend von einem historischen Rückblick bis ins 19. Jahrhundert, wo die Vorstufe der Führungsaufsicht noch Polizeiaufsicht bedeutete, wird die Diskussion um die Einführung der Führungsaufsicht in den 1970er Jahren dargestellt. Neben empirischen Untersuchungsergebnissen werden die Reformgesetze von 2007 und 2011 sowie deren Auswirkungen in den Bereichen (1) forensische Ambulanzen, (2) Krisenintervention, (3) unbefristete Führungsaufsicht, (4) Sicherungsverwahrung und (5) elektronische Überwachung erörtert. Eine vollständige statistische Erfassung über die Anzahl von der Führungsaufsicht unterstellten Personen existiert nicht. Auf Schwierigkeiten bei internationalen Vergleichen, insbesondere sprachliche und nationale Besonderheiten, wie auch einen anhaltend hohen Forschungsbedarf wird hingewiesen.
Die Kriminologische Zentralstelle führt seit 1997 im Auftrag ihrer Mitglieder eine jährliche Stichtagserhebung in sozialtherapeutischen Anstalten und Abteilungen des Justizvollzuges durch. Nunmehr liegt die neunzehnte derartige Grunddatenerhebung in Folge vor. Ziel dieser Umfrage ist die Erfassung zentraler Eckdaten der Sozialtherapie im Strafvollzug, um deren Stand und Entwicklung dokumentieren zu können. An der diesjährigen Befragung nahmen alle 69 am Stichtag existierenden sozialtherapeutischen Einrichtungen Deutschlands teil. Neben den vorhandenen Haftplätzen und der Belegung wurden diverse Angaben zu den Gefangenen (unter anderem Alter, Haftdauer, Straftaten), spezielle institutionelle Vorgänge (Zu- und Abgänge, Nachbetreuungsformen, vollzugsöffnende Maßnahmen) sowie Angaben zum Personal der Einrichtungen erfasst. Wie bereits in den Vorjahren wurden bei vielen Fragebereichen auch Zeitreihen ermittelt.
In der seit fast zwei Jahrzehnten durchgeführten Erhebungsreihe zur Situation in den sozialtherapeutischen Einrichtungen war das Berichtsjahr 2015 ein eher unauffälliges, in dem sich einige Trends der letzten Jahre fortsetzen; so etwa der geringfügige, aber weitere Rückgang des Anteils von Insassen, die wegen der Begehung von Sexualdelikten verurteilt wurden. Allerdings galt schon bei der Datenerhebung und dann auch im Text erstmals ein besonderes Augenmerk den ab 50-Jährigen, welche in jenen Einrichtungen, die nach Allgemeinem Strafrecht verurteilten Männern vorbehalten sind, inzwischen über ein Viertel der Gefangenen stellen.
Vorgestellt wird der am 12.11.2015 vorgelegte Abschlussbericht der Untersuchung über die Verfahrensverläufe und Verurteilungsquoten bei Sexualstraftaten in Bremen. Im Fokus stand dabei die Evaluation des 1984 in Bremen eingeführte sog. "Bremer Modell", welches zur Bearbeitung von Sexualstraftaten ein Sonderdezernat der Staatsanwaltschaft sowie ein auf Sexualstraftaten spezialisiertes Fachkommissariat bei der Kriminalpolizei Bremen vorsieht. Das Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung der Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen hat in diesem Zusammenhang 94 Akten zu Verfahren nach § 177 StGB (Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung) aus dem Jahr 2012 ausgewertet. Es werden u. a. deskriptive Daten zu Opfern, Beschuldigten und Tatbeständen sowie die Sachbearbeitung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten dargestellt. Die quantitativen Ergebnisse werden mittels drei qualitativer Gruppeninterviews mit Experten bzw. Expertinnen aus Polizei (N = 4) und Staatsanwaltschaft (N = 3) sowie der Vizepräsidentin des Amtsgerichts Bremen und dem Vorsitzenden des Schwurgerichts am Landgericht Bremen validiert. In einem weiteren Schritt werden die Daten aus der Aktenanalyse mit Daten aus den Verfahrensregistern der Polizei und der Staatsanwaltschaft Bremen abgeglichen. Die Tätigkeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht wird daraufhin bewertet. Abschließend werden die Empfehlungen der Forschungsgruppe sowie die gemeinsamen Verbesserungsvorschläge der Beteiligten erörtert.
Es wird der Fall eines Sicherungsverwahrten geschildert, der die Hälfte seines Lebens in Haftanstalten oder Einrichtungen des Maßregelvollzugs verbracht hat. Die Kasuistik dient als Beispiel für einen milden Fall innerhalb der Klientel der Sicherungsverwahrten, zeigt aber gerade dadurch, wie schwierig sich die Umsetzung der vom BGH geforderten Behandlungs- und Entlassungsperspektiven in der Realität gestaltet.
Die Praxis der Strafrechtspflege in Deutschland wird mit Hilfe von Statistiken für die Polizei, die Staatsanwaltschaft, der Strafverfolgung und der Strafgerichte aus dem Jahr 2013, für die Bewährungshilfe aus dem Jahr 2011 und für den Bereich des Strafvollzugs aus dem Jahr 2014 anhand folgender Kriterien beschrieben: (1) Straftaten (angezeigte und aufgeklärte Fälle) und Tatverdächtige, (2) Strafverfolgung, (3) Strafzumessung und Strafsanktionen (Freiheitsstrafe, Geldstrafe, Maßregeln, Täter-Opfer-Ausgleich), (4) Bewährungshilfe, (5) Justizvollzug und Maßregelvollzug (u. a. Belegung und Dauer), (6) Wiederverurteilungen und (7) Europäischer Vergleich. Es wird darauf hingewiesen, dass die Gesamtzahlen der Straftaten und Straftäter seit zwei Jahrzehnten tendenziell abnehmen.
Vorgestellt wird der 2015 veröffentlichte fünfte Tätigkeitsbericht des Justizvollzugsbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen für die Jahre 2013 und 2014. Es wird konstatiert, dass 75 % der Eingaben bzw. vorgebrachten Anliegen während des Bearbeitungszeitraums (389 im Jahr 2013 und 349 im Jahr 2014) von Gefangenen aus dem geschlossenen Vollzug stammen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf Aspekten des Umgangs mit den Gefangenen, der Ausgestaltung von Außenkontakten und der medizinischen Versorgung von Gefangenen. Es werden u. a. Defizite im transparenten Umgang mit den Gefangenen festgestellt. Hiernach erhalten Gefangenen regelmäßig keine Belege bezüglich der Abgabe von Anträgen. Empfohlen wird die Aushändigung einer Eingangsbestätigung zur Gewährleistung von Zufriedenheit und allgemeiner Zugänglichkeit bei den Untergebrachten. Um den schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken wird z. B. dafür plädiert, familiäre Besuchskontakte vorrangig zu gewähren und Außenkontakte durch Telefonate und Ausgänge zu fördern. Beanstandet wird zudem die unzureichende Anzahl von Behandlungsplätzen für psychisch auffällige Gefangene. Eine Erweiterung des Angebots sowie die Kooperation mit auswärtigen Kliniken wird angeregt. Die Einrichtung einer ärztlichen Schlichtungsstelle für den Justizvollzug zur Gewährleistung einer transparenten Gesundheitsfürsorge wird empfohlen. Weitere Aufgaben- und Themenschwerpunkte werden besprochen.
Eine Bestandsaufnahme des aktuellen Forschungsstandes zur Bedeutung des Psychopathy-Konstrukts im Kontext der Wirtschaftskriminalität verdeutlicht, dass neben einer populärwissenschaftlichen Rezeption auch eine bedeutsame Anzahl an theoretischen und empirischen Studien veröffentlicht wurde. Nach einer allgemeinen Einführung und kurzen Beschreibung der wichtigsten Messmethoden für psychopathische Persönlichkeitseigenschaften werden die im Rahmen einer Literaturrecherche ausgewerteten Artikel anhand dieser Themenbereiche überblicksartig genannt und dargestellt: Psychopathy in der Wirtschaft mit den Unterkategorien Führung, Produktivität, Arbeitsleistung und Ausbildung, Psychopathy und "kontraproduktives Verhalten" am Arbeitsplatz, Psychopathy und Wirtschaftskriminalität sowie die neurowissenschaftlichen Grundlagen von Psychopathy im Wirtschaftskontext. Abschließend wird ein vielversprechender Ansatz für zukünftige Forschungsarbeiten in einer Verbindung der eher personal-persönlichkeitsorientierten angloamerikanischen Forschungstradition und des mehr strukturell angelegten Wissenschaftszugangs der deutschsprachigen Kriminologie gesehen.
Im forensisch-psychologischen Begutachtungsbereich haben kriminalprognostische Gutachten und Stellungnahmen einen hohen Stellenwert. Die Entwicklung der methodischen Zugänge zu kriminalprognostischen Einschätzungen wird beschrieben: vom (1) intuitiven Vorgehen zur (2) ersten statistisch-aktuarischen Prognose und (3) deren Weiterentwicklung um dynamische Risikofaktoren. Mit (4) der zusätzlichen Bereitstellung eines individuellen (idiografischen) Erklärungsmodells erfolgt eine Erweiterung von (3). Aktuelle Studienergebnisse mit Relevanz für die rechtspsychologische und forensisch-klinische Praxis werden referiert. Auf die Anwendung von Kriminalprognoseinstrumenten bei besonderen Gruppen (Sicherungsverwahrte, Patienten im Maßregelvollzug) wird ebenso eingegangen wie auf die kriminalprognostische Relevanz des Alters und klinischer Diagnosen wie sexuelle Präferenzstörungen oder Psychopathie. Abschließend wird auf die Bedeutung der Art und Weise der Risikokommunikation kriminalprognostischer Ergebnisse an den bzw. die Auftraggeber im Rahmen von Entscheidungen zur Verhängung, Aufrechterhaltung oder Beendigung freiheitsentziehender Maßnahmen eingegangen.
Vorgestellt wird eine Studie zur Paralleljustiz in Berlin, welche von der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz in Auftrag gegeben und vom Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa sowie der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg durchgeführt worden ist. Dafür wurden N = 35 Imame und Vertreter/-innen religiöser Einrichtungen, N = 18 Clanführer bzw. Clanmitglieder, N = 22 Mitglieder säkularer Nichtregierungsorganisationen, N = 11 Experten bzw. Expertinnen aus dem Bereich Justiz, Polizei, Verwaltung, Rechtsanwaltschaft, N = 4 Personen mit Einblick in das Drogenhandelmilieu sowie N = 3 Wissenschaftler/-innen interviewt. Ergänzend wurden zwölf Gruppentreffen organisiert. Der Fokus lag dabei auf den muslimischen Gemeinschaften unterschiedlicher ethnischer Herkunft in Berlin und hierbei auf Konfliktsituationen im strafrechtlichen und familienrechtlichen Bereich. Konstatiert wird, dass – mit Ausnahme des islamistisch/neosalafistischen Milieus – grundsätzlich keine institutionelle Ausprägung von Paralleljustiz besteht, jedoch Konfliktlösungen auf Grundlage von kulturellem, religiösem und sozialem Gewohnheitsrecht angewandt werden. Als problematische Strukturen werden Einschüchterungsversuche von Opfern und Zeugen bzw. Zeuginnen (z. B. im Rahmen von häuslicher Gewalt) genannt, sowie ein teilweise kulturell verankerter Scham- und Ehrbegriff. Zudem ist der Zugang zum deutschen Rechtssystem durch Unkenntnis für einige Personengruppen – insbesondere bei mangelhaft integrierten Personen mit Sprachbarrieren – erschwert.