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Die Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafen : Dauer und Gründe der Beendigung im Jahr 2018
(2020)
In der seit über fünfzehn Jahren laufenden Erhebungsreihe der KrimZ zur Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe setzt das Berichtsjahr 2018 die Folge der Jahre fort, in denen vergleichsweise viele Vollzugsaufenthalte beendet und Gefangene aufgrund einer nachträglichen Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung entlassen wurden. Bei den Entlassenen handelt es sich häufig um Personen, die den Strafvollzug nach besonders langen Verbüßungszeiten in entsprechend höherem Lebensalter verlassen haben.
Von den 107 Personen, deren lebenslange Freiheitsstrafe im Jahr 2018 beendet wurde, wurden 76 nach Aussetzung des Strafrestes gem. § 57a StGB in Freiheit entlassen. Dies entspricht einem Anteil von 4,2 % der am Stichtag 31. März 2018 einsitzenden Gefangenen mit lebenslangen Freiheitsstrafen. Die Hälfte dieser Entlassenen hatte mehr als 17 Jahre im Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe verbracht. 13 Gefangene wurden ins Ausland ausgeliefert, ausgewiesen oder zur Vollstreckung der Strafe überstellt. 14 Personen verstarben während der Strafverbüßung.
Der Beitrag beschäftigt sich aus sozialwissenschaftlicher und rechtlicher Sicht mit der Gefährlichkeit psychisch gestörter Straftäter. Vor dem Hintergrund spektakulärer, aber seltener Delikte, die in der Berichterstattung der Massenmedien breiten Raum einnehmen, werden zunächst Ergebnisse von Befragungsstudien zu Wissen und Einstellungen über psychische Krankheiten referiert. Sodann werden verschiedene Gefahrbegriffe des deutschen Rechts erläutert, insbesondere die der strafrechtlichen Maßregeln. Schließlich werden Ergebnisse einer empirischen Untersuchung über die Praxis strafrechtlicher Unterbringungen psychisch gestörter und suchtkranker Straftäter vorgestellt. Dabei geht es um die Unterbringungsdelikte und die strafrechtliche Rückfälligkeit nach Entlassung aus dem psychiatrischen Maßregelvollzug.
Mit Kriminalitätsopfern beschäftigen sich vor allem seit den 70er Jahren zahlreiche kriminologische Forschungsvorhaben. Dabei haben sich bestimmte Forschungseinrichtungen herauskristallisiert, etwa zur Häufigkeit bestimmter Arten von Viktimisierungen, den Formen ihrer individuellen Verarbeitung, der Stellung der Geschädigten im Strafverfahren, der Praxis von Opferhilfeprojekten und der Bedeutung der Kriminalitätsfurcht. Der Beitrag zieht eine Zwischenbilanz der Opferforschung anhand einiger exemplarischer Studien. Dabei wird deutlich, daß sehr unterschiedliche Formen von Viktimisierungen vorkommen. Trotz des bemerkenswerten Umfangs der Forschung werden Themen wie etwa die Darstellung der Opfer von Straftaten in den Massenmedien oder Viktimisierungen durch Familienangehörige nur selten Gegenstand empirischer Untersuchungen.
Vorgestellt werden ausgewählte Ergebnisse einer umfangreichen empirischen Studie zur Praxis des Maßregelrechts, die von der Kriminologischen Zentralstelle durchgeführt wurde. Sie ermöglicht es, den Verfahrensgang anhand repräsentativer Stichproben von Strafverfahrensakten umfassend darzustellen. Die strafrechtliche Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) erfolgt zum größten Teil wegen schwerer Delikte gegen Personen, darunter Tötungsdelikte, Körperverletzungsdelikte, Sexualdelikte, Brandstiftungen und Raubdelikte. Knapp ein Drittel der aussetzungsfähigen Maßregeln wird primär zur Bewährung ausgesetzt. Im Vollstreckungsverfahren sind über zwei Drittel der Verurteilten nach der Rechtskraft der Bezugsentscheidung im Maßregelvollzug. Die Hälfte der Maßregelpatienten ist länger als vier Jahre dort; bei langfristiger Betrachtung sind es 13% mit Aufenthalten von mehr als zehn Jahren.
Im Frühjahr 2007 ist das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung (BGBl. I 513) in Kraft getreten. Die wesentlichen Änderungen im Bereich der Führungsaufsicht werden vorgestellt und aus kriminologischer Sicht bewertet. Begrüßt wird die Intention des Gesetzgebers, die Führungsaufsicht zu vereinfachen und in der Praxis zu effektivieren. In Frage gestellt werden dagegen das Festhalten an der praktisch kaum relevanten Strafvorschrift des StGB § 145a, die empirisch nicht zu begründenden Sonderregelungen für Sexualstraftäter sowie Tendenzen, die Anwendung der Maßregel ohne Rücksicht auf die begrenzten Ressourcen auszuweiten. Nach hier vertretener Auffassung ist es aufgrund entsprechender Katamnesestudien grundsätzlich angemessen, unter engen Voraussetzungen auch die Möglichkeit einer unbefristeten Führungsaufsicht zu schaffen.
In der seit 2002 laufenden Erhebungsreihe der KrimZ zur Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe setzen die Berichtsjahre 2016 und 2017 die Folge der Jahre fort, in denen vergleichsweise viele Vollzugsaufenthalte beendet und Gefangene aufgrund einer nachträglichen Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung entlassen wurden. Bei den Entlassenen handelt es sich erneut häufig um Personen, die den Strafvollzug nach besonders langen Verbüßungszeiten in entsprechend höherem Lebensalter verlassen haben.
Die aktuelle Entwicklung der Führungsaufsicht hinsichtlich der beteiligten Akteure, einer Flexibilisierung der Maßnahme und der kriminalpolitischen Verbindung mit der Sicherungsverwahrung sowie Anhaltspunkten für eine mittlerweile höhere Akzeptanz der Führungsaufsicht werden erörtert. Die Einbindung forensischer Ambulanzen und der Polizei zur Ergänzung der Führungsaufsichtsstellen wird beschrieben. Als Regelungen für eine Flexibilisierung der Maßnahme werden kürzere Freiheitsentziehungen als stationäre Krisenintervention und weitere Fallgruppen für eine unbefristete Führungsaufsicht eingeführt. Die Auswirkungen einer stationären Krisenintervention auf die Führungsaufsicht werden diskutiert. Die Verknüpfung mit der Sicherungsverwahrung wird insbesondere unter dem Gesichtspunkt der elektronischen Aufenthaltsüberwachung dargestellt.
Gegenstand der Anmerkung sind zwei Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen der Resozialisierung von Strafgefangenen und dem Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten befassen. In beiden Verfahren geht es um Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungsgerichte, die eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung und Vollzugslockerungen ablehnen. In den Anwendungen wird auf Folgen der Neufassung der Prognoseklausel in StGB § 57 Abs 1 Nr 2 sowie den inhaltlichen Zusammenhang von Lockerungen des Vollzugs und Strafrestaussetzung hingewiesen. Es wird die Auffassung vertreten, dass die konstatierte Verschärfung der Prognoseanforderungen für eine Maßregelaussetzung relativiert werden müsse, da der Gesetzgeber durch Änderungen des Strafrechts die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verhältnismäßigkeit lang dauernder Freiheitsentziehungen nicht außer Kraft setzen könne.
Nach einem kurzen Rückblick auf die Entstehungsgeschichte der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) als zentrale Forschungsstelle und Dokumentationseinrichtung des Bundes und der Länder für den Bereich der Strafrechtspflege werden Organisation und Aufgaben der KrimZ dargestellt. Neben der Dokumentation relevanter kriminologischer Literatur und Forschung sowie der Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsveranstaltungen besteht die Hauptaufgabe der KrimZ in der Durchführung praxisbezogener Forschungsvorhaben im Bereich von Kriminologie und Strafrechtspflege. Exemplarisch werden zwei Forschungsprojekte näher betrachtet. Zum einen das Projekt "Legalbewährung und kriminelle Karrieren von Sexualstraftätern" mit dem Forschungsziel der Ermittlung von Rückfallquoten und Risikomerkmalen und zum anderen das Projekt "Kooperation von öffentlicher Jugendhilfe und Strafjustiz bei Sexualdelikten gegen Kinder", das die Bereiche Opferschutz und Prävention im Rahmen von Sexualdelikten untersucht.
Die neuen gesetzlichen Regelungen zur Verwirklichung des Abstandsgebotes in der Sicherungsverwahrung werden erläutert und bewertet. Dabei wird ein Überblick über die Ländergesetze und deren Reichweite gegeben sowie der Einfluss des StGB § 66, der die bundesrechtlichen Rahmenregelungen zur Sicherungsverwahrung enthält, beschrieben. Im Einzelnen erfolgt ein Vergleich der Länderfassungen hinsichtlich: (1) Behandlung und Vollzugsplan, (2) Wohnen und Essen, (3) Umgang mit Arbeit, (4) vollzugsöffnende Maßnahmen, (5) Kontakte nach außen und (6) Disziplinarmaßnahmen. Auf Veränderungen gegenüber der bundesrechtlichen Vorlage wird hingewiesen.