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Die vorgestellte Untersuchung basiert auf Daten der im Auftrag des Bundesjustizministeriums erstellten Rückfallstatistik. Für die statistische Analyse wurden in einer Vollerhebung 1994 alle im Bundeszentralregister (BZR) registrierten Personen mit einer relevanten Bezugsentscheidung abgesammelt. Diese Probanden wurden über einen Rückfallzeitraum von vier Jahren verfolgt. Die Absammlung der Folgedaten wurde für das Bezugsjahr 1998 im Jahr 1999 durchgeführt. Die Sonderauswertung zur Rückfälligkeit bei Gewaltkriminalität zeigt u.a., dass die meisten Gewaltdelikte der Körperverletzung zugeordnet werden können (80 %). Der Frauenanteil ist erwartungsgemäß niedrig, der Ausländeranteil niedriger als bei Nicht-Gewaltdelikten. Nach Art der Vor- und Folgeeintragungen wird ein einfaches Karrieremodell entworfen, das fünf verschiedene Verlaufsformen zeigt: Einmaltäter, Gelegenheitstäter, Aussteiger, Einsteiger und Serientäter. Die Ergebnisse zeigen, dass für die meisten Täter das Gewaltdelikt in der Bezugsentscheidung ein einmaliges Ereignis bleibt. 6,3 % werden den Serientätern zugeordnet, wobei über 80 % der Seriengewalttäter Serien-Körperverletzer sind.
MOTRA-Monitor 2020
(2021)
Im ersten, künftig im Jahresrhythmus erscheinenden Bericht über die Tätigkeit des Forschungsverbundes MOTRA wird über die Anfangsphase berichtet, vom Dezember 2019 bis Anfang 2021. Der Forschungsverbund besteht aus universitären, behördlichen und zivilgesellschaftlichen Forschungseinrichtungen, die sich auf Initiative der Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus im Bundeskriminalamt (FTE) unter direkter kooperativer Mitwirkung des Lehrstuhls für Kriminologie an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg (UHH) zusammengeschlossen haben. Das Akronym MOTRA steht dabei für „Monitoring und Transferplattform Radikalisierung". Die Forschungsvorhaben und wissenschaftlichen Analysen nehmen aus verschiedenen Perspektiven (Prävention, Repression, Bekämpfung) unterschiedliche Formen gewaltaffiner Radikalisierungen und politischer Extremismen in den Blick. Mit dem Aufbau eines Monitoringsystems soll das Radikalisierungsgeschehen in Deutschland fortlaufend, über regelmäßig wiederholte methodisch gleichartige Untersuchungen, in seinen verschiedenen Facetten beobachtet und analysiert werden. Gleichzeitig soll mit der Etablierung einer Austauschplattform zur Gestaltung eines direkteren, wechselseitigen Wissenstransfers zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik beigetragen werden. Angestrebt wird eine vergleichende phänomen- sowie ideologieübergreifende
Analyse im Zeitverlauf. Dargestellt werden Zielsetzungen und Forschungsdesigns einzelner (Teil-)Module von MOTRA sowie Ergebnisse eines ersten Monitorings bereits existierender empirischer Forschungsaktivitäten zu Radikalisierungsfragen.
Im Rahmen eines zweijährigen Projektes wurde eine Betreuungsstruktur der hessischen Bewährungshilfe evaluiert. Das Sicherheitsmanagement (SIMA) II betreut wegen Gewaltdelikten verurteilte Personen mit erhöhtem Rückfallrisiko sowie Führungsaufsichtsprobanden/-innen mit negativer Sozialprognose. Die Betreuungsintensität der Probanden/-innen des SIMA II wird auf Basis initialer Risikoeinschätzungen bestimmt. Mit dieser Priorisierung orientiert sich der Fachbereich am international führenden Rehabilitationsmodell im Bereich der Behandlung straffälliger Personen – dem Risk-Need-Responsivity (RNR)-Modell. Ziel des Projektes war es, die Qualität der Risikoeinschätzungen (Projektteil 1) und die rückfallpräventive Wirksamkeit der risikoorientierten Betreuung (Projektteil 2) zu überprüfen. Darüber hinaus sollten anhand von Interviews die Perspektive der Bewährungshelfer/-innen des SIMA II und ggf. Optimierungspotentiale untersucht werden (Projektteil 3). Im Ergebnis erweisen sich beide im Fachbereich eingesetzten Risikoeinschätzungsinstrumente als reliabel und valide, lassen jedoch gleichzeitig Raum für Optimierung. Analysen von Auszügen aus dem Bundeszentralregister zeigen eine Reduktion allgemeiner sowie einschlägiger Rückfälligkeit der SIMA II-Klientel im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die vor Einführung des neuen Fachbereichs in der hessischen Bewährungshilfe betreut worden war. Auch die befragten Mitarbeiter/-innen des SIMA II beurteilen die spezialisierte, risikoorientierte und wissenschaftliche Ausrichtung des SIMA II mehrheitlich positiv, weisen jedoch gleichzeitig auf Verbesserungsmöglichkeiten hin. Insgesamt sprechen die Ergebnisse der Evaluation für die kriminalpräventive Wirksamkeit der Betreuung im SIMA II sowie für den Nutzen des Risikoprinzips im Kontext von Bewährungshilfe.
Die Kriminalitätsentwicklung in Deutschland wird dargestellt, wobei folgende Kriminalitätsbereiche detaillierter erörtert werden: (1) Gewaltkriminalität, (2) Sonstige Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung, (3) Eigentums- und Vermögensdelikte, (4) Wirtschaftskriminalität, (5) Korruption, (6) Umweltstraftaten, (7) Internetkriminalität, (8) Delikte im Zusammenhang mit Drogen, (9) Organisierte Kriminalität und (10) Politisch motivierte Kriminalität. Berichtet wird zudem von speziellen Tätergruppen, wie Zuwanderern/-innen und Schleusern/-innen. Die strafrechtlichen Reaktionen (u. a. Strafverfahren, Ermittlungsverfahren, gerichtliches Verfahren, Täter-Opfer-Ausgleich) werden besprochen. Die Verwahrung im Straf- und Maßregelvollzug wird diskutiert, bevor auf die Entlassung aus dem Strafvollzug und auf die Strafaussetzung eingegangen wird. Die Rolle der Bewährungshilfe, der Sozialen Dienste der Justiz und der Strafentlassenenhilfe wird erörtert. In diesem Zusammenhang wird die Rückfallstatistik kurz dargestellt, bevor die Entwicklungen in der Kriminalprävention diskutiert werden. In einem gesonderten Kapitel werden Jugendliche als Opfer und Täter/-innen betrachtet, bevor eine kriminal- und rechtspolitische Schlussfolgerung folgt.
Die Praxis der Strafrechtspflege in Deutschland wird mit Hilfe von Statistiken für die Staatsanwaltschaft, der Strafverfolgung und der Strafgerichte aus dem Jahr 2017 und für die Polizei sowie für den Bereich des Strafvollzugs aus dem Jahr 2018 anhand folgender Kriterien beschrieben: (1) Straftaten (angezeigte und aufgeklärte Fälle) und Tatverdächtige, (2) Strafverfolgung, (3) Strafzumessung und Strafsanktionen (u. a. Freiheitsstrafe, Geldstrafe, Maßregeln, Täter-Opfer-Ausgleich), (4) Bewährungshilfe und Führungsaufsicht, (5) Justizvollzug und Maßregelvollzug (u. a. Belegung und Dauer), (6) Wiederverurteilungen und (7) Europäischer Vergleich. Festgestellt wird, dass die Gesamtzahlen der Straftaten und Straftäter seit zwei Jahrzehnten tendenziell abnehmen. Es wird darauf hingewiesen, dass dieser Trend in den Jahren 2015 bis 2017 unterbrochen wurde. Wird die Strafhärte – gemessen an der Gefangenenrate – betrachtet, kann Deutschland im europäischen Vergleich als weniger punitiv eingeordnet werden.
Die Täter-Opfer-Ausgleich-Statistik beruht auf freiwilligen Angaben von denjenigen Einrichtungen (2017: n = 76, 2018: n = 72), die die meisten Fälle (ca. 70 %) von Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) in Deutschland durchführen. Die TOA-Statistik wird prozessual produziert, indem die verantwortlichen Mediatoren/-innen die Software zur Bundesweiten TOA-Statistik zur Verwaltung der Ausgleichsfälle benutzen. Auf diese Weise werden simultan zum Dokumentationsprozess die Daten für die Statistik erhoben. Präsentiert werden Daten zu (1) Allgemeinen Fallmerkmalen, (2) den Geschädigten, (3) den Beschuldigten, (4) zur Ausgleichsbereitschaft der Beteiligten, (5) zu den Auswertungen zu den Ausgleichsverfahren und (6) zum Erfolg bzw. Nicht-Erfolg der Ausgleichsgespräche. Zudem wird die Erledigung der Fälle im Strafverfahren besprochen und abschließend die Deliktstruktur in der TOA-Statistik und der Polizeilichen Kriminalstatistik vergleichend untersucht.
Das am 10.03.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen hat das Ziel, den Opfern von Stalking eine bessere Strafverfolgung zu ermöglichen, indem der bislang geltende Tatbestand der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers nicht mehr erforderlich ist. Mit dem neuen Gesetz ist es ausreichend, wenn das Täterverhalten dazu geeignet ist, die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend zu beeinträchtigen. Zur Evaluation der geänderten Gesetzgebung werden drei Jahre nach Einführung der Gesetzesänderung die Justizverwaltungen der Länder sowie acht Opferschutzverbände postalisch befragt, wobei n = 15 Landesjustizverwaltungen und n = 5 Opferschutzverbände geantwortet haben. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Gerichte und Staatsanwaltschaften mehrheitlich aufgrund der gesetzgeberischen Änderungen eine erleichterte Beweisführung bei der Anwendung des § 238 StGB und die Möglichkeit eines frühzeitigen strafrechtlichen Einschreitens feststellen. Die weiterhin bestehende Problematik der unbestimmten Rechtsbegriffe (z. B. schwerwiegend, beharrlich) wird hervorgehoben. Zudem wird auf erhebliche praktische Probleme bei der strafrechtlichen Verfolgung von Stalking hingewiesen (z. B. fehlende Dokumentation von Seiten der Opfer, Verschleierung der Tathandlungen im Internet von Seiten der Täter/-innen, Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen). Einstellungsgründe bei Verfahrenserledigung werden diskutiert. Die Opferschutzverbände kritisieren Ermittlungsbehörden dahingehend, dass sie die betroffenen Personen nicht ernst nehmen. Zudem wird die hohe Einstellungszahl bei Ermittlungsverfahren, die lange Ermittlungsdauer und die Strafhöhe moniert. Weitere Verbesserungsvorschläge werden abschließend diskutiert.
Es wird aus dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten laufenden Projekt „Gewalt und Suizid im Jugendstrafvollzug“ berichtet. Zur Erhebung der Daten werden ab Mai 2011 zu vier Messzeitpunkten inhaftierte männliche Personen aus der thüringischen Anstalt Ichtershausen und den nordrhein-westfälischen Anstalten Heinsberg und Herford mit Hilfe von quantitativen Fragebögen und problemzentrierten Interviews befragt, sowie die Gefangenenpersonalakten analysiert. Bis dato liegen N = 1767 Fragebögen vor. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die befragten Inhaftierten in fünf Klassen eingeteilt werden können: (1) Kaum-Involvierte, (2) Opfer, (3) Täter, (4) Dominanzverhalten und (5) Täter/Opfer. Es zeigt sich ein Zusammenhang zwischen erlebter physischer Gewalt und ausgeübter physischer Gewalt über den Zeitverlauf. Sexualdelikte werden durchgehend wenig berichtet. Der Vergleich mit den Gefangenenpersonalakten deutet darauf hin, dass nur jede vierte bis fünfte Gewalttat von Vollzugsseite entdeckt und dokumentiert wird. Die Analyse der Gefangenenpersonalakten wird mit zwei Kontrollgruppen verglichen, wobei eine Gruppe Schüler und Studenten umfasst und die andere Gruppe Verurteilte, deren Strafe auf Bewährung ausgesetzt wurde. Die zweite Kontrollgruppe berichtet von hohen Werten bzgl. Täter- und Opfererfahrungen. Das Forschungsfeld der Suizidalität stellt sich als schwer erforschbar dar, da die gefangenen Personen darüber informiert werden, dass konkrete Hinweise auf Suizidgedanken der Anstalt gemeldet werden müssen. Die Ergebnisse zeigen dementsprechend, dass nur bereits auffällig gewordene Gefangene von Suizidgedanken und -versuchen berichten.
Ausgangspunkt der Analyse ist die Frage nach Justizkulturen, nach regionalen und lokalen Verfahrens- und Entscheidungsbesonderheiten im Bereich der Strafjustiz, die sich in der örtlichen Strafrechtspraxis unterhalb des geltenden Rechts gebildet haben. Eingegangen wird auf methodische Aspekte der Messung und des Nachweises der Unterschiede. Die festgestellte ungleiche Rechtsanwendung zieht rechts- und kriminalpolitische Probleme nach sich, die diskutiert werden. Neben Risiken der Ungleichheit werden auch Chancen der regionalen Disparität benannt.
Untersucht wird der Einfluss von tragfähigen sozialen Beziehungen auf die Reintegration von Jugendstrafgefangenen in der sächsischen Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen. Dafür werden Auskünfte aus dem Bundeszentralregister sowie im Jugendstrafvollzug ausgefüllte Behandler- und Klienten-Fragebögen ausgewertet. Einbezogen werden N = 572 Jugendstrafgefangene, die 2011 in die Jugendstrafvollzugsanstalt gekommen sind, mindestens sechs Monate inhaftiert waren und zwischen 2013 und 2016 entlassen worden sind. Es zeigt sich, dass die Bereitschaft an der Mitwirkung am Vollzugsziel bereits ein Indikator für die spätere Rückfälligkeit darstellt. Signifikante Korrelationen zur Mitwirkung lassen sich bei sozialen Außenkontakten feststellen. Analog korrelieren förderliche Familien-, Freunde- und Partnerbeziehungen mit einer eventuellen späteren Rückfälligkeit. Keine signifikanten Korrelationen mit der Rückfälligkeit zeigen eine vorhandene Drogenproblematik, frühere Inhaftierungen und deviantes Verhalten in der Kindheit. Es wird empfohlen, die Familie bereits während der Behandlung im Jugendstrafvollzug mit Hilfe familienorientierter Angebote einzubeziehen und im Vollzug Angebote für die Jugendstrafgefangenen zur Stärkung von Beziehungs- und Bindungsfähigkeiten bereitzustellen.